Drucksache 18 / 11 535 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 31. Mai 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2017) zum Thema: Unterhaltsvorschuss – vor und nach der Reform und Antwort vom 23. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11 535 vom 31. Mai 2017 über Unterhaltsvorschuss – vor und nach der Reform ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welchem Umfang zahlte das Land Berlin an wie viele Kinder in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Unterhaltsvorschüsse ? 2. In welchem Umfang haben die Zahlungen von Unterhaltsvorschüssen in den genannten Jahren den Landeshaushalt belastet, und wie haben sich im gleichen Zeitraum die Unterhaltsrückstände in den einzelnen Berliner Bezirken entwickelt? 3. Wie gelang es dem Senat und den Bezirken, die in diesen Jahren aufgelaufenen Unterhaltsrückstände von den Unterhaltspflichtigen einzufordern? Welcher Bezirk war dabei besonders erfolgreich und in welchen Bezirken war diese Aufgabe aus welchen Gründen sehr problematisch? 4. In welcher Höhe beliefen sich die Rückstände, die dauerhaft beim Land Berlin verblieben? (Bitte Gesamtsumme und Teilsummen den genannten Jahren entsprechend zuordnen.) Zu 1. bis 4.: Im angefragten Zeitraum wurden im Land Berlin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) wie folgt gewährt: Jahr 2014 2015 2016 Kinder im Bezug von Unterhaltsvorschuss 29.530 27.328 26.631 Höhe der Leistungen in EUR 55.629.721 55.057.845 55.352.749 (Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, UVG-Fallzahlenstatistik 2014- 2016) - - 2 Leistungen nach dem UVG werden gesamtstädtisch aus dem Landeshaushalt ausgereicht . Die Ausgaben werden derzeit noch zu einem Drittel vom Bund und zu zwei Dritteln von den Ländern getragen. Im angefragten Zeitraum beliefen sich die Ausgaben zum UVG im Land Berlin wie folgt: Jahr Gesamtausgaben UVG davon Landesanteil 2014 55.629.721 37.086.481 2015 55.057.845 36.705.230 2016 55.352.749 36.901.833 (Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, UVG-Statistik 2014-2016) Im angefragten Zeitraum wurden von Unterhaltsverpflichteten Leistungen, die nach § 7 UVG auf das Land Berlin übergegangen sind, wie folgt zurückgezahlt: Jahr 2014 2015 2016 Höhe der Rückzahlungen in EUR 9.359.658 9.490.753 10.182.418 (Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, UVG-Statistik 2014-2016) Die Rückholquoten der Berliner Jugendämter haben sich im angefragten Zeitraum wie folgt entwickelt: Bezirk Rückholquote 2014 (in %) Rückholquote 2015 (in %) Rückholquote 2016 (in %) Mitte 10,74 11,80 14,16 Friedrichshain- Kreuzberg 15,00 14,94 17,57 Pankow 32,70 31,41 32,96 Charlottenburg- Wilmersdorf 20,50 20,21 19,97 Spandau 11,87 12,81 10,48 Steglitz- Zehlendorf 18,84 20,03 17,54 Tempelhof- Schöneberg 12,30 12,45 12,09 Neukölln 13,50 13,77 15,81 Treptow- Köpenick 26,30 27,56 30,77 Marzahn- Hellersdorf 15,17 16,12 17,66 Lichtenberg 18,30 19,21 21,42 Reinickendorf 13,63 13,26 16,25 alle Bezirke 16,82 17,24 18,40 (Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, UVG-Statistik 2014-2016) - - 3 Es gibt eine Vielzahl an Gründen, weshalb Unterhaltspflichtige den Kindesunterhalt nicht oder nicht vollumfänglich leisten bzw. der Unterhaltsanspruch nicht durchgesetzt werden kann. Hierzu zählen insbesondere • Leistungsunfähigkeit aufgrund von Arbeitslosigkeit, • Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II oder XII. • Erwerbsunfähigkeit , • ein zu geringes Einkommen, das trotz Vollzeitbeschäftigung nur in Höhe des gesetzlichen Selbstbehaltes von 1080,00 € liegt oder keine Möglichkeit, bei Teilzeitbeschäftigung die Wochenarbeitszeit zu erhöhen, • Erwerbstätigkeit in einem Familienbetrieb mit geringem Einkommen, • Verzug mit unbekanntem Aufenthalt, zum Teil auch Rückkehr in das Herkunftsland, • häufige Umzüge und Arbeitgeberwechsel, • Unterhaltsverpflichtungen für mehrere minderjährige Kinder, • ungeklärte Feststellung der Unterhaltspflicht oder noch nicht erfolgte Titulierung des Unterhaltes. Durch zeitintensive Ermittlungen zu den Einkommensverhältnissen wird die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche häufig erheblich verzögert. Eine gerichtliche Unterhaltstitulierung im Ausland scheitert in der Regel daran, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Unterhaltspflichtigen nicht ermittelt werden können. Des Weiteren ist eine Zunahme der Fallzahlen minderjähriger Mütter festzustellen, bei denen der werdende Vater gleichaltrig und meist noch Schüler oder Auszubildender ist. Die gesetzlich verankerte gesteigerte Erwerbsobliegenheit lässt sich im Rahmen der Titulierung des Unterhaltsanspruchs nur durch die Zurechnung fiktiver Einkünfte zum tatsächlich erzielten Einkommen umsetzen. Dies erhöht zwar den Unterhaltsanspruch, ändert aber nichts an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen. Säumige Unterhaltspflichtige haben häufig weitere Schulden und gehen in die Privatinsolvenz, sodass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mangels