Drucksache 18 / 11 264 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 16. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mai 2017) zum Thema: Suizide und Suizidversuche von Asylsuchenden in Berlin 2015 und 2016 und Antwort vom 06. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11264 vom 16.05.2017 über Suizide und Suizidversuche von Asylsuchenden in Berlin 2015 und 2016 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Wie viele Suizide und Suizidversuche von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Berliner Unterkünften in den Jahren 2015 und 2016 sind dem Senat bekannt (bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken und Einrichtungen)? 6) Wie viele Asylbewerber und Asylbewerberinnen wurden in den Jahren 2015 und 2016 präventiv wegen Suizidgefahr in psychiatrische Krankenhäuser eingeliefert? Zu 1. und 6.: Seitens des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bzw. ab 01.08.2016 des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) werden keine Daten in Bezug auf Suizide und Suizidversuche erhoben, so dass über Anzahl, Zeit und Ort sowie Aufnahmen in stationäre Einrichtungen wegen Suizidgefahr keine Angaben möglich sind. Dem Senat ist ein Suizid aus 2016 in der Unterkunft Köpenicker Allee bekannt. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat eine Prüfung veranlasst, in wie weit die von den Betreiberinnen und Betreibern der Unterkünfte für Geflüchtete gemeldeten Vorkommnisse durch das LAF erfasst und statistisch ausgewertet werden können. 2) Fanden in den benannten Fällen entsprechende polizeiliche Untersuchungen statt? Zu 2.: Die Polizei wird regelmäßig eingeschaltet, wenn ein Suizidversuch unternommen oder angekündigt wird. 2 3) Sind dem Senat die Motive bzw. Auslöser für den Suizid der jeweiligen Asylbewerberinnen und Asylbewerber bekannt? 5) Wie viele der Suizide oder Suizidversuche stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Abschiebeanordnungen oder Abschiebeversuchen und könnten somit der Auslöser gewesen sein? Zu 3. und 5.: Die Motive für Suizide sind nicht immer offensichtlich. Es können daher nur Vermutungen darüber angestellt werden. Nach Erfahrung des Sozialdienstes des LAF kann beispielsweise die Unzufriedenheit mit der aktuellen Unterbringungssituation, Gewalterfahrungen auf dem Fluchtweg bzw. im Herkunftsland, die Trennung von der Familie einen Auslöser darstellen, wie auch die Angst vor einer drohenden Abschiebung. Auch eine bestehende psychische Erkrankung kann eine Ursache für einen Suizidversuch darstellen. Über die Häufigkeit, mit der Suizidversuche in engem zeitlichem Zusammenhang mit Abschiebemaßnahmen verübt werden, liegen keine statistischen Daten vor. 4) Welche Unterstützungen können Asylsuchende, die einen Suizidversuch überlebt haben, über adäquate ärztliche Unterstützung hinaus erhalten? Zu 4.: Der Sozialdienst des LAF sucht in diesen Fällen nach einer adäquate Unterkunft, um zu einer Besserung beizutragen. Im Einzelfall kann weitere Unterstützung für Asylsuchende durch Betreuung angeboten werden. 7) Hat der Senat ein Verfahren zur Ermittlung dieser besonders vulnerablen Flüchtlingsgruppen eingerichtet, oder ist dies bereits in Planung? Wenn nein, warum nicht? 8) Wie plant der Senat, qualifizierte Psychotherapie unabhängig vom Aufenthaltsstatus sicherzustellen, und inwieweit plant er, einen gleichen Anspruch auf Psychotherapie auch für Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu garantieren? Zu 7. und 8.: Der Sozialdienst des LAF versucht im Rahmen der Beratungsgespräche im Ankunftszentrum, besonders schutzbedürftige Asylsuchende zu identifizieren und ihnen eine adäquate Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wird seitens des LAF eng mit der psychiatrischen Clearingstelle der Charité in der Turmstraße, dem Zentrum für Überleben sowie weiteren Organisationen des Berliner Netzwerkes für besonders Schutzbedürftige zusammengearbeitet. Die Ermittlung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender wird in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten der Wohnheime fortgeführt, da sich insbesondere psychische Probleme nicht sofort identifizieren lassen. Werden Asylsuchende als besonders schutzbedürftig erkannt, wird auch hier versucht, nach Maßgabe vorhandener Plätze ggf. eine geeignete Unterkunft zu finden und andere individuelle Leistungen zur Unterstützung bereitzustellen. Mit der erfolgreichen Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für den Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) kann nach erfolgter Einzelfallprüfung durch die zuständige Krankenkasse eine psychotherapeutische Behandlung genehmigt und durchgeführt werden. Die Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG haben ebenfalls eine elektronische Gesundheitskarte, jedoch mit erweitertem Leistungsanspruch und freier Krankenkassenwahl. Sie haben den gleichen Anspruch auf psychotherapeutische Versorgung wie reguläre Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. 3 9) Plant der Senat, die Erstattung von Dolmetscherkosten für Psychotherapien im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie auch für Geflüchtete, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen sind oder Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhalten, sicherzustellen, wenn ohne diese die erforderliche sprachliche Verständigung und somit eine Behandlung nicht möglich ist? Zu 9.: Der Senat vertritt die Auffassung, dass für leistungsberechtigte Personen gemäß §§ 2, 3 AsylbLG, die der deutschen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig sind, die Sprachmittlung als erforderliche Leistung nach den §§ 4, 6 AsylbLG anzusehen ist. Für Personen, die nach SGB XII leistungsberechtigt sind, können Dolmetscherkosten als Hilfe in sonstigen Lebenslagen anerkannt werden. Nach erfolgter Einzelfallprüfung sind die Kosten somit von den jeweiligen Leistungsbehörden zu übernehmen. Die Notwendigkeit der Leistungsübernahme wird anerkannt, sofern anderweitige Hilfen, wie fremdsprachige Anamnesebögen oder andere Verständigungshilfen nicht ausreichend sind und die Möglichkeit der unentgeltlichen Sprachmittlung durch die Ärztin/ den Arzt oder anderes medizinisches Personal bzw. qualifizierte Beschäftigte beim Leistungserbringer der Eingliederungshilfe nicht zur Verfügung steht. Sofern ein Tatbestand der besonderen Schutzbedürftigkeit vorliegt, ist aufgrund der Vertraulichkeit und der Komplexität der zu führenden Gespräche bzw. der Behandlung (einschließlich psychiatrischer / psychotherapeutischer Leistungen) in der Regel die Bestellung einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers notwendig, die/der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Dolmetscherkosten für Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen (ambulant oder stationär) sind laut Bundessozialgerichtsurteil vom 06.02.2008 (B6KA 40/06 R) keine Gesundheitsleistungen und können daher nicht von den Krankenkassen erstattet werden. Berlin, den 06. Juni 2017 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-11264 S18-11264