Drucksache 18 / 11 055 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 20. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. April 2017) und Antwort Fertigessen oder Selbstversorgung – Küchen in Berliner Unterkünften für Geflüchtete Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Antworten zu Frage 2 bis 8 bitte jeweils pro Unterkunft nach Straße und Bezirk auflisten. 1) Welche Verpflegungsarten (Selbstversorgung vs. Vollverpflegung; Vollverpflegung durch Lieferdienst vs. Vollverpflegung durch eigene Küche vor Ort) gibt es in den einzelnen Berliner Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften? Zu 1.: Bei der Verpflegungsart in den Berliner Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünften, Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften wird durch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zwischen Selbstversorgung und Vollverpflegung unterschieden . Bei Unterkünften mit Vollversorgung obliegt diese der Betreiberin/dem Betreiber; es liegen dem Senat daher keine Angaben vor, bei welchen Unterkünften die Vollversorgung durch eine Küche vor Ort oder durch einen Lieferdienst sichergestellt wird. In jedem Fall muss die Vollversorgung den vom LAF einheitlich und mit den Betreiberinnen und Betreibern vereinbarten definierten Qualitätskriterien entsprechen. 2) In welchen Berliner Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften stehen für einen Teil der Bewohner*innen Kochgelegenheiten für die Selbstverpflegung zur Verfügung? 3) In welchen Berliner Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften stehen Kochgelegenheiten für die Selbstverpflegung aller Bewohner *innen zur Verfügung? 4) In welchen Berliner Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften stehen Kochgelegenheiten für die Selbstverpflegung der Bewohner *innen NICHT zur Verfügung? 5) In welchen Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften sind die baulichen Voraussetzungen für den Einbau von Kochgelegenheiten zur Selbstverpflegung gegeben? 6) In welchen Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften ist aufgrund der baulichen Voraussetzungen der Einbau von Kochgelegenheiten zur Selbstverpflegung ausgeschlossen? Aus welchen konkreten Gründen ist der Einbau von Kochgelegenheiten zur Selbstverpflegung dort jeweils nicht möglich? (fehlender Platz, fehlende Nachrüstbarkeit von An- und Abflüssen, Brandschutzgründe usw.) 7) Welche Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Notunterkünfte, in denen eine Selbstverpflegung aller Bewohner*innen mangels ausreichender Kochgelegenheiten bisher nicht möglich ist, plant der Senat entsprechend nachzurüsten und mit ausreichend Kochgelegenheiten auszustatten? Bitte auflisten nach Unterkunft, Zeitplan des Umbaus, Träger der Baumaßnahme – Eigentümer, Betreiber, LAF oder BIM) Zu 2. bis 7.: Alle Gemeinschaftsunterkünfte verfügen über Möglichkeiten zur Selbstversorgung und somit über Kochgelegenheiten. Die nachfolgende Beantwortung bezieht sich daher vor allem auf Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünfte. In den vom LAF belegten Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften wird aktuell sukzessiv eine Bestandsaufnahme zu den bestehenden Kochgelegenheiten sowie den jeweiligen Möglichkeiten eines Umbaus/Einbaus durchgeführt. Im Ergebnis dieser Überprüfungen wird durch das LAF die Nutzung einer Unterkunft für Selbstversorger geprüft. Der Einbau bzw. die Freigabe von Kochgelegenheiten in den Notunterkünften und Erstaufnahme-einrichtungen ist abhängig von baulichen, baurechtlichen und brandschutzrechtlichen Voraussetzungen. Darüber hinaus ist Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 055 2 bei jedem Umbau die Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Maßnahme im Verhältnis der Dauer der voraussichtlichen Nutzung zu den Kosten des Umbaus zu berücksichtigen . 8) Für welche Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Notunterkünfte liegen beim LAF Anträge der Betreiber vor, Küchen einbauen zu lassen, und wie ist der jeweilige Bearbeitungsstand? Zu 8.: In der zuvor erwähnten Bestandaufnahme wird erfasst, in wie weit Kochgelegenheiten erweitert bzw. freigegeben werden können. Zur Umsetzung wird auf die Beantwortung der Fragen 2 bis 7 verwiesen. 9) Welche Möglichkeiten hat der Senat geprüft, Kochgelegenheiten ggf. auch außerhalb der Unterkünfte zur Verfügung zu stellen (z.B. in mobilen Küchencontainern ). Mit welchem Ergebnis? Zu 9.: Das LAF hat von der Nutzung mobiler Kochgelegenheiten in der Vergangenheit wegen der fehlenden Praktikabilität bzw. Eignung dieser Vorrichtungen für den Betrieb von Notunterkünften abgesehen. 