Drucksache 18 / 11 351 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Carsten Schatz, Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 30. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2017) zum Thema: „Moralwächter“ in tschetschenischen Communities? und Antwort vom 20. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Carsten Schatz (Die Linke), Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (Die Linke) und Herrn Abgeordneten Hakan Tas (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11351 vom 30. Mai 2017 über „Moralwächter“ in tschetschenischen Communities? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Hat der Senat Erkenntnisse über Bedrohungen oder Angriffe gegen Frauen und Lesben, Schwule, Bisexuelle , trans- und intergeschlechtliche Menschen in den tschetschenischen Communities (siehe http://www.queer.de/detail.php?article_id=28904) in Berlin und wenn ja, welche? 2. Sind von Betroffenen Anzeigen in solchen Fällen erstattet worden? Wenn ja, wie viele in welchem Jahr (ab 2015)? 3. Welche Ergebnisse haben diese Anzeigen und die Ermittlungsverfahren gebracht (bitte den jeweiligen Verfahrensstand bzw. -ausgang einzeln darstellen)? Zu 1. bis 3.: Dem Senat liegen keine Erkenntnisse vor. In der Abteilung 284 der Staatsanwaltschaft Berlin, die für Taten zuständig ist, die sich gegen eine Person allein oder vorwiegend wegen deren sexueller Identität oder Orientierung oder in diesem Zusammenhang gegen Sachen, Institutionen oder Objekte richten, ist keine der in Rede stehenden Taten bekannt. Bei der Polizei Berlin sind bislang keine Sachverhalte zur Anzeige gebracht worden, die einen Bezug zu sogenannten „Moralwächtern“ in tschetschenischen Communities herstellen lassen. Der bei „www.queer.de“ veröffentlichte Beitrag ist der Polizei Berlin im Rahmen einer Presseanfrage bekannt geworden. Vor diesem Hintergrund wurde ein Strafermittlungsverfahren wegen Störung des Rechtsfriedens durch Androhung von Straftaten gegen Unbekannt eingeleitet. Dieses wird in einem Fachkommissariat des Polizeilichen Staatsschutzes im Landeskriminalamt (LKA) Berlin bearbeitet. Dem Senat liegen auch auf Nachfrage bisher keine Berichte von den von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) bei der Senatsverwaltung für Justiz , Verbraucherschutz und Antidiskriminierung geförderten Zuwendungsprojekten im Kontext Antigewalt- und Antidiskriminierungsarbeit sowie geflüchtete Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) vor. 2 4. Welche Maßnahmen beabsichtigt der Senat umzusetzen, um die Situation und insbesondere den Schutz der betroffenen Menschen zu verbessern? 5. Wie will der Senat die Anzeigenbereitschaft erhöhen? Zu 4. und 5: In dem Netzwerk gegen Gewalt an Frauen ist die Koordinierungsstelle „Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen e. V.“ (BIG e. V.) eingebunden, die mit sämtlichen Institutionen und Frauenprojekten in Gremien zusammenarbeitet und ein für von Gewalt betroffene Frauen zugeschnittenes mehrsprachiges Beratungs- bzw. Hilfsangebot (auch in Russisch) bereithält. Bei der Polizei Berlin gewährleistet der „Qualitätsstandard zur Verhinderung von Gewalteskalation bei Bedrohungen, Nachstellungen und anderen Individualgefährdungen durch Dritte“ die Möglichkeit, entsprechende Maßnahmen zum Schutz von Gewalt betroffener Personen zu ergreifen. Dieser enthält Handlungsanweisungen und beschreibt Standardmaßnahmen zum Schutz von gefährdeten Personen. Ziel dieses Qualitätsstandards ist es, in den anzuwendenden Fällen, durch eine auf den entsprechenden Fall