Drucksache 18 / 11 225 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Philipp Bertram (LINKE) vom 11. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2017) zum Thema: Arbeit und Perspektiven der psychiatrischen Clearingstelle für Geflüchtete und Antwort vom 30. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Philipp Bertram (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11225 vom 11.05.2017 über Arbeit und Perspektiven der psychiatrischen Clearingstelle für Geflüchtete ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Fälle hat die psychiatrische Clearingstelle des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) seit Einrichtung zum 01.01.2016 betreut (aufgeschlüsselt nach Geschlechtern)? Wie viele davon waren Minderjährige? Zu 1.: Die zentrale psychiatrische Clearingstelle wurde nicht vom LAGeSo eingerichtet, sondern von der Charité. Sie ist am 10.02.2016 in Betrieb gegangen. Der Vertrag wurde zwischen der Charité und dem LAGeSo geschlossen. Mit Stand vom 17.05.2017 hat es nach Angaben der Charité in der psychiatrische Clearingstelle seit ihrer Inbetriebnahme 4.172 Patientenkontakte gegeben. Da Personen in der Clearingstelle zum Teil auch wiederholt behandelt werden (Kurzzeitinterventionen, geplante oder ungeplante Wiedervorstellungen aus anderen Gründen), ist die Anzahl der Patientenkontakte größer als die der Behandlungsfälle. Die Aufschlüsselung nach Geschlechtern und die Anzahl der Minderjährigen ergeben sich aus der folgenden Tabelle: Zeitraum Patientenkontakte gesamt (männlich/ weiblich) Minderjährige 10.2.2016 -31.12.2016 2546 (1561/985) 303 1.1.2017 – 17.5.2017 1586 (1043/543) 296 Σ 4132 (2604/1528) 599 2. Aus welchen Bezirken kamen die Patient*innen jeweils? Zu 2.: Diese Angabe wird in der Dokumentation nicht erfasst. Erfasst werden Postleitzahlen. - 2 - 2 3. In welchen Sprachen erfolgten die Behandlungen und welche Übersetzungsressourcen werden in der Clearingstelle vorgehalten? Zu 3.: Nach Angabe der Charité erfolgen die Behandlungen zum Teil durch muttersprachliches ärztliches Personal (arabisch). Insgesamt dominieren die Sprachen Arabisch sowie Farsi /Dari. Darüber hinaus erfolgen die Behandlungen (dolmetschergestützt) in den Sprachen Urdu, Albanisch, Russisch, Kurmandschi, Sorani, Tigrinya, Fulla, Begal, Dendi, Gorani, Swahili, Paschtu. Übersetzungsressourcen: a. Muttersprachliches Personal, b. 5 fest angestellte Dolmetscher (alle in Teilzeitbeschäftigung), davon 4 Farsi/Dari sprechende Dolmetscher, ein arabischsprachiger Dolmetscher. c. Videodolmetsch-System (Fa. SAVD, Wien, Österreich). d. Gemeindedolmetschdienst Berlin für ausgewählte Sprachen (Fulla, Begal, Dendi, Gorani , Swahili, Urdu, Paschtu) 4. Welche Leistungen werden aktuell in der Clearingstelle angeboten? Zu 4.: Angeboten werden Diagnostik und im Bedarfsfall Kurzintervention in akuten Krisenfällen, alle übrigen Fälle sollen entsprechend dem Clearingbegriff in das bestehende ambulante bzw. stationäre Behandlungssystem weiter vermittelt werden. 5. Welche Kooperationen bestehen aktuell mit anderen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes , mit den Bezirken oder anderen Trägern? Zu 5.: Nach Angaben der Charité bestehen vielfache Kooperationen mit dem existierenden psychiatrisch -psychotherapeutischen Versorgungs- und Hilfesystem, zum Beispiel den Diensten der Bezirksämter (KJPD, Sozialpsychiatrische Dienste), mit den Psychiatrischen Institutsambulanzen der pflichtversorgenden Kliniken, mit Xenion e.V. und mit dem Zentrum Überleben/Berliner Zentrum für Folteropfer. Seit Inbetriebnahme fand v.a. eine enge Vernetzung mit den Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) der pflichtversorgenden Kliniken statt mit dem Ziel, die Schnittstelle zur ambulanten Weiterbehandlung zu optimieren. Darüber hinaus finden auf bezirklicher Ebene regelhaft Netzwerktreffen statt (z.B. Kliniken, verschiedene psychosoziale Träger, Psychiatrie- und Flüchtlingskoordination, Unterkunftsbetreiber u.a.). 6. Wie viele Stellen mit wie vielen Wochenstunden (Ärzt*innen, Sprachmittler*innen, Sprechstundenhilfen o. ä.) stehen der Clearingstelle zur Verfügung? - 3 - 3 Zu 6.: Bei Vertragsabschluss standen im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie 2,6 Vollzeitkräfte (VK) im ärztlichen Dienst zur Verfügung, im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie zunächst 0,5 VK (ärztlicher Dienst), seit 1.1.2017 erfolgte eine Aufstockung auf 1,0 VK. Bei Vertragsabschluss standen ferner im Bereich der fest angestellten Sprachmittler ca. 0,6 VK, in der Pflege 1,2 VK zur Verfügung. 