10) Wie stellt der Senat sicher, dass alle Personen, die nicht mehr in eine Erstaufnahmeeinrichtung nach § 47 AsylG eingewiesen wurden, und daher gemäß dem zum 1.3 2015 geänderten § 3 Abs. 2 AsylbLG Anspruch auf Grundleistungen in Form von Bargeld zur Selbstversorgung haben, sowie Personen, die Regelleistungen in bar nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII, oder Regelleistungen des Jobcenters in bar nach dem SGB II beanspruchen können, in ihren Unterkünften in der Lage sind, die ihnen nach dem Gesetz zustehende Selbstverpflegung auch tatsächlich zu realisieren? 11) Wie bewertet der Senat den Umstand, dass zahlreiche Personen, die nach dem Gesetz nicht mehr dem 1993 zum Zweck der Abschreckung und Bekämpfung des „Asylmissbrauchs“ eingeführten Sachleistungsprinzips unterliegen, in Unterkünften untergebracht sind, in denen eine Selbstverpflegung aufgrund mangelnder Kochgelegenheiten nicht möglich ist und daher dauerhaft entwürdigende Vollverpflegung erhalten? 12) Welche Größenordnung haben die monatlichen Mehrkosten für die „Vollverpflegung“ in einer Unterkunft mit zB 500 Personen, wenn man den im Regelsatz enthaltenen durchschnittlichen (nach Regelsatzstufen) Ernährungsanteil nach EVS mit den durchschnittlichen Aufwendungen für die Vollverpflegung durch einen Caterer vergleicht? 13) Welche psychischen Folgen hat das langfristige Kochverbot nach Einschätzung des Senats für die Bewohner *innen? Sind dem Senat hierzu Erkenntnisse der Betreiber, Beratungsstellen und Geflüchteten sowie wissenschaftliche Studien bekannt? Zu 10. - 13.: Aufgrund des hohen Zuzugs von Asylbegehrenden im zweiten Halbjahr 2015 und zu Beginn des Jahres 2016 standen nicht in ausreichendem Maße ausgestattete und qualitativ hochwertige Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, musste auch auf Notunterkünfte zurückgegriffen werden, die über keine oder nicht ausreichende Kochmöglichkeiten verfügen. Der Senat wird mit der sukzessiven Fertigstellung neuer Unterkünfte und dem Umbau von Notunterkünften in Gemeinschaftsunterkünften die Unterbringungssituation der betroffenen Menschen verbessern. Nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) vorbehaltlich des Satzes 4 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs nach Absatz 1 Satz 1 (dieser Vorschrift) zu gewähren . Nach Satz 2 dieser Vorschrift können zur Deckung des notwendigen Bedarfs anstelle der Geldleistungen , soweit es nach den Umständen erforderlich ist, Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bundesgesetzgeber hat im Sommer letzten Jahres im Rahmen des 9. SGB-II-Änderungsgesetzes die Regelung des § 65 SGB II beschlossen, die zum 1. August 2016 in Kraft getreten ist. Diese regelt die Sachleistungsgewährung bei Unterbringung in Unterkünften ohne Selbstversorgungsmöglichkeit. Diese Regelung verfolgt den Zweck, Doppelleistungen zu vermeiden. Im Rahmen der durch das LAF durchgeführten Belegungssteuerung werden vorrangig Personen im Barleistungsbezug in Unterkünfte mit Selbstversorgung und Personen mit Sachleistungsanspruch in Unterkünfte mit Vollversorgung untergebracht. Aufgrund der nach wie vor nicht ausreichenden Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften kann eine anspruchsgerechte Unterbringung nicht in jedem Falle gewährleistet werden. Im Zuge der weiteren Bedarfs- und Kapazitätsplanung werden zusätzliche Plätze in Einrichtungen mit Selbstverpflegungsmöglichkeiten geschaffen. Der Senat geht davon aus, dass die Möglichkeit für Bewohnerinnen und Bewohner, nach individuellen Ansprüchen sich selbst Mahlzeiten zubereiten zu können, maßgeblich die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften verbessert. Aus diesem Grunde liegt der Fokus bei Neu- und Umbau auf der Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften, die diese Möglichkeiten bieten. Die Vollverpflegung der Bewohnerinnen und Bewohner durch Catering-Angebote in Notunterkünften schränkt diese Lebensqualität ein. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 055 3 Ein Vergleich der Kosten für eine Vollverpflegung in einer Unterkunft mit dem Ernährungsanteil im Regelsatz ist nicht möglich. Es handelt sich um voneinander abweichende Ansätze. So werden bei der Herleitung des Regelsatzes nur die Aufwendungen für Lebensmittel herangezogen , während bei einer Vollverpflegung in einer Unterkunft auch die Zubereitung der Speisen enthalten ist. Berlin, den 12. Mai 2017 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mai 2017)