Drucksache 18 / 11 512 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina Domer (SPD) vom 23. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juni 2017) zum Thema: Situation von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EHMA) und Antwort vom 19. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Bettina Domer (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11512 vom 23. Mai 2017 über Situation von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EHMA) ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft auch Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er hat daher die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände in Berlin (ARGE), die Ärztekammer Berlin und die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) um eine Stellungnahme gebeten. Bei der Beantwortung der einzelnen Fragen wird darauf hingewiesen. 1. Wie viele Menschen leben in Berlin, die einen angeborenen Herzfehler haben? Bitte nach Alter und Geschlecht darstellen. Falls es hierfür kein Datenmaterial gibt, wie groß ist die Gruppe dieser Menschen ungefähr (Schätzung) und hält der Senat eine anonymisierte Datenerhebung für sinnvoll? Zu 1.: Laut Auskunft der Ärztekammer Berlin haben von 1.000 Neugeborenen 8 bis 10 Kinder einen angeborenen Herzfehler, die meisten davon sind harmlos, heilen ohne Eingriff aus oder können operativ korrigiert werden. Etwa 10 % bis 20 % der angeborenen Herzfehler sind komplex und bedürfen einer lebenslangen Betreuung durch eine/n Kinderkardiologin/en mit entsprechender Expertise. Bei Übertragung dieser Zahlen auf Berlin bedeutet dies, ausgehend von etwa 40.000 Geburten/Jahr, dass 400 Kinder mit einem Herzfehler geboren werden, von denen bis zu 80 Kinder einen komplexen Herzfehler haben. Heutzutage werden 80% aller mit einer Herzoder Gefäßanomalie geborenen Kinder erwachsen. Durch verbesserte operative und medikamentöse Möglichkeiten wird dieser Trend sich fortsetzen. In Deutschland leben 170.000 bis 220.000 Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler (EMAH). Zur genauen Datenlage können keine Angaben gemacht werden, daher erscheint eine anonymisierte Datenerhebung auch aus Sicht des Senats durchaus sinnvoll. 2 Der KV Berlin ist bekannt, dass auf Basis der dort vorhandenen Abrechnungsdaten zu Menschen mit angeborenen Herzfehlern die entsprechende Diagnose bei ca. 200 Patienten/-innen im Quartal zu finden ist. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass es sich hierbei teilweise auch um Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern handelt. Somit ist von etwa 200 Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern auszugehen, die regelmäßig als Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung durch Berliner Ärztinnen und Ärzte behandelt werden. 2. Wie viele KardiologInnen sind in Berlin niedergelassen? Bitte differenziert nach KardiologInnen für Kinder und Erwachsende und nach Bezirken darstellen. Zu 2.: Die Kassenärztliche Vereinigung teilt hierzu mit, dass derzeit 135 Erwachsenenkardiologen/-innen in Berlin tätig sind. Im Bereich der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie finden sich aktuell 24 Ärztinnen und Ärzte. Aufgrund des einheitlichen Planungsbereichs Berlin sind Daten zur bezirksweisen Verteilung nicht vorhanden. 3. Wie ist die Altersstruktur dieser FachärztInnen und wie sieht die Nachbesetzung der Praxen bzw. Stellen durch Altersfluktuation für die kommenden zehn Jahre nach dem heutigen Sachstand aus? Bitte ebenfalls differenziert nach KardiologInnen für Kinder und Erwachsende und nach Bezirken darstellen. Zu 3.: Das Durchschnittsalter der Erwachsenenkardiologen/-innen beträgt 55,2 Jahre, das Durchschnittsalter der Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie liegt bei 53,2 Jahren. 4. Welche Anzahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler können in Berlin (finanziert durch die Krankenkassen) von Kinderkardiologinnen behandelt werden? Zu 4.: Hierzu teilt die Ärztekammer Berlin mit, dass im deutschen Herzzentrum Berlin 2016 2.457 Kontakte von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH-Patienten/- innen) gezählt wurden, dies entspricht etwa einer Patientenzahl von 500, da jährlich mehrere Kontakte pro Patient erfolgen. Etwa die gleiche Anzahl von EMAH wurden in dem Zeitraum von der Kinderkardiologie der Charite – Universitätsmedizin Berlin betreut, etwa 90% dieser Patienten/-innen haben einen komplexen Herzfehler. Von niedergelassenen Kinderkardiologen/-innen (angefragt in 3 Praxen) werden kontinuierlich 20 bis 90 EMAH/Quartal mit komplexen angeborenen Herzfehlern betreut. Leistungen für diese Patienten/-innen können nach Darstellung der niedergelassenen Kinderkardiologen/-innen bisher nicht über die KV Berlin abgerechnet werden. 3 Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.10.2015 - Az. B 6 KA 12/15 B ist eine Behandlung von Erwachsenen durch Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie schon aus berufsrechtlichen Gründen unzulässig, weil und solange die Weiterbildungsordnung der zuständigen Ärztekammer diese nicht vorsieht. Grundsätzlich besteht keine Möglichkeit - außerhalb der Notfallkompetenz - der Behandlung von Erwachsenen durch Fachärzte/-innen für Kinder und Jugendmedizin. Die KV Berlin würde es aus Gründen der Sicherstellung allerdings begrüßen, wenn Kinderkardiologen/-innen die Möglichkeit hätten, auf Überweisung eines/er Kardiologen/-in junge Erwachsene und Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern behandeln zu dürfen. 