Drucksache 18 / 11 110 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 26. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. April 2017) und Antwort Wie lange dauern Strafverfahren in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie lange dauerte in den Jahren 2012 bis 2016 in den Verfahren, in denen öffentliche Klage erhoben wurde, durchschnittlich der Zeitraum vom Eingang dieser bis zur Erledigung vor dem Amtsgericht Tiergarten? Zu 1.: Die durchschnittliche Verfahrensdauer der vor dem Amtsgericht Tiergarten geführten Strafverfahren (Anklagen und Einspruch gegen Strafbefehle) hat sich entsprechend der nachfolgenden Tabelle entwickelt: Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 Verfahrensdauer in Monaten 3,4 3,2 3,2 3,1 3,3 2. In wie vielen Fällen wurde in dem Zeitraum von 2012 bis 2016 (insgesamt sowie jeweils pro einzelnem Jahr) das Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff. StPO angewendet? Zu 2.: Staats- und Amtsanwaltschaft Berlin 2012 2013 2014 2015 2016 insgesamt Antrag auf Erlass eines Strafbefehls 19.786 29.024 38.077 37.688 33.511 158.086 Amtsgericht Tiergarten 2012 2013 2014 2015 2016 insgesamt Erlass eines Strafbefehls nach § 408 a StPO* 1.776 1.798 2.016 2.654 2.363 10.607 *Strafprozessordnung 3. In wie vielen Fällen wurde in dem Zeitraum von 2012 bis 2016 (insgesamt sowie jeweils pro einzelnem Jahr) das beschleunigte Verfahren nach §§ 417 ff. StPO angewendet? 4. In wie vielen Fällen wurde im angegebenen Zeitraum das besonders beschleunigte Verfahren nach § 418 StPO beantragt und durchgeführt? Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 110 2 Zu 3. und 4.: 2012 2013 2014 2015 2016 insgesamt Anzahl der beschleunigten Verfahren gemäß §§ 417 StPO 2.254 2.199 3.212 3.400 2.489 13.554 darunter besonders beschleunigtes Verfahren 1.019 1.117 1.178 1.150 849 5.313 5. In welchem Verhältnis steht die Anzahl der besonders beschleunigten Verfahren zu den übrigen Verfahr- enszahlen (bitte auch Verhältnis zum Strafbefehlsverfahren angeben)? Zu 5.: Jahr 2012 2013 2014 Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil Strafverfahren vor dem Amtsgericht 38.567 100 % 38.904 100 % 40.255 100 % drunter eingeleitet durch: Anklage 24.141 62,6 % 24.368 62,6 % 23.868 59,3 % Antrag nach § 417 StPO ohne bbv* 2.254 5,8 % 2.199 5,7 % 3.212 8,0 % Antrag nach § 417 StPO im bbv* 1.019 2,6 % 1.117 2,9 % 1.178 2,9 % Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren (§ 76 JGG**) 1.351 3,5 % 1.230 3,2 % 1.393 3,5 % Einspruch gegen Strafbefehl 10.227 26,5 % 10.524 27,1 % 11.134 27,7 % *besonders beschleunigtes Verfahren **Jugendgerichtsgesetz Jahr 2015 2016 Anzahl Anteil Anzahl Anteil Strafverfahren vor dem Amtsgericht 42.893 100 % 40.507 100 % drunter eingeleitet durch: Anklage 26.404 61,6 % 25.290 62,4 % Antrag nach § 417 StPO ohne bbv 3.400 7,9 % 2.489 6,1 % Antrag nach § 417 StPO im bbv 1.150 2,7 % 849 2,1 % Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren (§ 76 JGG) 1.715 4,0 % 1.761 4,3 % Einspruch gegen Strafbefehl 10.742 25,0 % 10.330 25,5 % 6. Ist bei den beschleunigten/besonders beschleunigten Verfahren eine Tendenz hinsichtlich der Anzahl der durchgeführten Verfahren zu beobachten und wenn ja, wie ist diese zu begründen? Zu 6.: Die Zahl der durchgeführten besonders beschleunigten Verfahren ist bis 2014 angestiegen, danach kontinuierlich gesunken. Die Fallzahlen sind nach Einschätzung des Senats trotz der in der Antwort zu Frage 8 dargestellten Bemühungen um die Stärkung des besonders beschleunigten Verfahrens zurückgegangen, weil weniger für das besonders beschleunigte Verfahren geeignete Fälle aufgetreten sind. In dem Zeitraum seit 2014 haben sich weder die rechtlichen Anforderungen noch die Handhabungspraxis bezüglich des besonders beschleunigten Verfahrens geändert. 