Drucksache 18 / 11 107 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 26. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2017) und Antwort Ersatzfreiheitsstrafen im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Verfahren wurden in den Jahren 2009 bis 2016 von der Staatsanwaltschaft Berlin Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet (bitte nach Jahrgang gesondert darstellen)? Zu 1.: Wegen der automatischen und gesetzlich bedingten Teillöschung älterer Vollstreckungsdaten in der Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation (MESTA) konnten belastbare Zahlen für die Jahre 2009 bis 2012 nicht mehr ermittelt werden. Ansonsten stellen sich die im Land Berlin zu Beginn des jeweiligen Jahres offenen Geldstrafenvollstreckungen, in denen Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde, zum Stichtag 1. Januar wie folgt dar: Jahr (Stichtag: 1. Januar) offene Vollstreckungsanordnungen 2013 4.657 2014 6.318 2015 7.038 2016 9.583 Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe verbundene Ladung zum Strafantritt in der Praxis eine verschärfte Mahnung darstellt, die die Verurteilten dazu bringt, (endlich) zu zahlen, Ratenzahlung zu vereinbaren, freie Arbeit zu leisten, Vollstreckungsaufschub zu beantragen oder einen Gnadenantrag zu stellen. In den meisten Fällen kommt es nicht zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe . 2. In wie vielen der unter Frage 1 genannten Fälle und in welchen Berliner Justizvollzugsanstalten wurde die angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt (bitte nach Jahr und Anstalt gesondert darstellen)? Zu 2.: Die Anzahl der Gefangenen, bei denen eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen ist, wird getrennt nach den Berliner Justizvollzugsanstalten sowie offenem und geschlossenem Vollzug jeweils quartalsweise am 2. Mittwoch des Monats erhoben. Die vorliegenden Belegungszahlen zu vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen in Berliner Justizvollzugsanstalten sind Stichtagszahlen, d. h. es ist ausgewiesen, wie viele Gefangene an diesem Tag im Vollzug eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt haben. Dies können auch Ersatzfreiheitsstrafen aus anderen Bundesländern sein. Bei den erhobenen Stichtagszahlen ist zudem zu berücksichtigten, dass damit auch diejenigen Gefangenen berücksichtigt sind, bei denen im Anschluss an eine oder mehrere Freiheitsstrafen Ersatzfreiheitsstrafe notiert ist. Zahlenwerk, welches die Gesamtsumme der jährlich vollzogenen Ersatzfreiheitsstrafen im Land Berlin abbildet oder ein Verhältnis zu den Verfahren der Berliner Staatsanwaltschaft abbildet, wird nicht erhoben. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage 1 und 2 beigefügten tabellarischen Belegungsentwicklungen Bezug genommen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 107 2 3. In wie vielen Fällen ist die Ersatzfreiheitsstrafe nach Maßgabe des § 455a StPO aus Gründen der Vollzugsorganisation aufgeschoben und in wie vielen Fällen ist sie gestützt auf diese Norm unterbrochen worden? Zu 3.: Im Land Berlin erfolgte für den Bereich der Justizvollzugsanstalt (JVA) für Frauen Berlin zwischen dem 1. Juli 2015 und dem 31. Dezember 2016 aus Gründen der Vollzugsorganisation ein Strafausstand gemäß § 455a der Strafprozessordnung (StPO). Grund hierfür war, dass der Betrieb der Gesamtanstalt wegen personeller Unterdeckung nur mit einer befristeten Schließung des Standortes Pankow aufrechterhalten werden konnte. Um dennoch die verfassungsgemäße Unterbringung der Gefangenen an den verbleibenden Standorten der JVA für Frauen Berlin gewährleisten zu können, wurde die Genehmigung zu einem generellen Vollstreckungsaufschub gemäß § 455a StPO erteilt. Der Aufschub im Frauenvollzug bezog sich allein auf von Ersatzfreiheitsstrafe betroffene Verurteilte. Auf Grundlage der erteilten Genehmigung ordnete die Staatsanwaltschaft Berlin als Vollstreckungsbehörde im Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2016 für insgesamt 361 Frauen einen Strafaufschub an. Es wird darauf hingewiesen, dass die ermittelte Zahl durch händische Auszählung anhand der bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung eingegangenen Einzelberichte der Staatsanwaltschaft erhoben worden ist. Seitdem die Teilanstalt der JVA für Frauen in Berlin- Pankow im Januar 2017 ihren Betrieb wieder aufgenommen hat, ist eine Gefangene aus der JVA für Frauen Berlin vor vollständiger Verbüßung ihrer Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 455a StPO entlassen worden. Dies geschah, um eine drohende Überbelegung der Anstalt (§ 102 des Berliner Strafvollzugsgesetzes) anlässlich der Einlieferung einer Untersuchungsgefangenen zu vermeiden. 