7. Inwieweit wird ein bestehender Behandlungsbedarf durch die Clearingstelle gedeckt (ggf. nach Krankheitsbildern getrennt)? Zu 7.: S. Antwort zu Frage 4; wird weitergehender Behandlungsbedarf festgestellt, ist dieser vom Regelsystem zu erbringen. Regelhafte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ist keine Clearingaufgabe und somit auch nicht die der zentralen psychiatrischen Clearingstelle . 8. Welche Instrumente stehen zur Verfügung, um den Übergang der behandelten Patient*innen ins Regelsystem zu gewährleisten? Zu 8.: Die Planung ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung nach dem SGB V obliegt der Selbstverwaltung im Rahmen der ambulanten Bedarfsplanung nach § 99 SGB V (KV im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Kassen und den Ersatzkassen ). Die Planung ggf. zusätzlicher stationärer und teilstationärer Behandlungskapazitäten erfolgt im Rahmen der Fortschreibung des Krankenhausplans für das Land Berlin. 9. Ist eine Evaluation der Arbeit der Clearingstelle vorgesehen? Wenn ja, wann und nach welchen Gesichtspunkten wird evaluiert? Werden auch Patient*innen in den Evaluationsprozess einbezogen, wenn ja, wie? Sollen mögliche Evaluationsergebnisse auch der Wahrung und Weitergabe von gesammeltem Wissen im Umgang mit der psychiatrischen Behandlung Geflüchteter dienen? Falls ja, wie soll dieser Wissensspeicher aussehen und in welcher Form soll dieser Anwendung finden? 10. Ist die Schließung der Clearingstelle zum 31.12.2017 definitiv und mit welcher Begründung? Zu 9. und 10.: Da die zentrale psychiatrische Clearingstelle grundsätzlich als eine vorübergehende zusätzliche Einrichtung zum bestehenden Regelsystem fungiert, ist eine Evaluation nicht vorgesehen. Diese Ergänzung zum Regelsystem war notwendig, da sich dieses nicht so schnell auf die Geflüchteten einstellen konnte. Das Regelsystem übernimmt jedoch zunehmend die notwendigen Behandlungsaufgaben. Daher ist ein Betrieb dieser zusätzlichen Einrichtung aus Landesmitteln über den 31.12.2017 nicht angezeigt. - 4 - 4 11. Welche Instrumente plant der Senat, um die psychiatrische Versorgung von Geflüchteten auch nach Schließung der Clearingstelle sicherzustellen? Zu 11.: S. Antwort zu Frage 8. 12. Plant der Senat die Schaffung zusätzlicher, niedrigschwelliger Angebote bzw. die Erweiterung bestehender Angebote im Bezug auf die psychiatrische Versorgung Geflüchteter? Zu 12.: Der Senat von Berlin hat für die niedrigschwelligen bezirklichen psychosozialen Kontaktund Beratungsstellen 24 psychosoziale Fachkräfte für die Unterstützung von psychisch auffälligen bzw. psychisch erkrankten Geflüchteten zur Verfügung gestellt. Diese stehen vor Ort in den Flüchtlingsunterkünften sowohl für Geflüchtete als auch für Unterkunftsbetreiber und deren Sozialdienste informierend und beratend zur Verfügung. Darüber hinaus machen sie Kontakt- und Unterstützungsangebote in den bezirklichen psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen sowie Gruppenangebote. Außerdem hat der Senat von Berlin beim Gemeindedolmetschdienst zusätzliche Stellen für Gemeindedolmetscher*innen zur Verfügung gestellt, die insbesondere für Geflüchtete im Kontakt mit den Unterkünften und mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden derzeit die Möglichkeiten eines verstärkten Einsatzes der festangestellten Gemeindedolmetscher*innen für psychiatrische Institutsambulanzen und psychiatrische Fachabteilungen geprüft. 13. Plant der Senat alternativ die Schaffung zusätzlicher niedrigschwelliger Angebote, die Geflüchteten den Zugang zum Regelsystem der Gesundheitsversorgung unabhängig von der Form der Unterbringung ermöglichen? Zu 13.: Geflüchtete haben auch zurzeit die Möglichkeit des Zugangs zum Regelsystem der gesundheitlichen Behandlung/Versorgung, entweder mit der elektronischen Gesundheitskarte nach den Voraussetzungen des AsylbG oder - sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen - über die gesetzliche Krankenversicherung. Diese Zugangswege sind unabhängig von der Form der Unterbringung. Niedrigschwellige Angebote, die Geflüchteten den Zugang zum Regelsystem der Gesundheitsversorgung ermöglichen, sind über die in der Antwort zu Frage 12. genannten Angebote hinaus nicht geplant. Berlin, den 30.05.2017 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung S18-11225 S18-11225