zugeschnittene Gefährdungsanalyse eine frühzeitige polizeiliche Intervention zu gewährleisten. Handelt es sich um Fälle von häuslicher Gewalt, stellt der „Qualitätsstandard häusliche Gewalt“ eine Handlungsgrundlage für die Sachbearbeitung dar. In den Stäben der Polizeidirektionen sind Beamtinnen und Beamte als Koordinatorinnen bzw. Koordinatoren für das Themenfeld „Häusliche Gewalt“ oder als Opferschutzbeauftragte eingesetzt, die für betroffene Frauen in besonderen Einzelfällen Beratungen anbieten und ein koordiniertes Vorgehen ermöglichen. Des Weiteren wurden auch in den Abteilungen 1 (Delikte am Menschen) und 5 (Polizeilicher Staatsschutz) des LKA Berlin Opferschutzbeauftragte benannt. Bei der Zentralstelle für Prävention im LKA Berlin gibt es darüber hinaus zwei hauptamtliche Ansprechpersonen für LSBTI. Außerdem wurde zwischenzeitlich in den Ämtern und Direktionen der Polizei Berlin ein Netzwerk nebenamtlicher Ansprechpersonen für LSBTI aufgebaut. Zwischen den hauptamtlichen Ansprechpersonen für LSBTI, den spezialisierten Opferhilfeeinrichtungen und tangierten Verbänden findet zudem ein intensiver und vertrauensvoller Austausch statt. Grundsätzlich erfolgt durch die hauptamtlichen Ansprechpersonen für LSBTI gemeinsam mit dem Polizeilichen Staatsschutz des LKA Berlin eine fortlaufende Lageauswertung. Sobald Brennpunkte erkannt werden, werden die erforderlichen und gebotenen Schutz-, Unterstützungs - und Präventionsmaßnahmen initiiert und umgesetzt. Letztlich dienen die polizeilichen Maßnahmen sowohl der schnellen Ermittlung und Ergreifung der Täter als auch dem Schutz der Opfer. Voraussetzung für Letzteres ist, dass sich die Opfer der Polizei offenbaren, so dass beispielsweise Sicherheitsgespräche mit den Betroffenen sowie gegebenenfalls weitere Schutzmaßnahmen durchgeführt werden können . Die bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung angesiedelte Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) kooperiert im Handlungsfeld Antigewaltarbeit mit den Ansprechpersonen für LSBTI bei der Polizei Berlin und der Staatsanwaltschaft Berlin. Dies umfasst u.a. den fachlichen Austausch zur Steigerung der Anzeigenbereitschaft und anlassbezogene Konsultationen im Zusammenhang mit 3 verübten Gewalttaten bezüglich aller von Gewalt betroffenen LSBTI. Eine weitere Schnittstelle der Zusammenarbeit besteht im Rahmen der von der LADS zuwendungsgeförderten Antigewaltprojekte LesMigras/ Lesbenberatung sowie Maneo/ Mann-O-Meter. Die Zusammenarbeit dieser Fachberatungsstellen mit den Strafverfolgungsbehörden wird über Zuwendungsmittel ebenfalls gefördert. Zudem werden mit dem Projekt Tapesh der Lesbenberatung Empowermentmaßnahmen gefördert. Die LADS hat den Flyer „Hilfe und Unterstützung bei homo- und transfeindlicher Gewalt und Diskriminierung“ unter Mitarbeit der Ansprechpersonen für LSBTI der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft erstellt. Er vermittelt kompakt Informationen zu homo- und transfeindlicher Gewalt und Diskriminierung und gibt einen Überblick über die vom Senat von Berlin zuwendungsgeförderten Fachberatungsstellen sowie die Stellen der Ansprechpersonen für LSBTI bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Ziel ist es, Betroffenen den Weg zu Hilfe und Anzeigenerstattung zu erleichtern und darauf hinzuweisen, dass eine solche wesentlich zur Sichtbarmachung und damit der Bekämpfung von Homo- und Transfeindlichkeit beitragen kann. Die barrierefreie Onlineversion des Flyers steht unter diesem Link bereit: http://www.berlin.de/sen/lads/_assets/schwerpunkte/lsbti/materialien/flyerantigewaltberatung -lads_bf.pdf. Eine Version in englischer Sprache wird ebenfalls erstellt und dann bereitgestellt werden. Im Format eines Fact Sheets, das sich an die allgemeine Öffentlichkeit richtet und alle Interessierten neben den von Homo- und Transfeindlichkeit Betroffenen anspricht, werden kompakt Informationen zum Thema Gewalt und Diskriminierung gegen LSBTI aufbereitet, ein Überblick über die Aktivitäten des Senats von Berlin und verschiedene Anlaufstellen gegeben. Auf die Bedeutung der Anzeigenerstattung – z. B. auch durch Zeuginnen und Zeugen – wird ebenfalls hingewiesen. Das Fact Sheet Nr. 10 ist unter http://www.berlin.de/sen/lads/_assets/ueberuns /materialien/factsheets/factsheet_10_antigewalt_bf.pdf abrufbar und kann bei der LADS auch in der Druckversion bestellt werden. Im Rahmen des Masterplans Integration und Sicherheit setzt der Senat weitere, vielfältige Maßnahmen um, die sich insbesondere auch an geflüchtete Frauen und an alle LSBTI Geflüchteten sowie die sog. Mehrheitsgesellschaft richten. Bei folgenden Trägern wurden die Kapazitäten für die Beratung und Unterstützung gewaltbetroffener geflüchteter Frauen ausgebaut. Die Beratung erfolgt auch aufsuchend in den Unterkünften. Die Träger bieten im Rahmen ihrer Tätigkeit auch Rechtsberatung an. - LARA – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen - BIG – Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen e.V. - Frauentreffpunkt – Sozialdienst katholischer Frauen Berlin e.V. - Frauenkrisentelefon e.V. - Interkulturelle Initiative e.V. Darüber hinaus werden vier zusätzliche Frauenhausplätze und zusätzliche Wohnraumkapazitäten des Projekts NeuRaum und bei Paula Panke e.V. finanziert. Um die Situation von LSBTI Geflüchteten insgesamt und ihren Schutz vor Gewalt zu verbessern , setzt der Senat spezifische Maßnahmen um. Es sei an dieser Stelle auf die ausführliche Beantwortung der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 26. April 2017 zum Thema „Gewalt gegen LGBTI-Geflüchtete“ hierzu verwiesen (Drs. 18/11230). Die Maßnahmen umfassen beispielsweise auch russischsprachiger Beratungs- 4 und Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene LSBTI Geflüchtete durch verschiedene von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung zuwendungsgeförderte Projekte. Auf Initiative der ehemaligen Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, Abteilung Frauen und Gleichstellung und der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) ist im letzten Jahr im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, unter Beteiligung von Angehörigen der Polizei Berlin und weiterer Institutionen bzw. Projekte, der Entwurf einer Handreichung „Was tun bei Gewalt gegen Frauen und LSBTI in Unterkünften?“ erarbeitet worden. Sie soll Betreibende, Mitarbeitende und ehrenamtlich in Unterkünften Tätige dabei unterstützen, geflüchtete LSBTI und Frauen in allgemeinen Unterkünften besser vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Sie enthält zahlreiche Handlungsempfehlungen zur Prävention, für den drohenden und den akuten Gewaltfall sowie zur Nachsorge. Dabei werden auch die Möglichkeiten der Anzeigeerstattung aufgezeigt. Ihre Veröffentlichung befindet sich in der abschließenden Bearbeitung. 6. Sind ähnliche Situationen in anderen Communities der Stadt bekannt? Zu 6.: Ähnliche Situationen in anderen Communities, wie die in dem Artikel beschrieben, sind dem Senat nicht bekannt. Berlin, den 20. Juni 2017 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-11351 S18-11351a