Drucksache 18 / 11 152 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 03. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2017) und Antwort Straßen- und Zwangsprostitution im Kurfürstenkiez Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Entwicklung und damit einhergehende Begleiterscheinungen der Straßenprostitution rund um die Kurfürstenstraßen? 2. Hat sich der Bereich des Straßenstrichs rund um die Kurfürstenstraße im Vergleich zur Anfrage von 2015 erweitert, verkleinert oder ist gleich geblieben? Bitte die betroffenen Straßenzüge angeben. Zu 1. und 2.: Die in der Drucksache 17/16192 zu Frage 1. dargelegte Bewertung des Senats und die räumliche Erstreckung haben weiterhin Bestand. 3. Im Jahr 2015 wurde der Bereich um die Kurfürstenstraße als größter Straßenstrich in Berlin angegeben. Welche weiteren großen Bereiche gibt es in Berlin? Welches sind die Hauptorte von Straßenprostitution in Berlin? Zu 3.: Dem Senat ist mit der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte ein weiterer Bereich bekannt, in dem der Straßenprostitution dauerhaft nachgegangen wird. 4. Wie viele Frauen/Männer gehen mittlerweile im Kurfürstenkiez der Prostitution nach? Aus welchen Ländern kommen sie? Aus welchen Ländern kommt der überwiegende Teil? Zu 4.: Dem Senat liegen keine statistischen Daten zu Anzahl und Herkunft der Prostituierten rund um die Kurfürstenstraße vor. Es wird auf die Drucksache 17/16192 verwiesen. 5. Wie viele Minderjährige, die der Prostitution nachgehen , wurden 2016 und 2017 in Berlin aufgegriffen? Wie viele davon im Kurfürstenkiez? Zu 5.: Eine entsprechende gesonderte Statistik wird in Berlin nicht geführt. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden 2016 in Berlin insgesamt 41 minderjährige Geschädigte zum Tatbestand des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung / Zwangsprostitution erfasst. Für 2017 liegen keine Daten vor, da die Aufbereitung entsprechend einer bundesweiten Übereinkunft zum Abschluss des Kalenderjahres erfolgt. Vereinzelte Hinweise, dass sich im Zeitraum 2016 und 2017 im Kurfürstenkiez Minderjährige prostituiert haben, konnten im Zuge von eingeleiteten Ermittlungen nicht bestätigt werden. 6. Wie hat sich die Begleitkriminalität im Kurfürstenkiez verändert? Welche Straftaten treten besonders häufig auf? Zu 6.: Die Straftatenentwicklung im Kurfürstenkiez ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Der Kurfürstenkiez umfasst geographische Räume der Polizeidirektionen 3 und 4. Hierzu wurden die in der Tabelle dargestellten Kontaktbereiche ausgewertet. Bei den aufgelieferten Fallzahlen handelt es sich um Ergebnisse tagesaktueller verlaufsstatistischer Auswertungen. Dadurch kann es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen kommen. Bei den dargestellten, ortsbezogenen Fallzahlen handelt es sich um die Gesamtheit aller Strafanzeigen dieser Deliktsgruppen. Für die Auswertung wurden Delikte herangezogen, die tatsächlich ortsrelevant und somit im besonderen Fokus polizeilichen Handelns und der entsprechenden strategischen Ausrichtung sind. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 152 2 Fälle mit Tatort im Kurfürstenkiez (Kontaktbereiche 3419, 3420, 3421, 4102, 4103, 4104, 4108) 2015 2016 I. Quartal 2017 Fallzahlen insgesamt 3640 3336 905 darunter: Erpressung 8 99 1 Körperverletzung auf Straßen, Wegen, Plätzen 44 62 11 Menschenhandel 10 9 1 Nötigung, Freiheitsberaubung, Bedrohung 83 100 20 Raub 65 62 17 Straftaten i. Z. m. Betäubungsmitteln und Neuen psychoaktiven Stoffen 157 170 45 Taschendiebstahl 350 286 36 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 13 18 4 Ausbeuten von Prostituierten 1 0 0 Zuhälterei 3 3 1 Quelle: DataWarehouse-Führungsinformation, Recherche vom 11.05.2017 Für den ausgewerteten Bereich lässt sich im Jahresvergleich 2015 / 2016 ein Rückgang der Gesamtzahl der Fälle konstatieren. Bei den als für Begleitkriminalität von Straßenprostitution in Frage kommenden Straftaten, wie Körperverletzung auf Straßen / Wegen / Plätzen, Nötigung, Freiheitsberaubung, Bedrohung und Widerstandshandlungen zeigt sich ein Anstieg der Fallzahlenbelastung. Der Anstieg der Fallzahlen für das Jahr 2016 im Bereich der Erpressungen beruht auf einem Großverfahren des Landeskriminalamts. Bei den Taschendiebstahlstaten zeigen sich im Abfragezeitraum deutlich rückläufige Zahlen. Hingegen steigt die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Diese gehen allerdings mit den steigenden Kontrollmaßnahmen der Polizei Berlin einher. 