7. Gibt es nach Auffassung des Senats eine Korrelation dieser Zahlen mit den zahlenmäßigen Entwicklungen des Strafbefehlsverfahrens? Zu 7.: Der Senat kann keine Korrelation feststellen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 110 3 8. Welche Bemühungen – vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage 7 der kleinen Anfrage (Drucksache 17/10880) vom 23.08.2010 - hat der Senat bislang unternommen , um das Ziel einer zügigen Verfahrenserledigung zu erreichen bzw. umzusetzen? Zu 8.: Der Senat hat sich seit mehreren Jahren für eine Stärkung des besonders beschleunigten Verfahrens eingesetzt . Zu nennen sind insbesondere die Einberufung einer länderoffenen Arbeitsgruppe, die einen Beschlussvorschlag zur Justizministerkonferenz erarbeitet hat, die Optimierung der Abläufe zwischen Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Gericht, die verstärkte Anwendung der Möglichkeit eines Haftbefehlserlasses gemäß § 127b Abs. 1 der StPO, die verstärkte Einbindung der Bundespolizei , die Konzentration der Bearbeitung aller beschleunigten Verfahren bei einer Dienststelle des Landeskriminalamts Berlin und der gesteigerte Personaleinsatz zur Durchführung besonders beschleunigter Verfahren an den Wochenenden und Feiertagen. 9. In welchen Fällen wurde in Berlin in den Jahren 2012 bis 2016 das beschleunigte/besonders beschleunigte Verfahren derzeit angewandt (bitte gesondert nach der Verfahrensart darstellen)? Zu 9.: Die Geeignetheit für die Durchführung des beschleunigten /besonders beschleunigten Verfahrens ist jeweils im Einzelfall nach den einschlägigen rechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Weder die gesetzlichen Regelungen der §§ 417 ff. StPO noch die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) knüpfen dabei an Delikte oder Deliktsgruppen an. Voraussetzung für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens ist vielmehr , dass die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet und keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten ist. Wegen der Besonderheiten des besonders beschleunigten Verfahrens, in dem eine unmittelbare Aburteilung im Anschluss an die Festnahme aus dem Gewahrsam heraus erfolgen soll, müssen dort im Hinblick auf § 127 Abs. 2 StPO zusätzlich die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorliegen. Eine Statistik darüber, für welche Fälle das beschleunigte /besonders beschleunigte Verfahren angewandt wird, wird nicht geführt. Einen Schwerpunkt im besonders beschleunigten Verfahren stellen jedenfalls insbesondere Diebstahlstaten gem. § 242 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) dar, während im beschleunigten Verfahren in einer Vielzahl von Verfahren das Erschleichen von Leistungen nach § 265a StGB Gegenstand der Anklage ist. 10. Wie lange dauerte in den Jahren 2012 bis 2016 (insgesamt sowie jeweils pro einzelnem Jahr) durchschnittlich der Zeitraum zwischen Bekanntwerden einer Straftat und entsprechender Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei oder die Staats- bzw. Amtsanwaltschaft und der diesbezüglichen Abschlussverfügung der Staats- bzw. Amtsanwaltschaft (soweit möglich , bitte ich hierbei zu differenzieren zwischen Ermittlungsverfahren die durch Einstellung abgeschlossen wurden und jenen, in denen öffentliche Klage, d.h. Anklage, Antrag nach § 417 StPO, Antrag auf Erlass eines Strafbefehls , Antrag nach § 76 JGG erhoben bzw. beantragt wurde)? Zu 10.: Statistisch erfasst wird nur der Zeitraum zwischen Einleitung des Ermittlungsverfahrens und der Abschlussverfügung durch die Strafverfolgungsbehörden bei Erhebung einer Anklage, nicht aber bei anderen Erledigungsarten . Verfahrensdauer vom Tag der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (bei der Einleitungsbehörde) bis zur Erledigung durch die Staats-/Amtsanwaltschaft (in Monaten) Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 Durchschnittliche Dauer des Ermittlungsverfahrens in Monaten 3,8 5,0 4,4 4,1 4,3 Dauer bei Verfahrensabschluss durch Anklage 4,5 5,8 5,5 5,4 5,6 Berlin, den 12. Mai 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mai 2017)