Drucksache 18 / 11 814 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 14. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2017) zum Thema: Brandserie in Neukölln in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 2017 (II) und Antwort vom 02. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11814 vom 14. Juli 2017 über Brandserie in Neukölln in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 2017 (II) -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen bezüglich der Brandserie in Neukölln in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 2017? 2. Welche neuen Erkenntnisse konnten die Behörden ermitteln? Zu 1. und 2.: Das zu der Brandserie eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Berlin mit Verfügung vom 29. März 2017 gemäß § 170 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, weil dem Beschuldigten eine Tatbegehung nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte. 3. Welche Priorität räumt der Senat der Aufklärung der Brandserie ein? Zu 3.: Die Bearbeitung des Verfahrens erfolgte seitens der Staatsanwaltschaft Berlin in enger Abstimmung mit dem für Brandstiftungsdelikte zuständigen Fachkommissariat des Landeskriminalamts (LKA). Die hohe Priorisierung zeigt sich unter anderem daran, dass beim LKA die Ermittlungsgruppe „Buggy“ eingerichtet wurde, die priorisiert mit der Aufklärung der Brandserie beauftragt wurde. 4. Was hat die Auswertung ggf. an den Tatorten angefertigten Videomaterials und die Auswertung anderer Beweismittel wie chemischer Rückstände durch mögliche Brandsätze ergeben? Zu 4.: Aus ermittlungstaktischen Erwägungen wird von einer Mitteilung der Auswertungsergebnisse abgesehen. 2 5. Wann und wie oft wurden mit wie vielen betroffenen Bewohner*innen Gespräche geführt? Zu 5.: Im Rahmen der Ermittlungen wurden im LKA 12 sieben schriftliche Vernehmungen durchgeführt. Über die Anzahl der darüber hinaus geführten Gespräche mit betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner wird bei der Polizei Berlin keine Statistik vorgehalten. 6. Ist dem Senat bekannt, ob bei den Gesprächen mit den Betroffenen Sprachmittler*innen zum Einsatz kamen und wenn ja, welche Sprachen mussten für die Ermittlungsbehörden übersetzt werden? Wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Die von der Polizei durchgeführten schriftlichen Vernehmungen erfolgten ohne den Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern oder Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern , weil dies nicht erforderlich war. 7. Wurde den Betroffenen der aktuelle Stand der Ermittlungen mitgeteilt? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Dem Beschuldigten wurde die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt. Den übrigen Betroffenen wurde die Verfahrenseinstellung nicht mitgeteilt, weil die Voraussetzungen des § 171 StPO nicht vorlagen. Das Verfahren wurde von Amts wegen eingeleitet. 8. Welche Erkenntnisse der Ermittlungsgruppe „Rechte Straftaten in Neukölln“ (Resin) flossen in das Ermittlungsverfahren zur Brandserie ein? 9. Wurden im Zuge der Ermittlungsverfahren durch „Resin“ auch Erkenntnisse der Ermittlungsgruppe „Buggy“ zu der Brandserie genutzt? Zu 8. und 9.: Nach Kenntnis der Staatsanwaltschaft Berlin fand auf polizeilicher Ebene zwischen den Ermittlungsgruppen ein Informationsaustausch statt. Zwischen den Ermittlungsgruppen Buggy und Resin wurden zur Prüfung auf mögliche Tatzusammenhänge Informationen ausgetauscht, beispielsweise zu den jeweiligen Tatorten, Tatzeiten und Begehungsweisen. 10. Sieht der Senat das Zusammenleben der Bewohner*innen der betroffenen Häuser und das Zusammenleben in Neukölln insgesamt durch die Brandserie gefährdet? Zu 10.: Nach Mitteilung der örtlich zuständigen Polizeidirektion 5 ist das vorsätzliche Inbrandsetzen der Sachgüter sicherlich im Nachgang der Taten an den jeweiligen Brandorten und in dessen Nahbereichen thematisiert worden, führte aber nach jetzigem Kenntnisstand nicht zu Beeinträchtigungen in den nachbarschaftlichen Beziehungen. Die Brandstiftungen, welche durch die Ermittlungsgruppe RESIN bearbeitet werden, fanden überwiegend in Gegenden statt, in denen die städtebauliche Struktur aus Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäusern besteht. Naturgemäß bewirken solche Straftaten Unbehagen und schüren Ängste im Kreise der Anwohnerinnen und Anwohner. Die Polizei Berlin steht sowohl den Geschädigten als auch der Wohnbevölkerung vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine generelle Gefährdung des Zusammenlebens der Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Häuser sowie des Zusammenlebens im Bezirk Neukölln kann seitens der Polizei Berlin nicht konstatiert werden. 