Drucksache 18 / 11 154 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 28. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2017) und Antwort Prozesskostenhilfe in Berlin - Lagebild Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch waren die Aufwendungen des Landes Berlin für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) im Jahr 2016 sowie im laufenden Jahr (bitte ordentliche Gerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit gesondert ausweisen)? Zu 1.: Die Aufwendungen des Landes Berlin für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen: Gerichtsbarkeit 2016 2017 Stand: 30.04.2017 ordentliche Gerichtsbarkeit 12.442.526,72 € 4.220.262,19 € Sozialgerichtsbarkeit 2.637.195,43 € 834.390,17 € davon: Sozialgericht Berlin 2.478.146,56 € 776.228,56 € Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 159.048,87 € 58.161,61 € Verwaltungsgerichtsbarkeit 322.616,70 € 238.812,96 € davon: Verwaltungsgericht Berlin 316.419,86 € 237.968,12 € Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6.196,84 € 844,84 € Arbeitsgerichtsbarkeit 2.592.137,07 € 680.382,82 davon: Arbeitsgericht Berlin 2.425.741,12 € 657.078,48 € Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 66.395,95 € 23.304,34 € Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 154 2 2. In wie vielen Fällen wurde im genannten Zeitraum Prozesskostenhilfe gewährt (bitte ordentliche Gerichtsbarkeit , Sozialgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit gesondert ausweisen)? Zu 2.: Die Anzahl der Entscheidungen über Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe ergibt sich aus der folgenden Tabelle: Gerichtsbarkeit 2016 ordentliche Gerichtsbarkeit 15.214 Verwaltungsgerichtsbarkeit 769 davon: Verwaltungsgericht Berlin 769 Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 1) Sozialgerichtsbarkeit 6.121 davon: Sozialgericht Berlin 5.653 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 468 Arbeitsgerichtsbarkeit 2.606 davon: Arbeitsgericht Berlin 2.522 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 84 1) Daten liegen nicht vor. 3. Wie hoch waren im Jahr 2016 sowie im laufenden Jahr die Rückflüsse aus zuvor gewährter Prozesskostenhilfe ? Zu 3.: Die Höhe der Rückflüsse kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden: Im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Integration , Arbeit und Soziales ist seit 2016 in beiden Kapiteln der Titel 11912 - Rückzahlung von Prozess- und Verfahrenskostenhilfe - eingerichtet worden. Die entsprechenden Rückflüsse sind jedoch marginal und nicht aussagekräftig. Im Jahr 2016 waren beim Landesarbeitsgericht keine Rückflüsse zu verzeichnen und im Arbeitsgericht gingen zum entsprechenden Titel 5.473,41 € ein. Im laufenden Haushaltsjahr ist bis dato im Arbeitsgericht ein Rückfluss von 3.536,78 € eingegangen. 4. Wie hoch war im Jahr 2016 der Anteil an der gewährten Prozesskostenhilfe, der durch Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte (ohne Pflichtverteidigung) bedingt ist? Zu 4.: Bei den unter Ziffer 1 dargestellten Ausgaben handelt es sich ausschließlich um Kosten, die im Rahmen der gewährten Prozesskostenhilfe an beigeordnete Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gezahlt werden. Ausgaben für Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger werden gesondert erfasst. Gerichtsbarkeit 2016 2017 Stand: 30.04.2017 ordentliche Gerichtsbarkeit 649.334,06 € 231.235,64 € Sozialgerichtsbarkeit 23.674,99 € 7590,18 € Verwaltungsgerichtsbarkeit 5.823,31 € 1.679,62 € Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg 0,00 € 0,00 € Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 154 3 5. Wie erklärt sich der Senat den Anstieg der Aufwendungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit allgemein sowie im Bereich des Landesarbeits- und des Oberverwaltungsgerichts im Vergleich zum Rückgang in der ordentlichen Gerichtsbarkeit allgemein sowie im Bereich des Verwaltungs - und Arbeitsgerichts? Zu 5.: Die Aufwendungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind für das Land Berlin nicht steuerbar . Es handelt sich um (bundes-)gesetzlich festgeschriebene Ausgaben. Insgesamt sind die Ausgaben in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Da Prozess- und Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nach Abschluss der Hauptsache abgerechnet wird, dürften sich hier vor allem Rückgänge in den Verfahrenszahlen in den Jahren 2015 bzw. 2016 auswirken. Steigerungen der Verfahrenszahlen wie derzeit beim Verwaltungsgericht Berlin werden sich erst zeitverzögert auswirken. 