Drucksache 18 / 11 157 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) vom 02. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2017) und Antwort Siedlungsverträgliche Grundwasserstände vom Senat nicht gewollt? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Pilotprojekte zum Thema Grundwasser gibt es und wann wurden diese eingesetzt? Antwort zu 1: Mit Senatsbeschluss vom 12.08.2014 wurde die Durchführung von Pilotprojekten zum lokalen Grundwassermanagement beschlossen. Folgende Pilotprojekte wurden seitdem umgesetzt: Das Pilotprojekt Grundwassermanagement wurde 2016 und 2017 eingesetzt und für das Pilotgebiet "Blumenviertel " erfolgreich abgeschlossen. Für das Pilotgebiet "Areal um den Boxhagener Platz" werden die Ergebnisse zum Sommer 2017 erwartet. Zusätzlich zu den Pilotprojekten zum lokalen Grundwassermanagement wurde das Pilotprojekt "nachträgliche bauliche Abdichtung" für die Pilotgebiete "Blumenviertel ", "Areal um den Boxhagener Platz" und "Gewerbe" 2015 und 2016 eingesetzt und erfolgreich abgeschlossen. Die bisherigen Ergebnisse wurden auf Informationsveranstaltungen vorgestellt und sind auf den Senatsseiten veröffentlicht und als Download verfügbar. Frage 2: Warum hat der Senat die Pilotprojekte zum Grundwassermanagement umgestaltet in Pilotprojekte mit der Zielsetzung „Hilfe zur Selbsthilfe“? Antwort zu 2: Der Senatsbeschluss vom 12.08.2014 zum Runden Tisch Grundwassermanagement beauftragt die Senatsverwaltung mit der Durchführung von Pilotprojekten zum lokalen Grundwassermanagement, um den Betroffenen mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen. Die Finanzierung von Grundwasserhaltungsmaßnahmen ist im Senatsbeschluss nicht vorgesehen. Frage 3: Beabsichtigt der Senat überhaupt siedlungsverträgliche Grundwasserstände zu erreichen oder lehnt der Senat diese Zielsetzung ab? Antwort zu 3: Der Senat ist gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben (BWB) bemüht im Rahmen der Grundwasserförderung zur Trinkwasserversorgung starke Anstiege des Grundwassers im Einflussbereich der Wasserwerke möglichst zu vermeiden. Frage 4: Wenn der Senat der Auffassung ist, dass eine Siedlungsverträglichkeit der Grundwasserstände nicht mehr in vollem Umfang zu erreichen ist (Drucks. 17/3174), warum will er darüber hinaus auch noch zusätzlich die grundwasserfördernde Pumpenanlage im Glockenblumenweg schließen? Antwort zu 4: Die Erlaubnis für den Betrieb der Grundwasserregulierungsanlage im Glockenblumenweg konnte 1997 nur mit der Unterstützung der Altlastensanierung in Johannisthal für 10 Jahre begründet werden. Die Erlaubnis ist 2007 für weitere 10 Jahre mit gleicher Begründung verlängert worden. Da die Altlastensanierung weitgehend abgeschlossen ist, entfällt die rechtliche Grundlage für eine Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Anlage nach dem 31.12.2017. Ein andauernder Weiterbetrieb der Anlage nur zur Trockenhaltung von Kellergeschossen würde einen Präzedenzfall darstellen, der eine begründete Klageflut derjenigen auslösen würde, die ihren Keller mit finanziellem Mehraufwand fachgerecht abgedichtet haben. Nach der einschlägigen Rechtsprechung besteht unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten ein Rechtsanspruch von Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern auf grundwasserabsenkende Maßnahmen, denn öffentliche, industrielle und andere private Grundwasserförderungen bedürfen nach § 8 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder einer Bewilligung. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 157 2 Diese Zulassungen beinhalten (im Falle der Erlaubnis) eine Befugnis, bzw. (im Falle der Bewilligung) ein Recht auf Förderung, aber keine Verpflichtung zur dauerhaften Weiterförderung. Die Folgen für nicht fachgerecht abgedichtete Keller ändern nichts an dieser Rechtslage. Frage 5: Ist sich der Senat bewusst, dass sich mit der Stilllegung der Brunnenanlage der Grundwasserstand im Blumenviertel noch weiter erhöhen wird? Antwort zu 5: Dem Senat ist bewusst, dass es im Einflussbereich der Heberanlage im Glockenblumenweg mit einer Stilllegung zu einer Erhöhung des Grundwassers kommen kann. Frage 6: Nimmt der Senat durch die Stilllegung der Brunnenanlage Glockenblumenweg und dadurch steigendes Grundwasser mögliche Substanzverletzungen an den dortigen Gebäuden billigend in Kauf? Antwort zu 6: Der Senat hat den Anwohnerinnen und Anwohnern des Blumenviertels seit vielen Jahren wiederholt die Umsetzung von Maßnahmen (z.B. eine nachträgliche Abdichtung) zum Schutz Ihres Kellergeschosses gegen drückendes Grundwasser empfohlen. Die Abwendung von Schäden an Bauwerken und Gebäuden durch Wasser und Feuchtigkeit liegt nach § 13 der Berliner Bauordnung (BauO Bln) seit jeher in der Verantwortung der Eigentümerinnen und Eigentümer. Zuletzt wurden im Rahmen der Pilotprojekte Untersuchungen in Auftrag gegeben, um die