11. Inwieweit gehen die Ermittlungsbehörden dem Tatmotiv des Rassismus nach? Zu 11.: Die Ermittlungen wurden ergebnisoffen ohne Beschränkung auf Tatmotive in alle Richtungen geführt. Hinweise auf einen rassistisch motivierten Hintergrund haben sich dabei bisher nicht ergeben. 3 12. Welche Verbindungen sieht der Senat zu übrigen, insbesondere rechtsmotivierten Brandanschlägen in Neukölln seit 2016 bis jetzt? Zu 12.: Hinweise auf etwaige Verbindungen zu anderen Brandanschlägen in Neukölln seit 2016 liegen derzeit - soweit ersichtlich - nicht vor. Durch die Einsatzgruppe RESIN werden alle Brandstiftungen der vergangenen 12 Monate bearbeitet, bei denen von einer rechtsorientierten Motivation ausgegangen werden kann. Bei älteren Taten wurde und wird ein möglicher Zusammenhang zu der aktuellen Häufung von Brandstiftungen in Berlin-Neukölln geprüft. 13. Haben die Ermittlungsbehörden die Konsequenzen aus der Arbeit des NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages in ihre Ermittlungsarbeit einfließen lassen und wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Zu 13.: Die Handlungsempfehlungen des Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU-Untersuchungsausschuss) haben, sofern sie sich auf polizeiliches Handeln bezogen, Eingang in eine behördenweite Rahmenkonzeption gefunden , die sich mit der Bekämpfung der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) - rechts seitens der Polizei Berlin auseinandersetzt. Hierbei wurde ein umfangreicher Katalog erarbeitet , der Maßnahmen insbesondere im Bereich der Prävention, der Aus- und Fortbildung , dem Informationsmanagement, der Repression, der Zusammenarbeit mit anderen Behörden sowie der Öffentlichkeitsarbeit vorsieht, um der PMK - rechts zu begegnen. Diese Handlungskonzeption wird periodisch überarbeitet und den gegebenenfalls veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst. Ferner wird der Umsetzungsstand der erarbeiteten Maßnahmen regelmäßig wiederkehrend behördenweit erhoben und erkannter Handlungsbedarf neu formuliert und umgesetzt. Die Staatsanwaltschaft Berlin begegnet der politisch motivierten Kriminalität durch den schon langjährigen Bestand einer Spezialabteilung (Abt. 231) zur Bearbeitung von Gewalt -, Staatsschutz- und Friedensstörungsdelikten sowie Hasskriminalität. Ermittlungsverfahren, deren Gegenstand unter anderem Taten sind, - die sich gegen eine Person allein oder vorwiegend wegen deren politischer Einstellung, Herkunft, Hautfarbe oder Religion, oder in diesem Zusammenhang gegen Sachen, Institutionen oder Objekte richten, - die politisch motiviert zum Nachteil von Flüchtlingen und Asylsuchenden sowie Personen (Leib und Eigentum), die diesem Personenkreis Hilfe leisten, verübt werden oder die gegen Unterkünfte und Einrichtungen, die diesem Personenkreis Obdach und Schutz gewähren, gerichtet sind und - die Brand- und Sprengstoffanschläge unter anderem mit rechtsextremem Bezug oder durch rechtsextreme Tatverdächtige betreffen, werden in dieser Abteilung durch entsprechend geschulte und sensibilisierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geführt, wobei ein intensiver Austausch mit den zuständigen Dienststellen des Polizeipräsidenten in Berlin und der Polizei des Landes Brandenburg , insbesondere der Staatsschutzabteilung, erfolgt. 4 Hauptverhandlungstermine vor Gericht werden ebenfalls durch diese oder ebenso durch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit entsprechend einschlägigen Kenntnissen und sachbezogenem Erfahrungswissen wahrgenommen. Berlin, den 2. August 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-11814n S18-11814 S18-11814 S18-11814a