4. Gibt es aktuell Maßnahmen und wenn ja welche, die den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe verhindern sollen ? (Hintergrund: Artikel aus Zeit online v. 2.6.16 „Geld oder Knast“) Zu 4.: Die Strafvollstreckungsbehörde kann Verurteilten gestatten, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Näheres regelt die im Land Berlin erlassene Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit. Dabei wird unter freier Arbeit "jede gemeinnützige oder im öffentlichen Interesse liegende, allgemein zusätzliche unentgeltliche Beschäftigung" verstanden. In der Regel wird im Land Berlin durch sechs Stunden freie Arbeit die Vollstreckung von einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe abgewendet. Eine Reduzierung auf bis zu drei Stunden ist für Härtefälle oder beispielsweise Arbeitseinsätze an Wochenenden möglich. Zurzeit sind etwa 570 Beschäftigungsgeber mit Kooperationsvereinbarung bei den Sozialen Diensten der Justiz in einer Liste notiert, die freie Arbeit im Sinne der Tilgungsverordnung anbieten. Als weiteres Instrument einer haftvermeidenden - gegebenenfalls auch haftverkürzenden - Tilgungsmaßnahme existiert neben der Ableistung freier Arbeit das Modell einer sogenannten Ratenzahlungsvereinbarung mit Abtretungserklärung . Dabei tritt der Verurteilte seinen Anspruch auf staatliche Transferleistungen an die Vollstreckungsbehörde zur unmittelbaren Tilgung der Geldstrafe in Raten ab. Hierbei werden die Tilgungsraten an die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst, ein wirtschaftliches Existenzminimum bleibt unangetastet. Vereine wie die in dem "Zeit online"-Artikel erwähnte "Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin e.V." werden hierbei im Rahmen eines Justizvertrages beratend und unterstützend gegenüber den Betroffenen tätig. Sofern eine verurteilte Person bereits ihre Ersatzfreiheitsstrafe antreten musste, kann das seit April 2015 in Berlin angebotene Tilgungsmodell "Day-by-Day" dazu beitragen, die Haftzeit zu verkürzen: Dabei wird Gefangenen, bei denen ausschließlich eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken ist, ermöglicht, während des Strafvollzugs freie Arbeit im Sinne der vorerwähnten Tilgungsverordnung zu leisten und somit an einem Tag zwei Tagessätze der ursprünglich zu vollstreckenden Geldstrafe zu tilgen. Hierfür sind ausgewählte Beschäftigungsmöglichkeiten in den Eigenbetrieben der JVA Plötzensee und über ein Außenkommando bei einer Fachvermittlungsstelle im Bereich Schulsanierung geschaffen worden. Das Tilgungsmodell "Day-by-Day" ist seit Mai dieses Jahres auch im Frauenvollzug implementiert und befindet sich gerade in der Anlaufphase. Verurteilte, die noch keine Ersatzfreiheitsstrafe angetreten haben, werden bereits seit 16 Jahren von der Fachvermittlungsstelle "Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin e.V." an Beschäftigungsgeber zur Renovierung von Schulen vermittelt. Seit Beginn der Zusammenarbeit wurden bereits in über 50 Berliner Schulen Malerarbeiten unter dem Schlagwort „Arbeit statt Strafe“ beziehungsweise “Schwitzen statt Sitzen“ erfolgreich durchgeführt. Berlin, den 11. Mai 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mai 2017) Belegungsentwicklung erwachsene männliche Ersatzfreiheitsstrafer 2009 - 2011 11.3. 10.6. 14.10. 9.12. 10.3. 9.6. 13.10. 8.12. 9.3. 8.6. 12.10. 14.12. JVA Moabit 41 33 32 31 44 31 29 29 33 32 28 23 JVA Tegel 0 24 43 39 81 62 53 39 46 45 42 33 JVA Plötzensee geschl. 