Drucksache 18 / 11 312 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 23. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2017) zum Thema: Aufklärung im Fall Anis Amri und Antwort vom 12. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11312 vom 23. Mai 2017 über Aufklärung im Fall Anis Amri ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die nachfolgend gemachten Angaben stellen den uns aktuell zur Verfügung stehenden Sachstand des Aufklärungsprozesses dar. Es ist einem Aufklärungsprozess immanent, dass Aussagen zu Tatsachen und Bewertungen einer Veränderung unterliegen können. Diesbezüglich wird zudem auf die gegenwärtig von dem Sonderbeauftragten des Senats durchgeführte Aufklärung des Handelns der Berliner Behörden in Bezug auf die Person Anis Amri verwiesen. 1. An welchem Datum haben die politisch und fachlich Verantwortlichen jeweils Einsicht in die Akte und - soweit unmittelbar möglich - in elektronische Vorgänge (POLIKS und MODESTA) zu Anis Amri genommen? a) Regierender Bürgermeister b) Senator für Inneres und Sport c) Staatssekretär für Inneres d) Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung e) Staatssekretärin für Justiz f) Leiter Abt. 3 (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) der SenInnSport g) Leiter Abt. 2 (Verfassungsschutz) der SenInnSport h) Polizeipräsident von Berlin i) Polizeivizepräsidentin von Berlin j) Leiter des LKA Berlin k) Leiter Abt. 4 (Organisierte Kriminalität, Banden- und qualifizierte Eigentumskriminalität, Rauschgiftdelikte) beim LKA Berlin l) Leiterin Abt. 5 (Staatsschutz) beim LKA Berlin m) Der Sonderbeauftragte des Senats n) MdA Zu 1.: Zunächst ist anzumerken, dass es die „Akte Anis Amri“ in Papierform im Sinne der Fragestellung so nicht gibt. Im Rahmen der Aufarbeitung nach dem Anschlag vom 19. Dezember 2016 und der verschiedenen Ermittlungsverfahren haben die jeweils zuständigen Stellen und Personen Informationen erhoben, zusammengestellt und zur Kenntnis genommen. Seite 2 von 4 Soweit eine unmittelbare Einsichtnahme in die elektronischen Vorgänge im Rahmen der Fachaufsicht nicht vorgesehen war, erfolgte diese teilweise in einem ausgedruckten Aktenauszug. Bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat bislang Frau Bayram (GRÜNE) als Mitglied des Abgeordnetenhauses am 13. April 2017 Einsicht in hier vorliegende Akten genommen. 2. Welche weiteren Stellen haben wann Akteneinsicht genommen? Zu 2.: Für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss V (Amri) Nordrhein-Westfalen wurden die von diesem angeforderten Akten zu Anis Amri von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zusammengestellt und am 23. März 2017 übersandt. Durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erfolgte am 16. März 2017 ebenfalls eine Aktenübersendung. 3. Welche Stellen haben grundsätzlich Zugang zu diesen Akten sowie zu den elektronischen Einträgen? Zu 3.: Mit Bezug auf die Person des Anis Amri sind bei der Polizei Berlin von mehreren Organisationseinheiten mehrere Vorgänge angelegt und bearbeitet worden. Eine Bündelung dieser Vorgänge zu einer einzigen Akte hat nicht stattgefunden. In POLIKS erfolgt die Zusammenführung dieser Verfahren zu einem Datensatz „Anis Amri“. In angelegte Papiervorgänge und bei POLIKS gespeicherte Daten nehmen die mit der Bearbeitung der Vorgänge betrauten Dienstkräfte und deren Vorgesetzte in dem Umfang Einsicht, wie es für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgabe notwendig und zulässig ist. Einen Zugriff auf in POLIKS gespeicherte Informationen haben alle für POLIKS freigeschalteten Dienstkräfte der Polizei Berlin nach Maßgabe der ihnen im Einzelnen eingeräumten Berechtigungen. In den Anklagebehörden haben die Dezernentinnen und Dezernenten, die Vorgesetzten und die Geschäftsstelle Zugriff auf die Akten. Auf das elektronische staatsanwaltschaftliche Aktenverwaltungssystem Mehrländer-Staatsanwalts- Automation (MESTA), das keine Akteninhalte abbildet, haben grundsätzlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, das heißt der Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) Berlin, der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin und der Amtsanwaltschaft Berlin aufgrund eines Rechte- und Rollenkonzepts in unterschiedlichem Umfang Zugriff. 4. Können dienstliche Weisungen oder geäußerte Bitten zu Veränderungen an der Akte und elektronischen Vorgängen zu Anis Amri durch Verantwortliche unter 1. a) bis l) gegenüber den Ermittlungsbeamten oder anderen Stellen ausgeschlossen werden? Zu 4.: Aufgrund der laufenden Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft (StA) Berlin unter anderem wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt nach Aufdeckung der eventuell strafrechtlich relevanten Vorgänge im Zusammenhang mit dem Fall Amri ist der Senat an der Beantwortung der Frage 4 gehindert. 