5. Wie sind die entsprechenden Regelungen in anderen Bundesländern? Zu 5.: Die Regelungen in anderen Bundesländern sind nicht bekannt. 6. Setzt sich der Senat für eine bundeseinheitliche Regelung ein und steht dieses Thema im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz bereits auf der Tagesordnung? Falls ja, welcher Sachstand? Zu 6.: Die Behandlung dieser Thematik ist auf der Tagesordnung der 90. Gesundheitsministerkonferenz vom 21.06.2017 bis 22.06.2017 in Bremen nicht vorgesehen. 7. Teilt die Landesregierung den Ansatz, dass Menschen mit angeborenem Herzfehler aufgrund fachlicher Kompetenzen der KinderkardiologInnen vorzugsweise durch diese behandelt werden sollten? Zu 7.: Aus den Ausführungen zu den Fragen 1 und 4 ergibt sich nach Ansicht der Ärztekammer Berlin, dass neben den Kindern (bis 18 Jahre) auch Erwachsene mit angeborenen komplexen Herzfehlern vorzugsweise von Kinderkardiologen/-innen zu betreuen wären. Die Betreuung dieser Patientengruppe erfordert eine spezielle Expertise und Erfahrung und ist zudem verbunden mit einem deutlich höheren Zeitaufwand u. a. wegen psychosozialer Probleme etc. Seit Jahren bestehe dringender Bedarf für Vereinbarungen zur verlässlichen Betreuung dieser Patientengruppe, um dadurch eine Verbesserung der Versorgung der EMAH- Patienten/-innen und eine adäquate Honorierung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe zu erreichen. 4 8. Welche Handlungsmöglichkeiten sieht der Senat, um zu realisieren, dass mehr Menschen mit angeborenem Herzfehler durch KinderkardiologInnen behandelt werden? Zu 8.: Der Senat teilt die Auffassung, dass die Versorgung von erwachsenen Menschen mit angeborenen Herzfehlern zu verbessern ist. Die Befugnis hierfür liegt bei der ärztlichen Selbstverwaltung. Eine Änderung der Weiterbildungsordnung ist Teil der Selbstverwaltungsaufgabe der Ärztekammer Berlin. Die Zahl der abrechnungsfähigen Behandlungen von erwachsenen Menschen mit angeborenen Herzfehlern durch Kinderkardiologen/- innen ist durch die KV Berlin zu erhöhen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung wird daher im Dialog mit diesen Institutionen auf entsprechende Änderungen hinwirken. 9. Wie viele KardiologInnen absolvierten seit der Möglichkeit der EMAH-Qualifizierung eine solche Weiterbildung? Zu 9.: Hierzu teilt die Ärztekammer Berlin mit, dass die Zusatzqualifikation „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH)“ von den entsprechenden Fachgesellschaften entwickelt wurde und von diesen inzwischen als Qualifikation vergeben wird (nicht zu verwechseln mit einer Zusatz-Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung). Eine Liste der Ärzte/-innen, die diese Qualifikation erworben haben, kann beispielsweise über die Homepage der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie aufgerufen werden: http://www.kinderkardiologie.org/emah/aerzteliste-sortiert-nach-namen/ Die durch die Fachgesellschaften konsentierten Empfehlungen für Erwachsenenund Kinderkardiologen zum Erwerb dieser Qualifikation sind unter folgendem Link zu finden: http://leitlinien.dgk.org/2007/empfehlungen-fur-erwachsenen-und-kinderkardiologenzum -erwerb-der-zusatz-qualifikation-erwachsene-mit-angeborenen-herzfehlern-emah Derzeit liegt ein Vorschlag für die Neuaufnahme der Zusatzweiterbildung „EMAH- Kardiologie“ im Rahmen des aktuell bei der Bundesärztekammer laufenden Novellierungsprozesses der (Muster-)Weiterbildungsordnung vor. Über die Aufnahme wird im Laufe des weiteren Novellierungsprozesses beraten werden. Das Vorliegen des/der kardiologischen bzw. kinderkardiologischen Facharztes/-ärztin wird laut den Empfehlungen der Fachgesellschaften für den Erwerb der EMAH- Qualifikation vorausgesetzt. Aus diesem Grund informiert die Ärztekammer Berlin nachfolgend über die Anzahl der von der Ärztekammer Berlin erteilten Anerkennungen in den letzten 6 Jahren: 5 Bezeichnung nach Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin * von 2004 ** von 1994 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Facharzt/-ärztin Innere Medizin und Kardiologie* Schwerpunkt Kardiologie ** (im Gebiet Innere Medizin) 5 24 6 22 15 8 27 6 29 7 28 3 Schwerpunkt Kinder- Kardiologie (im Gebiet Kinder- und Jugendmedizin) 2 5 6 1 4 3 10. Wie erfolgt die Anerkennung der EMAH-Qualifizierung durch die Krankenkassen? Zu 10.: Die ARGE teilt hierzu mit, dass die EMAH-Zertifizierung eine gemeinsame Aktivität der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herzund Gefäßchirurgie (DGTHG) ist. Die Zertifizierung der Kliniken und Praxen wird von der DGK organisiert, die Zertifizierung der EMAH-Doctores von der DGPK. Durch die Krankenkassen erfolgt keine gesonderte Anerkennung dieser Zertifizierung. Berlin, den 19. Juni 2017 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung S18-11512 S18-11512a