120 142 133 112 89 114 138 112 151 149 163 193 JVA Charlottenburg 2 6 6 3 1 2 1 2 1 3 7 3 männl. Ersatzfreiheitstrafer geschl. 163 205 214 185 215 209 221 182 231 229 240 252 JVA Plötzensee offen 157 193 193 181 216 152 190 179 209 123 117 125 JVA des Offenen Vollzuges Berlin 5 5 8 6 12 10 JVA Düppel 0 0 0 0 0 1 JVA Hakenfelde 26 13 22 20 16 8 JVA Heiligensee 0 0 0 0 0 0 männl. Ersatzfreiheitstrafer offen 183 206 215 201 232 161 195 184 217 129 129 135 Gesamt erw. männl. Ersatzfreiheitsstrafer 346 411 429 386 447 370 416 366 448 358 369 387 davon in Plötzensee gesamt 277 335 326 293 305 266 328 291 360 272 280 318 Gesamtbelegung 5.228 5.111 5.038 4.902 5.035 4.906 4.810 4.646 4.784 4.569 4.513 4.388 proz. Anteil der EFS an der Gesamtzahl aller Insassen 7% 9% 9% 9% 10% 8% 9% 9% 11% 9% 9% 10% Belegungsentwicklung weibliche Ersatzfreiheitsstraferinnen 2009 - 2011 11.3. 10.6. 14.10. 9.12. 10.3. 9.6. 13.10. 8.12. 9.3. 8.6. 12.10. 14.12. JVA Frauen geschlossen 30 29 21 23 24 31 23 34 38 29 36 28 JVA Frauen offen 4 13 17 10 18 14 13 15 16 14 7 20 JVA Frauen gesamt 34 42 38 33 42 45 36 49 54 43 43 48 erw. männliche EFS + weibl. EFS gesamt 380 453 467 419 489 415 452 415 502 401 412 435 männl. Jugendl. EFS 3 1 3 1 2 2 3 3 1 1 2 1 Summe aller Ersatzfreiheitsstrafer 383 454 470 420 491 417 455 418 503 402 414 436 Summe aller Insassen im Vollzug von Freiheitsstrafe 3916 3886 3876 3711 3890 3785 3724 3550 3663 3498 3447 3368 proz. Anteil der EFS 10% 12% 12% 11% 13% 11% 12% 12% 14% 11% 12% 13% 2009 2010 2011 2009 2010 2011 Belegungsentwicklung erwachsene männliche Ersatzfreiheitsstrafer 2012 - aktuell 14.3. 13.6. 10.10. 12.12. 13.3. 12.6. 9.10. 11.12. 12.3. 11.6. 8.10. 10.12. 11.3. 10.6. 14.10. 09.12. 9.3. 8.6. 12.10. 14.12. 8.3. JVA Moabit 23 21 29 33 43 25 26 23 24 14 17 27 17 32 32 25 31 22 24 24 23 JVA Tegel 19 16 16 29 22 15 19 9 6 7 5 10 10 24 8 25 16 17 12 26 40 JVA Plötzensee geschl. 167 121 153 113 170 119 122 122 107 113 114 104 117 100 137 96 146 122 132 95 91 JVA Heidering 0 3 5 38 24 12 27 19 19 8 20 16 25 14 23 31 JVA Charlottenburg 7 3 6 16 männl. Ersatzfreiheitstrafer geschl. 216 161 204 191 235 159 170 159 175 158 148 168 163 175 185 166 209 186 182 168 185 JVA Plötzensee offen 133 87 98 116 104 115 148 168 176 113 131 134 158 114 126 140 171 126 157 147 175 JVA des Offenen Vollzuges Berlin 15 12 12 3 4 7 8 7 13 7 13 9 6 3 4 5 23 13 9 5 40 männl. Ersatzfreiheitstrafer offen 148 99 110 119 108 122 156 175 189 120 144 143 164 117 130 145 194 139 166 152 215 Gesamt erw. männl. Ersatzfreiheitsstrafer 364 260 314 310 343 281 326 334 364 278 292 311 327 292 315 311 403 325 348 320 400 davon in Plötzensee gesamt 300 208 251 229 274 234 270 290 283 226 245 238 275 214 263 236 317 248 289 242 266 Gesamtbelegung 4.455 4.231 4.341 4.292 4.307 4.151 4.136 4.186 4.307 4.087 4.030 4.051 4.161 4.053 3.972 3.885 4.103 3.995 4.061 4.021 4.266 proz. Anteil der EFS an der Gesamtzahl aller Insassen 9% 7% 8% 8% 9% 8% 9% 9% 9% 8% 8% 8% 8% 8% 8% 8% 10% 9% 9% 8% 9% Belegungsentwicklung weibliche Ersatzfreiheitsstraferinnen 2000 - aktuell2012 14.3. 13.6. 10.10. 12.12. 13.3. 12.6. 9.10. 11.12. 12.3. 11.6. 8.10. 10.12. 11.3. 10.6. 14.10. 09.12. 9.3. 8.6. 12.10. 14.12. 8.3. JVA Frauen geschlossen 38 19 21 19 22 15 22 27 23 21 14 15 16 17 8 9 6 5 7 5 24 JVA Frauen offen 10 9 17 20 14 16 10 10 12 9 7 3 7 8 5 2 4 5 4 4 15 JVA Frauen gesamt 48 28 38 39 36 31 32 37 35 30 21 18 23 25 13 11 10 10 11 9 39 erw. männliche EFS + weibl. EFS gesamt 412 288 352 349 379 312 358 371 399 308 313 329 350 317 328 322 413 335 359 329 439 männl. Jugendl. EFS 0 5 2 0 3 4 3 1 4 4 4 3 2 3 3 2 4 5 6 2 2 Summe aller Ersatzfreiheitsstrafer 412 293 354 349 382 316 361 372 403 312 317 332 352 320 331 324 417 340 365 331 441 Summe aller Insassen im Vollzug von Freiheitsstrafe 3395 3221 3282 3272 3384 3279 3254 3246 3327 3187 3151 3111 3133 3056 3028 2957 3077 2947 2990 2951 3100 proz. Anteil der EFS 12% 9% 11% 11% 11% 10% 11% 11% 12% 10% 10% 11% 11% 10% 11% 11% 14% 12% 12% 11% 14% 2014 20142012 2012 2013 2013 2017 2017 2016 2016 2015 2015 S18-11107 Anlage 1 S 18-11107 Anlage 2 S 18-11107