6. Welche Auswirkungen der zum 01.01.2014 in Kraft getretenen Reform der Prozesskostenhilfe sind im Hinblick auf das Jahr 2016 verglichen mit den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 zu erkennen? Zu 6.: Die Auswirkungen der Reform der Prozesskostenhilfe sind aus der Statistik nicht ablesbar, zumal die Rückflüsse erst seit dem Jahr 2015 erfasst werden. Auffällig ist, dass die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe bei gesunkenen Bewilligungszahlen im Wesentlichen konstant geblieben sind. Eine wesentliche Ursache hierfür dürften die durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts zum 1. August 2013 angehobenen Gebühren für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sein. 7. Ist die in der Antwort auf die Frage 5 der schriftlichen Anfrage (Drs. 17/16101) vom 28.04.15 genannte Prüfung der im Jahr 2012 eingerichteten Arbeitsgruppe inzwischen abgeschlossen und wenn ja, welche Erkenntnisse liegen der Arbeitsgruppe vor? Zu 7.: Als Ergebnis der erwähnten Arbeitsgruppe wurde zum einen der gesonderte Einnahmetitel 119 12 eingerichtet, der es der Justiz seit dem Haushaltsjahr 2015 bzw. 2016 ermöglicht, die Rückflüsse aus zuvor gewährter Prozesskostenhilfe gesondert zu erfassen. Darüber hinaus sind im Bereich der Einnahmen im Laufe des Jahres 2016 Unterkonten eingerichtet worden, die Auskunft darüber geben sollen, wie hoch die Einnahmen der einzelnen Bereiche sind (Betreuung/Pflegschaft, Europäische Mahnverfahren/Mahnverfahren, Familiensachen, Grundbuchsachen , Handelsregistersachen, Nachlasssachen, sonstige Registersachen, Unternehmensinsolvenz, Verbraucherinsolvenz , Zivilsachen, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung, Strafsachen). Aufgrund technischer Probleme, die zwischen dem Fachverfahren ProFiskal und dem Kassenverfahren AJUKA aufgetreten sind, ist eine Buchung der Unterkonten erst seit dem 6. April 2017 möglich. Für statistische Auswertungen ist es daher noch zu früh. 8. Sind dem Senat Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe bekannt, die in den Jahren 2012 bis 2016 aufgetreten sind, und wenn ja, worin bestehe diese und wie hoch ist der daraus entstandene Schaden? Sofern darüber keine statistischen Erhebungen geführt werden: warum nicht? Zu 8.: Beim Sozialgericht Berlin gab es in den Jahren 2012 bis 2016 eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe in der Weise, dass einem nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Bevollmächtigten unter seiner angeblichen Kanzleiadresse in vier Eilverfahren Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Hierdurch ist ein Schaden von insgesamt 2.243,21 € entstanden, da eine Rückforderung sich nicht realisieren ließ. Das Vorliegen eines Missbrauchs wird von dem jeweiligen Entscheider in richterlicher bzw. sachlicher Unabhängigkeit beurteilt. Eine statistische Erfassung von Missbrauchsfällen erfolgt nicht, weil deren Erfassung in den bundeseinheitlichen Statistikanordnungen nicht vorgesehen ist. 9. Liegen dem Senat vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage 6 der schriftlichen Anfrage (Drs. 17/18256) vom 17.03.16 Erkenntnisse vor, inwiefern die dort genannte Arbeitsgruppe bereits einen Reglungsvorschlag erarbeitet hat und wenn ja, welchen Inhalt hat dieser? Zu 9.: Die Justizministerinnen und Justizminister haben die Arbeitsgruppe auf der 87. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 1./2. Juni 2016 in Nauen mit der Vorbereitung einer Bundesratsinitiative zur Änderung von § 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) beauftragt. Ein entsprechender Entwurf der Arbeitsgruppe liegt bislang nicht vor. Berlin, den 19. Mai 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2017)