fachlich und ökonomisch sinnvollsten Varianten von nachträglicher baulicher Abdichtung oder Grundwasserhaltungsmaßnahmen für das Blumenviertel zu ermitteln.Die Ergebnisse wurden auf Informationsveranstaltungen vorgestellt, sowie auf den Senatsseiten veröffentlicht. Frage 7: Hat der Senat mit der Inbetriebnahme der Brunnengalerie im Glockenblumenweg für die Anwohner bereits einen rechtlichen Bestandsschutz bzw. Vertrauenstatbestand geschaffen? - wenn ja, wie sieht dieser aus? - wenn nein, warum nicht? Antwort zu 7: Es gibt keine rechtliche Verpflichtung des Landes Berlin, Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung vorzunehmen, um in Wohngebieten einen dauerhaft abgesenkten Grundwasserstand herbeizuführen bzw. aufrechtzuerhalten. Folglich existiert auch kein Rechtsanspruch betroffener Bürgerinnen und Bürger gegen das Land Berlin auf Vornahme von Grundwasserabsenkungen . Das Land Berlin hat in der Vergangenheit beim Betrieb der Grundwasserabsenkung im Rudower Blumenviertel stets ausdrücklich betont, dass dies ohne Bestehen einer Rechtspflicht erfolge und durch die Maßnahme auch keine Rechtspflicht aufgrund eines etwaigen Vertrauensschutzes begründet werden könne. Eine Berufung Dritter auf einen durch das Land Berlin geschaffenen Vertrauenstatbestand sowie ein Bestandsschutz für den Betrieb der Grundwasserabsenkung durch das Land Berlin scheidet damit aus. Frage 8: Welche Kosten waren mit den Pilotprojekten seit ihrer Einsetzung verbunden? Antwort zu 8: Seit ihrer Einsetzung im Jahr 2014 sind mit den Pilotprojekten insgesamt Kosten in Höhe von 552.799,61 € entstanden. Frage 9: Welche Kosten sind für die Beauftragung von Sachverständigengutachtern in diesem Zusammenhang entstanden (bitte einzeln nach Gutachten aufschlüsseln)? Antwort zu 9: Für die Beauftragung von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zur Begutachtung von Kellergeschossen und Ermittlung von nachträglichen Abdichtungsmöglichkeiten sind für die folgenden Pilotgebiete folgende Kosten entstanden: a) Gewerbeobjekte und Einfamilienhäuser: 45.119,28 € brutto b) Areal um den Boxhagener Platz: 27.988,80 € brutto Für die Beauftragung von Untersuchungen zu Möglichkeiten des lokalen Grundwassermanagements für die Pilotgebiete sind folgende Kosten entstanden: c) Grundwasserhaltung für das Pilotgebiet "Blumenviertel ": 65.134,45 € brutto d) Grundwasserhaltung für das Pilotgebiet "Areal um den Boxhagener Platz" (beauftragt und in Bearbeitung): voraussichtlich ca. 37.461,35 € brutto Frage 10: Sind über die Erstellung von Gutachten im Rahmen dieser Pilotprojekte auch andere Leistungen vergeben bzw. beauftragt worden und wenn ja, welche und zu welchen Kosten? Antwort zu 10: Neben der Erstellung von Gutachten im Rahmen der Pilotprojekte wurden folgende Leistungen mit den erwähnten Kosten beauftragt: - Messgeräte und Technik zur Darstellung im Internet von Grundwasserständen in Schadensgebieten (z.B. Kaulsdorf): 66.119,25 € brutto - Weiterführung und Aktualisierung der Daten und Karten zu dem zu erwartenden höchsten Grundwasserstand (zeHGW): 108.169,72 € brutto - Informationsveranstaltungen und Informationen für Betroffene: 3.806,76 € brutto Frage 11: Welche Erkenntnisse für die Anwohner des Blumenviertels haben sich daraus konkret ergeben? Antwort zu 11: Für die Anwohnerinnen und Anwohner des Blumenviertels haben sich folgende Erkenntnisse ergeben: - Die Senatsverwaltung hat bei der Investitionsbank Berlin (IBB) erreicht, dass die Behebung von Kellerwasserschäden explizit in bestehende Förder- Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 157 3 programme zur Wohnraummodernisierung und energetischen Sanierung aufgenommen wurde. Aus den Gutachten der beauftragten Sachverständigen und Ingenieure haben sich folgende Erkenntnisse ergeben: - eine nachträgliche bauliche Abdichtung von nicht fachgerecht abgedichteten Kellergeschossen ist durchführbar und mit Kosten von ca. 15.000 € bis 92.000 € pro Objekt verbunden. Die Kosten nachträglicher Abdichtungsmaßnahmen können allerdings je nach Schadensbild, Bauweise, Grundfläche , sowie in Abhängigkeit der lokalen geologischen Verhältnisse variieren. - eine Grundwasserabsenkung für große Teile des Blumenviertels ist technisch umsetzbar, allerdings müssten Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung von einem Verein/Verband organisiert und durch die Mitglieder finanziert werden. Je mehr Mitglieder ein solcher Verband hätte, desto geringer wären die jährlichen Mitgliedskosten für die Mitglieder . Es wurden dabei folgende jährliche Mitgliedsbeiträge ermittelt: bei 500 Mitgliedern ergibt sich ein maximaler Jahresbeitrag von ca. 500 €, bei 1.000 Mitgliedern ein maximaler Jahresbeitrag von ca. 250 € und bei 1.500 Mitgliedern ein maximaler Jahresbeitrag von ca. 170 €. Berlin, den 22. Mai 2017 In Vertretung Tidow ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2017)