pfändbaren Einkommen bzw. pfändbarer Habe erfolglos bleiben. Dennoch ist festzustellen, dass die Rückholquote in der Mehrheit der Bezirke gestiegen ist. Zu den maßgeblichen Ursachen für die unterschiedlichen Rückholquoten der Berliner Jugendämter liegen der für Jugend und Familie zuständigen Senatsverwaltung keine hinreichend validen empirischen Erhebungen und Analysen vor. 5. Was ändert sich mit der Reform zum Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) ab dem 1.7.2017 im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren? 6. Wie viele Kinder und Jugendliche werden durch die Reform im Land Berlin neu bezugsberechtigt sein, und um welche prozentuale Steigerung handelt es sich dabei zu den Vorjahreszahlen? Zu 5. und 6.: Die geplante Ausweitung des UVG zum 01. Juli 2017 sieht vor, dass Unterhaltsvorschuss (UV) künftig statt für maximal sechs dann für 18 Jahre bezogen werden kann. Dies wird bundesweit zu einem erheblichen Anstieg der Fallzahlen führen. Die bisherigen Voraussetzungen zum Bezug der Leistungen bleiben erhalten. Darüber hinaus erhalten Kinder ab zwölf Jahren Unterhaltsvorschuss, wenn sie nicht hilfebedürftig nach dem SGB II sind oder die Hilfebedürftigkeit zusammen mit den Unterhaltsleistungen vermieden wird oder der - - 4 betreuende Elternteil im Bezug von Leistungen nach dem SGB II über ein Einkommen von mindestens 600 Euro brutto monatlich verfügt. In 2016 haben rund 27.000 Kinder in Berlin jährlich Vorschussleistungen bezogen. Bei Ausweitung des Gesetzes könnte es nach Auswertung der Jahresstatistiken zum UVG in der ersten Altersstufe zu keinem, allein in der zweiten Altersstufe jedoch zu einem Fallzahlenanstieg von rund 9.000 Fällen kommen. Hier wirkt sich der Wegfall der bisherigen Höchstbezugsdauer von sechs Jahren unmittelbar aus. Die ab dem zweiten Halbjahr 2011 eingestellten Fälle könnten dann durch erneute Antragstellung wieder aufleben. In den Jahren 2011 bis 2016 wurden jährlich rund 3.000 Fälle wegen Erreichens der derzeitigen Höchstbezugsdauer eingestellt. Bei Annahme einer gleichmäßigen Verteilung dieser Fälle auf die Altersgruppen sechs, sieben, acht, neun, zehn und elf Jahre und Halbjahr ergäben sich 250 Fälle pro Halbjahr und Altersgruppe. Im Ergebnis könnten mit rund 36.000 anspruchsberechtigten Kindern in der ersten und zweiten Altersstufe gerechnet werden. Bisher konnten ab dem zwölften Lebensjahr keine UV-Leistungen mehr gewährt werden. Mit der geplanten Ausweitung des UVG wird künftig ein Bezug bis zum Erreichen der Volljährigkeit ermöglicht. Da diese neue dritte Altersstufe statistisch bisher nicht erfasst wurde, können nur hilfsweise Daten für eine Schätzung der möglichen Fallzahlensteigerung herangezogen werden. Prognostisch könnte hier (Stand Ende Mai 2017) mit rund 8.200 anspruchsberechtigten Kindern ab dem zwölften Lebensjahr gerechnet werden. Dies entspräche insgesamt einer jährlichen Gesamtfallzahl von rund 44.200 Kindern und damit einer Steigerung um 64 Prozent. 7. Welche finanziellen Mehrbelastungen, verursacht durch die Umsetzung der Reform, werden auf das Land Berlin zukommen? (Bitte aufsplitten in geschätzte Kosten für den reinen Unterhaltsvorschuss an die Berechtigten einerseits, die neu hinzukommenden Organisations- und Sachkosten andererseits, sowie die steigenden Personalkosten.) 8. Wie sieht die derzeitige Ausstattung der Bezirksämter mit Personal aus, und wie viele neue Stellen müssen für die Bewältigung der neu anfallenden Aufgaben geschaffen werden? (Bitte Ist-Stand der einzelnen Bezirke dem Soll-Stand gegenüberstellen.) 9. Hält der Senat die Bezirksämter für diese Aufgaben – auch angesichts des Fachkräftemangels und der Überalterung des Personals – für gut vorbereitet und gut gerüstet? 10. Geht der Senat von steigenden Unterhaltsrückständen durch die Reform aus und wie hoch schätzt er diese? Welche Gefahren sieht der Senat, dass dadurch dauerhafte Mehrbelastungen für den Landeshaushalt erwachsen? Welchen Umfang könnten diese dauerhaften Mehrbelastungen annehmen? Zu 7. bis 10.: Die Leistungen nach dem UVG sind im Wege des Haushaltsvollzuges sicherzustellen. Soweit es zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits abschätzbar ist, werden Mehrbelastungen im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2018-2019 berücksichtigt. Die Wahrnehmung der Aufgaben bei der Durchführung und dem Vollzug des UVG in den Unterhaltsvorschussstellen, den Bereichen der Kosteneinziehung und der kindschaftsrechtlichen Beratung und Vertretung obliegt der Verantwortung der Bezirke. Um die Bearbeitung des zu erwartenden Fallzahlenaufwuchses sicherstellen zu können, konnten die Bezirke bereits im Vorgriff auf das Gesetz seit Februar zunächst drei Vollzeit- - - 5 äquivalente mit der Wertigkeit E 9 für das Aufgabenfeld Unterhaltsvorschuss ausschreiben und unbefristet besetzen. Berlin, den 23. Juni 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-11535 S18-11535 S18-11535a S18-11535