5. Wann hat welche Stelle Ungereimtheiten in der Aktenführung festgestellt und wer wurde hierüber wann informiert? Seite 3 von 4 Zu 5.: Auf das Protokoll der 8. Sitzung (Sondersitzung) des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 22. Mai 2017 wird verwiesen. 6. Stehen die bisher in die Ermittlungen involvierten Beamten, trotz der Anzeige der Senatsinnenverwaltung gegen Unbekannt, weiterhin dem Sonderbeauftragten für Befragungen zur Verfügung oder gibt es bereits Aussageverweigerungen? Zu 6.: Der Sonderbeauftragte Bruno Jost hat hierzu mitgeteilt: „Von den „in die Ermittlungen involvierten Beamten“ wurden bisher zwei - schon vor Aufnahme der strafrechtlichen Ermittlungen einbestellte - Beamte durch mich befragt und haben nach Belehrung gemäß § 55 Strafprozessordnung umfassend ausgesagt.“ 7. Am 21.12.2016 teilte der Generalstaatsanwalt mit, dass Anis Amri von März bis September überwacht worden sei - in welchem Umfang hatte die Generalstaatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von Inhalten der letztlich am 19.01.2017 übersandten Akte? Zu 7.: Soweit die Pressemitteilung vom 23. Dezember 2016 gemeint sein sollte, ist festzustellen, dass die GenStA im August 2016 Kenntnis von dem Verdacht des Betäubungsmittel-Handels gegen Anis Amri hatte. Das Wissen darum war Grundlage des aktenkundigen Auftrages an das LKA 54, gesonderte Ermittlungen gegen Amri wegen Betäubungsmittel-Handels aufgrund der Gespräche in der Telefonüberwachung einzuleiten. Dieses wurde ausweislich der sogenannten Vorgangsnummer der Polizei unter dem 20. Oktober 2016 umgesetzt. 8. Welche Entscheidungen hinsichtlich einer Festnahme bzw. Nichtfestnahme des Anis Amri wurden wann, mit welcher Begründung und von wem - unter Information welcher übergeordneten Instanzen - getroffen? Zu 8.: Die Frage der (vorläufigen) Festnahme stellte sich im Staatsschutzverfahren der GenStA mangels Vorliegens der strafprozessualen Voraussetzungen nicht. In dem Ermittlungsverfahren der StA wegen der Auseinandersetzung in dem Lokal in Neukölln lagen lediglich bezüglich des zwischenzeitlich verurteilten Messerstechers die Voraussetzungen zur Anordnung der Untersuchungshaft vor. 9. Wenn die Akte Anis Amri bereits am 19.01.2017 der Staatsanwaltschaft zugegangen ist, weshalb werden offenkundige Ungereimtheiten - die dem Sonderermittler Herrn Bruno Jost unmittelbar ins Auge fielen - erst vier Monate später der Öffentlichkeit mitgeteilt? Zu 9.: Die Klärung von „Ungereimtheiten“ ist Gegenstand der Arbeit des Sonderbeauftragen Bruno Jost und der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen. 10. Ist es zutreffend, dass es sich bei den Verfassern des ersten und zweiten Vermerks (01.11.2016/ 17.01.2017; in Rede stehende Rückdatierung, Verkürzung von 12 auf vier Seiten) nicht um die gleiche Person handelt und welche denkbaren belastenden und entlastenden Schlüsse lässt dies zu? 11. Wurden beide Vermerke zu 10. von der gleichen Person (Kommissariatsleitung) freigegeben? Zu 10. und 11.: Aufgrund der laufenden Ermittlungen durch die StA unter anderem wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt nach Aufdeckung der eventuell strafrechtlich Seite 4 von 4 relevanten Vorgänge im Zusammenhang mit dem Fall Amri ist der Senat an der Beantwortung der Fragen 10 und 11 gehindert. 12. Wurden den Hausleitungen der Senatsinnenverwaltung und der Senatsjustizverwaltung vor dem Terroranschlag vom 19.12.2016 Vorgänge zu Anis Amri (einschl. unter Aliasnamen) vorgelegt? Wenn nein, dann bitte mit entsprechenden Begründungen aus den nachgeordneten Behörden. Zu 12.: Innerhalb der Senatsverwaltung für Inneres und Sport gab es keine Leitungsvorlagen im Sinne der Anfrage. Die Hausleitung der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wurde vor dem Anschlag ebenfalls nicht über den Fall Amri informiert, da es sich um einen Sachverhalt handelte, der keine Besonderheit aufwies. 13. Inwieweit lag ein hinreichender Tatverdacht gegen Beamte der Berliner Polizei vor und welche Erkenntnisse waren tatsächlich neu, die den Innensenator dazu veranlassten, seine Anzeige wegen Strafverteilung im Amt am 17.05.2017 medienwirksam bekanntzugeben? Zu 13.: Aufgrund der laufenden Ermittlungen durch die StA unter anderem wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt nach Aufdeckung der eventuell strafrechtlich relevanten Vorgänge im Zusammenhang mit dem Fall Amri ist der Senat an der Beantwortung der Frage 13 gehindert. Berlin, den 12. Juni 2017 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11312 S18-11312a