7. Welche Hilfsangebote gibt es aktuell für Personen, die der Prostitution im Kurfürstenkiez nachgeben? Zu 7.: Im Bereich des Straßenstrichs rund um die Kurfürstenstraße existieren unterschiedliche niedrigschwellige Angebote verschiedenster Einrichtungen. Hierzu zählen u.a. der Frauentreff Olga sowie die fußläufig zu erreichende Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit des Bezirksamts Mitte. Zu den Angeboten dieser Beratungsstelle gehören regelmäßige aufsuchende Sozialarbeit, psychosoziale Beratung in den Räumen des Zentrums sowie ärztliche Untersuchungen, Diagnostik und Therapien bei sexuell übertragbaren Krankheiten. Darüber hinaus bieten u.a. Gangway e.V., eine vor Ort ansässige Kirchengemeinde sowie weltanschauliche Vereine Unterstützung an. Um die Angebote gut zu koordinieren, hat sich die Fachgruppe Kurfürstenstraße gegründet, in der die o. g. Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit, Gangway e.V., Hydra e.V., subway, der Frauentreff Olga sowie die für Prävention zuständigen Bereiche der Polizeiabschnitte 34 und 41 kooperieren. 8. Welche Einrichtungen, Projekte und Träger, die sich um Prostituierte kümmern, wurden oder werden seit 2015 vom Senat finanziell unterstützt? Bitte die Höhe der Unterstützungen angeben. Zu 8.: In Berlin werden drei spezialisierte Einrichtungen , die als Anlauf- und Beratungsstellen für Prostituierte dienen, von den Berliner Senatsverwaltungen gefördert. Hydra e.V. - Treffpunkt und Beratung für Prostituierte - bietet beispielsweise Steuer-, Rechts- sowie Berufsberatung an und unterstützt Frauen in akuten Krisen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gesundheitsberatung und die HIV/AIDS-Prävention. Für ausstiegswillige Prostituierte bietet Hydra eine Umstiegsberatung an und unterstützt die berufliche Neuorientierung im Rahmen des Projektes „DIWA – Der individuelle Weg zur Alternative“. Hydra wurde im Haushaltsjahr 2015 mit 171.300 € und in 2016 mit 172.772 € von der für Frauen zuständigen Senatsverwaltung sowie im Rahmen des Integrierten Gesundheitsprogramms (IGP) von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung mit jeweils rd. 85.000 € gefördert. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 152 3 Der Frauentreff Olga in der Trägerschaft des Notdienstes für Suchtmittelabhängige und –gefährdete Berlin e.V. bietet Prostituierten lebenspraktische Hilfen, gesundheitliche Prävention, Krisenintervention und Beratung. Olga wurde im Rahmen des IGP von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung mit ca. 221.000 € in 2015 und ca. 234.000 € in 2016 gefördert. Zusätzlich standen Olga 2015 Mittel in Höhe von 88.794,00 € und in 2016 Mittel in Höhe von 92.189,00 € aus dem Fraueninfrastrukturprogramm der für Gleichstellung zuständigen Senatsverwaltung zur Verfügung. Das Projekt subway in Trägerschaft des HILFE-FÜR- JUNGS e.V. berät männliche Prostituierte im Rahmen der aufsuchenden Arbeit und hält Selbsthilfeangebote vor. Das Projekt wurde in den Haushaltsjahren 2015 mit ca. 130.000 € und in 2016 mit ca. 133.000 € im Rahmen des IGP von der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung gefördert. Die hier genannten Beratungsstellen sind gut mit den Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel vernetzt und können bei Bedarf an die dortige Beratung vermitteln. 9. Welche Maßnahmen plant der Senat für den Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße? Gibt es Bestrebungen die Straßenprostitution einzudämmen, die Arbeitsbedingungen der Prostituierten zu verbessern, die Begleitkriminalität zu bekämpfen, die Anwohner zu schützen? Zu 9.: Die in der Antwort zu den Fragen 1, 7, und 10 beschriebenen Maßnahmen werden fortlaufend weiterentwickelt und aktuellen Entwicklungen angepasst. 10. Welche Überprüfungen und Überwachungsmaßnahmen von Seiten des Ordnungsamtes und der Polizei finden derzeit im Kurfürstenkiez statt, um eine mögliche Zwangsprostitution aufzudecken und zu unterbinden? Zu 10.: Da es sich bei den in Frage kommenden Tathandlungen um Straftaten handelt, ist eine Zuständigkeit der Ordnungsämter nicht gegeben. Neben den in der Antwort zu Frage 1 beschriebenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels werden durch Dienstkräfte der örtlich zuständigen Polizeiabschnitte regelmäßige Bestreifungen in Uniform und Zivil im Rahmen des Täglichen Dienstes durchgeführt. Das Landeskriminalamt führt anlassbezogen repressive und präventive Maßnahmen im dortigen Umfeld durch. 11. Wie steht der aktuelle Senat zu einer Sperrzone rund um den Kurfürstenkiez (Artikel 297, Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (ESGStGB)), zu Sperrzeiten oder dem generellen Verbot von Straßenprostitution ? Zu 11.: Eine entsprechende Verordnung würde nach Einschätzung des Senats lediglich zu einer zeitlichen oder räumlichen Verlagerung in die anliegenden Straßenzüge oder in andere Bezirke führen. Eine wirkliche Entlastung wäre dadurch nicht zu erwarten. Der Senat setzt daher weiterhin auf die in der Drucksache 17/16192 zu den Fragen 2 – 5 dargestellten alternativen Maßnahmen für eine verträgliche Koexistenz von Anwohnerschaft, Gewerbetreibenden und der Straßenprostitution . Berlin, den 17. Mai 2017 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2017)