Drucksache 18 / 11 273 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP vom 16. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Mai 2017) zum Thema: Wahlrecht für alle ? und Antwort vom 30. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 2 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11273 vom 16. Mai 2017 über Wahlrecht für alle? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Bürgerinnen und Bürger in Berlin sind im Zuge von § 13 des Bundeswahlgesetzes vom Wahlrecht ausgeschlossen? Bitte nach den Punkte I, II und III des Paragraphen differenzieren . Zu 1.: Nach dem Berliner Melderegister, auf dem die Wählerverzeichnisse für die Wahl zum Deutschen Bundestag beruhen, sind – mit Stand vom 24. Mai 2017 – 629 mit Hauptwohnung in Berlin melderechtlich registrierte Deutsche vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen. Da im Melderegister ausschließlich die Tatsache des Wahlrechtsausschlusses sowie der Verweis auf das diesbezügliche Beweismittel gespeichert werden darf (in der Praxis sind dies der Name des Gerichts, auf dessen Entscheidung der Wahlrechtsausschluss beruht, sowie das Geschäftszeichen des zugrunde liegenden Verfahrens und das Datum der Entscheidung), ist die erfragte Aufschlüsselung nach den einzelnen Tatbeständen des § 13 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) nur durch Auswertung der Verfahrensgeschäftszeichen möglich. Diese Auswertung erlaubt allerdings lediglich eine Unterscheidung zwischen zivilgerichtlichen und strafgerichtlichen Entscheidungen , die zum Wahlrechtsausschluss nach § 13 Nr. 2 BWahlG einerseits und nach § 13 Nr. 1 und 3 BWahlG andererseits führen. Eine weitere Differenzierung nach der Art der strafgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 13 Nr. 1 und Nr. 3 BWahlG ist anhand der Verfahrensgeschäftszeichen nicht möglich. Die Auswertung der Verfahrensgeschäftszeichen ergibt, dass den Wahlrechtsausschlüssen in 310 Fällen zivilgerichtliche (Betreuungs-) Entscheidungen und in 314 Fällen strafgerichtliche Entscheidungen zugrunde liegen. In den übrigen Fällen war eine Zuordnung nicht zweifelsfrei möglich. Seite 2 von 2 Auf der Grundlage der Strafverfolgungsstatistik der Jahre 2001 bis 2016 der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die 314 Wahlrechtsausschlüsse aufgrund strafgerichtlicher Entscheidungen (nahezu) ausschließlich Fälle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 13 Nr. 3 BWahlG) betreffen. Im Land Berlin wurde in diesem Zeitraum nämlich in keinem Fall ein Entzug des aktiven Wahlrechts als strafrechtliche Nebenfolge (§ 13 Nr. 1 BWahlG) ausgesprochen. 2. Hält der Senat den Ausschluss vom Wahlrecht in den Fällen der Punkte I, II und III jeweils für gerechtfertigt und angemessen? 3. Wenn nein, was will der Senat dann bis wann wie ändern? 4. Beabsichtigt der Senat durch eine Bundesratsinitiative, mit den Ländern Schleswig-Holstein und NRW, wo die Rechtslage bereits anders ist, ein Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung zu gewährleisten? Zu 2. bis 4.: Der Senat beabsichtigt eine Überprüfung der Wahlrechtsausschlüsse anhand internationaler Standards. Dies betrifft in erster Linie die Wahlrechtsausschlüsse nach § 2 Nr. 2 und 3 des Landeswahlgesetzes (LWG), für die die Gesetzgebungskompetenz beim Land Berlin liegt, ist aber auch von Bedeutung für die inhaltsgleichen Wahlrechtsausschlüsse nach § 13 Nr. 2 und 3 BWahlG, auf die die Länder über den Bundesrat einwirken könnten. Zunächst soll allerdings der Ausgang des Wahlprüfungsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zum Geschäftszeichen 2 BvC 62/14 abgewartet werden, da das Bundesverfassungsgericht in diesem Verfahren voraussichtlich über die Vereinbarkeit der Wahlrechtsausschlüsse nach § 13 Nr. 2 und 3 BWahlG mit dem Grundgesetz entscheiden wird. Der Senat geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung noch vor der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag verkünden wird. Die Möglichkeit des Wahlrechtsausschlusses nach § 13 Nr. 1 BWahlG und § 2 Nr. 1 LWG aufgrund ausdrücklicher – befristeter – Aberkennung durch strafgerichtliche Entscheidung nach § 45 Abs. 5 des Strafgesetzbuches, von der erfahrungsgemäß zurückhaltend Gebrauch gemacht wird, begegnet keinen grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken und ist daher nicht Gegenstand der vorstehend angesprochenen Überprüfung. Berlin, den 30. Mai 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11273 S18-11273