Drucksache 18 / 11 097 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 25. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2017) und Antwort Kinder, die keine sind: Wie ist der derzeitige Stand der Altersfeststellung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist die derzeitige Lage bei der forensischen Altersfeststellung von sogenannten Kinderdealern? Zu 1.: Die Altersfeststellunguntersuchungen werden auf die in der Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage vom 6. Dezember 2013 (Drucksache 17/12 961) beschriebene Art und Weise durch das Gemeinsame Centrum für Altersdiagnostik, Charité/UKE (GCA) durchgeführt. 2. Welche Bewertungen und Schlussfolgerungen trifft der Senat - vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage 2 der kleinen Anfrage (Drs. 17/12961) vom 06.12.13 - in Bezug auf die Einrichtung von intensivpädagogischen Plätzen für massiv gefährdete straffällige Minderjährige sowie auf die Arbeit des eingerichteten Fachbeirats und sind die damaligen Erwartungen eingetreten ? 3. Welche Maßnahmen wurden im Jahr 2016 und welche werden aktuell angewandt, um eine Gefahr im Sinne des § 42 Abs. 5 SGB VIII abzuwenden? Zu 2. und 3.: Der Senat hat mit der Einrichtung und Förderung einer Krisen- und Clearingeinrichtung nach § 42 Absatz 5 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) eine Lücke in der gesamtstädtischen Notdienstversorgung für eine zahlenmäßig kleine, aber hoch betreuungsintensive Zielgruppe geschlossen. Es hat sich gezeigt, dass in der Regel in Berlin fünf Not- und Krisenplätze ausreichen, um bei einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung Kinder und Jugendliche befristet im Rahmen der Inobhutnahme mit der Möglichkeit zur Umsetzung von freiheitsentziehenden Maßnahmen intensivpädagogisch zu betreuen . Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nach SGB VIII nur zur Gefahrenabwehr unter definierten Bedingungen möglich und sinnvoll. Die 2012 zunächst im Fokus stehende Zielgruppe der massiv gefährdeten straffälligen Minderjährigen, die im Rahmen der allgemeinen Notdienstversorgung nicht betreut werden konnten, ist mittlerweile eher in den Hintergrund gerückt. Vielfach sind komplexe Problemlagen an der Schnittstelle zur Kinder- und Jugendpsychiatrie, ohne dass aber eine akute Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie indiziert ist, Hintergrund für eine akute Selbst- und Fremdgefährdung. Zur bedarfsgerechten Versorgung dieser Zielgruppe in der Jugendhilfe ist es erforderlich , entsprechende Plätze vorzuhalten. Insgesamt wurden bisher 72 Kinder und Jugendliche aufgenommen, 18 Kinder waren jünger als 14 Jahre. Die Durchführung eines Altersfeststellungsverfahrens in diesem Kontext war nicht erforderlich. In 2016 betrug die durchschnittliche Betreuungszeit 61 Belegungstage, von Januar bis April 2017 lag die durchschnittliche Betreuung bei 40 Belegungstagen . 4. Welche Probleme gab es in den Jahren 2014, 2015 und 2016 bei der Vollstreckung von Beschlüssen zur Altersfeststellung? Zu 4.: In der Zusammenarbeit der Justiz mit dem GCA sind keine Probleme bekannt geworden. 5. Wie oft hat das Landeskriminalamt seit 2014 im Zuge von gegen sogenannte Kinderdealer geführte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft eine Altersfeststellung angeregt? Zu 5: Sogenannte „Kinderdealer“ wurden durch das Landeskriminalamt seit 2014 nicht mehr festgestellt. 6. Welche Stellen führen derzeit für die Berliner Justiz die Altersfeststellungsuntersuchungen durch? Zu 6.: Die Altersfeststellunguntersuchungen werden durch das GCA durchgeführt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 097 2 7. Wie und in welchem Zeitrahmen erfolgt das Verfahren der Altersfeststellung? Zu 7.: Die Durchführung einer forensischen Altersschätzung kann folgende Untersuchungsschritte vorsehen, deren Umsetzung einen richterlichen Beschluss voraussetzt : 1) Untersuchung und Anamnese durch einen rechtsmedizinisch erfahrenen Arzt im Hinblick auf allgemeine körperliche Reifezeichen sowie Hinweise auf mögliche Entwicklungsstörungen; 2) wenn notwendig, zusätzlich eine zahnärztliche intraorale Untersuchung; 3) wenn notwendig, zusätzlich eine radiologische Untersuchung der linken Hand zur Ermittlung des Ossifikationsstadiums vom Handskelett; 4) wenn notwendig, zusätzlich eine radiologische Untersuchung des Ober- und Unterkiefers (Panoramaschichtaufnahme , OPG) zur Feststellung der Wurzelentwicklung der Weisheitszähne und weiterer altersrelevanten Merkmale im Zahn- und Kieferbereich; 5) wenn notwendig, zusätzlich eine radiologische Untersuchung der Schlüsselbeine mittels CT zur Ermittlung des Stadiums der knöchernen Entwicklung an medialen Schlüsselbeinepiphysen-Regionen. Eine statistische Erfassung der Zeitdauer der Untersuchung erfolgt weder bei den Gerichten noch den Strafverfolgungsbehörden . Nach Auskunft des GCA vergingen im Jahr 2016 vom Untersuchungstag bis zur Versendung des Gutachtens im Durchschnitt zwischen drei und fünf Wochen . Pro Monat ist mindestens ein Untersuchungstag vorgesehen. Je nach Auftragsanfall werden jedoch weitere Untersuchungstermine angeboten. Die Dauer des Verfahrens hängt unter anderem davon ab, ob der gerichtliche Anordnungsbeschluss unmittelbar vor oder nach einem Untersuchungstermin ergeht. Soweit notwendig wird zur Durchführung der Untersuchung ein Dolmetscher geladen . 8. Welche Bewertungen und Schlussfolgerungen trifft der Senat - vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage 5 der kleinen Anfrage (Drs. 17/12961) vom 06.12.13 - in Bezug auf die neu eingeführte Struktur des „Gemeinsamen Centrums für Altersdiagnostik Charité /UKE“ und sind die damaligen Erwartungen eingetreten ? Zu 8.: Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben sich die Erwartungen, wie sie in der Antwort auf die Frage 5 der Kleinen Anfrage (Drucksache 17/12 961) vom 6. Dezember 2013 formuliert wurden, erfüllt. Berlin, den 11. Mai 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mai 2017)