Drucksache 18 / 11 333 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) vom 29. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mai 2017) zum Thema: Aggressives Betteln gegen Autofahrer an roten Ampeln und Antwort vom 13. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11333 vom 29. Mai 2017 über Aggressives Betteln gegen Autofahrer an roten Ampeln ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass Autofahrer in Berlin an roten Ampeln belästigt werden, indem nach dem unaufgeforderten und aufgedrängten Wischen der Heckscheibe Geld von Autofahrern gefordert wird und bei Nichtzahlung beschimpft werden oder an der Autotürklinke gezogen und gerüttelt wird? Zu 1.: Inwieweit das aggressive Einfordern einer Entlohnung strafrechtliche Tatbestände oder Tatbestände einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, ist einzelfallbedingt zu betrachten . Das Scheibenputzen selbst erfüllt keinen Straftatbestand. Personen, die auf der Fahrbahn während der Rotlichtphasen Scheiben von Kraftfahrzeugen reinigen, sind rechtlich als Fußgänger zu bewerten, welche den Gehweg zu benutzen haben. Wenn sie die Gehwegseite wechseln möchten, haben sie die Fahrbahn zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen, zu überschreiten. Somit kann in diesen Fällen von einem Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgegangen werden, der sich im rechtlichen Sinne als eine Verkehrsordnungswidrigkeit darstellt. Als tateinheitlicher Verstoß könnte auch eine weitere Zuwiderhandlung nach der StVO vorliegen, wenn durch das Scheibenputzen andere Verkehrsteilnehmer belästigt, behindert oder gar gefährdet werden. Unter der Überschrift des Verbotes von Verkehrsbeeinträchtigungen ist nach der StVO auch das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße untersagt. Abhängig vom Einzelfall kommen nachfolgende Tatbestände, die rechtlich als Verkehrsordnungswidrigkeiten einzustufen sind, in Betracht: § 1 StVO – Belästigung/Behinderung/Gefährdung, § 25 StVO – Fußgänger müssen Gehwege nutzen, § 33 StVO – Anbieten von Waren/Leistungen auf der Straße. Seite 2 von 3 Eine ordnungswidrige Sondernutzung öffentlicher Straßen nach § 28 Berliner Straßengesetz (BerlStrG) ist gegebenenfalls ebenfalls zu bejahen. Handelt es sich bei den Bettelnden um Kinder oder erfolgt das Betteln in Begleitung von Kindern, kommt auch eine Ordnungswidrigkeit nach § 3 der Verordnung über das Verbot des Bettelns von Kindern und in Begleitung von Kindern vom 22. Dezember 2015 (GVBI. 2016, Seite 2) in Betracht. Ein körperlicher Übergriff des Bettelnden kann, sofern er das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt, also beispielsweise mit einer Verletzung des Opfers einhergeht, als Körperverletzung (§ 223 des Strafgesetzbuchs - StGB) verfolgt werden. Soll der Übergriff oder dessen Androhung dazu dienen, das Opfer zur Herausgabe von Geld zu bewegen, kommt darüber hinaus eine Strafbarkeit wegen eines Verbrechens der räuberischen Erpressung in Betracht (§§ 253, 255 StGB). Ob das Ziehen oder Rütteln an der Autotürklinke Ausdruck eines auf die Begehung einer räuberischen Erpressung gerichteten Tatentschlusses ist (dann käme eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht), bleibt eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Hierbei wären gegebenenfalls weitere Begleitumstände, etwa Äußerungen des Bettelnden, von Bedeutung. Abgesehen davon kann jedes Vorgehen des Bettelnden, durch das dem Adressaten ein bestimmtes Verhalten aufgezwungen wird, den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen. 2. Ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei einem solchen Verhalten um Taten handelt, die strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitsrechtlich verfolgt und geahndet werden sollten? a. Wenn ja, wie sieht die rechtliche Verfolgung und Ahndung konkret aus? b. Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer verfolgbaren Straftat wird durch die Polizei Berlin im Rahmen des Legalitätsprinzips eine Strafanzeige aufgenommen. Nach Abschluss des Strafermittlungsverfahrens durch die Polizei Berlin erfolgt die Abgabe an die zuständige Justiz. Ordnungswidrigkeiten werden durch die Ordnungsbehörden aufgenommen. Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Verkehrsrechts werden durch die Polizei Berlin (Bußgeldstelle) geahndet. Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ohne verkehrsrechtlichen Bezug obliegt den zuständigen Bezirksämtern. Gemäß den Regelungen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) werden Verstöße durch Geldbußen geahndet, sofern nicht wegen Geringfügigkeit eine Verwarnung durch die zuständige Behörde ausgesprochen und ggf. zusätzlich ein Verwarnungsgeld erhoben wird (§ 56 ff OWiG). 3. Welche Maßnahmen unternimmt das Land Berlin bzw. unternehmen die Bezirke, um dem Problem Herr zu werden? Zu 3.: Die Polizei Berlin hat hierzu Einsatzhinweise zur Durchführung von polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit „Scheibenputzertätigkeiten, aggressivem Betteln und wildem Campieren“ erstellt. Danach werden im Rahmen des Täglichen Dienstes gegen Personen, die auf öffentlichem Straßenland bei Scheibenputzertätigkeiten oder in Vorbereitung dazu angetroffen werden, Identitätsfeststellungen durchgeführt, Platzverweise ausgesprochen und ggf. Putzutensilien sichergestellt. Seite 3 von 3 Unter Berücksichtigung erkannter Brennpunkte werden Schwerpunktmaßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens durchgeführt und Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung konsequent geahndet. Anlassbezogen wird hierbei eine enge Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Bezirksämtern angestrebt. 4. Wie viele Platzverweise und Gewahrsamsnahmen hat die Polizei bzw. das Ordnungsamt im Jahr 2015, 2016 und 2017 (Stichtag 20.5.2017) in diesem Zusammenhang ausgesprochen? 5. Wie viele Straftaten hat die Polizei bzw. das Ordnungsamt in Jahr 2015, 2016 und 2017 (Stichtag 20.5.2017) in diesem Zusammenhang eingeleitet und zu welchen Sanktionen gegen den/die Beschuldigten haben diese Verfahren geführt? 6. Haben die Maßnahmen zu einer Verbesserung der Situation geführt? a. wenn ja, inwiefern? b. wenn nein, welche Maßnahmen unternimmt der Senat im Weiteren und falls keine weiteren Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Zu 4. bis 6.: Hierzu erfolgt keine statistische Erhebung. Berlin, den 13. Juni 2017 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11333 S18-11333a