Drucksache 18 / 11 548 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten June Tomiak (GRÜNE) vom 02. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juni 2017) zum Thema: Ultrà-krasse Hooligans in Berlin und Antwort vom 23. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Jun. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete June Tomiak (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11548 vom 02. Juni 2017 über Ultrà-krasse Hooligans in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich das Personenpotential der Ultrà- und Hooliganszene in Berlin seit 2014 entwickelt? Zu 1.: Das personelle Potential der Ultra- und Hooliganszene in Berlin ist seit 2014 relativ stabil geblieben. Saison Berlin gesamt Hertha BSC 1. FC Union BFC Dynamo Tennis Borussia EHC Eisbären Kat. B Kat. C Kat. B Kat. C Kat. B Kat. C Kat. B Kat. C Kat. B Kat. C Kat. B Kat. C 2013/2014 1.140 240 400 80 350 50 370 110 0 0 20 0 2014/2015 1.160 220 400 60 350 50 400 110 10 0 0 0 2015/2016 1.160 230 400 70 350 50 400 110 10 0 0 0 Quelle: Arbeitsdatei „Szenekunde Sport“ (Kat. = Kategorie) 2. Wird in den einschlägigen Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden zwischen Ultràs und Hooligans unterschieden? Wenn ja, nach welcher Kriterien erfolgt die Kategorisierung? Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Eine derartige Differenzierung findet in den Datenbanken der Polizei Berlin keine Anwendung. Für das polizeiliche Einsatzgeschehen ist die Bewertung „gewaltbereit“ (= Kat. B) bzw. „gewaltsuchend“ (= Kat. C) ausschlaggebend. Im Bundesmaßstab betrachtet sind die Ultraszenen sehr heterogen zusammengesetzt. So finden sich innerhalb der verschiedenen Ultragruppierungen einzelner Vereine mitunter solche mit einem hohen Anteil friedlicher Fans (= Kat. A), genau wie Vereine mit Ultragruppen, in denen sich fast ausschließlich gewaltbereite und -suchende Fans finden. Insofern wäre eine Erfassung als „Ultra“ nicht aussagekräftig. Seite 2 von 5 Die Begrifflichkeit „Hooligan“ impliziert hingegen eine Bewertung als grundsätzlich „gewaltsuchend“, wird aber in den polizeilichen Datenbanken nicht verwendet, weil auch Angehörige von Ultraszenen so eingeschätzt werden können. 3. Wie viele gewaltbereite (Kategorie B) und gewaltsuchende (Kategorie C) Fans sind für Berlin in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport“ bzw. in der Landesdatei „Sportgewalt Berlin“ verzeichnet? 4. Sind Ultràs in den Kategorien A oder C verzeichnet? Wenn ja, wie viele Personen in welcher Kategorie? Zu 3. und 4.: Es wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitsdatei „Sportgewalt Berlin“ Anfang diesen Jahres auf der Grundlage einer aktualisierten Errichtungsanordnung in die Arbeitsdatei „Szenekunde Sport“ migriert wurde. In dieser Datei werden auch Informationen über die Zugehörigkeit von Personen zu einer Fankategorie (Kat B. oder Kat. C) gespeichert. Eine Speicherung von Personendaten von Personen der Kat. A findet nicht statt. Mit Stand 1. Juni 2017 wurden in Berlin insgesamt 1.043 Personen der Kat. B und 211 Personen der Kat. C. zugerechnet und so in der Datei „Szenekunde Sport“ gespeichert. Bei der Erfassung von Personen als „Gewalttäter Sport“ in der Verbunddatei „INPOL“ erfolgt keine Differenzierung nach Kat. B oder C. 5. Wie viele der unter Frage 2 genannten Personen sind der rechtsextremen Szene Berlin zuzuordnen? Bitte jeweils nach Vereinszugehörigkeit aufschlüsseln. Bitte Ziffern nutzen. 6. Wie viele dieser Personen sind derzeit in als rechtsextrem, oder dezidiert asyl- oder fremdenfeindlich klassifizierbaren Parteien, Initiativen oder Organisationen organisiert? Bitte Ziffern nutzen. Zu 5. und 6.: Informationen zur politischen Orientierung sowie über Zugehörigkeiten zu Parteien und Organisationen sind in der Arbeitsdatei „Szenekunde Sport“ nicht gespeichert. 7. Sind dem Senat Kooperationen der Berliner Hooliganszene mit rechtsextremen Organisationen oder Initiativen bekannt? Bitte aufschlüsseln nach Verbindung, regional/überregional, Themenfeld der kooperierenden Organisationen. Zu 7.: Angehörige des rechtsextremistischen Netzwerks „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und die muslimenfeindliche „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ kooperierten in der Vergangenheit. HoGeSa stellte im Jahr 2016 zum Beispiel teilweise Ordner für die rechtsextremistischen „Merkel muss weg“-Demonstrationen. 8. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Aktivitäten rechter Hooligans in Berlin a) im Sicherheitsgewerbe? b) in der kriminellen Rockerszene? c) in der organisierten Kriminalität? Zu 8. a): Das Wesen der gesamten sogenannten „Hooligan- oder gewalttätigen Ultraszene“ besteht in der Anwendung körperlicher Gewalt und damit zumindest teilweise auch im Erwerb diesbezüglicher Reputationen. Es ist zu beobachten, dass mitunter versucht wird, diese Fähigkeiten und Reputationen auch und insbesondere im Sicherheitsgewerbe zu kapitalisieren. Seite 3 von 5 Es können auch Personen der Kat. C bei Sicherheitsdienstleistern festgestellt werden, was auch für Angehörige des HoGeSa-Netzwerks aus Berlin gilt. zu 8. b): Einzelpersonen der Kat. C haben zum Teil enge wechselseitige Beziehungen in den Bereich krimineller Rockervereinigungen. zu 8. c): Einzelpersonen der Kat. C wurden in der Vergangenheit wegen Delikten der organisierten Kriminalität (Drogenhandel) strafrechtlich verfolgt und auch verurteilt. 9. Inwieweit hat der Senat Kenntnis, ob rechte Hooligans, die in Berlin wohnhaft oder aktiv sind, waffenrechtliche Erlaubnisse besitzen? Zu 9.: In sehr geringem Umfang gibt es bekannte Personen, die dem Berliner HoGeSa- Spektrum angehören und die einen kleinen Waffenschein besitzen. 10. Welche Maßnahmen hat der Senat seit 2014 zur Bekämpfung rechtsextremer Bestrebungen in der Fußballszene ergriffen, welche Initiativen gefördert? Zu 10.: Die aktive Berliner Fanszene ist vereinsübergreifend überwiegend unpolitisch. In den zurückliegenden Jahren, auch über 2014 hinaus, sind lediglich vereinzelt Hinweise auf Bezüge zum rechtsextremistischen HoGeSa-Spektrum in den Berliner Fußballszenen bekannt geworden. Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt hat im Jahr 2014 zum Thema Diversity und Vielfalt im Amateurfußball ein Projekt in Trägerschaft des Berliner Fußballverbands (BFV) e.V. gefördert, bei dem neben der Zielgruppe der 14- bis unter 18- Jährigen die Arbeit mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Fokus stand. Das Projekt richtet sich an Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer, jugendliche Fußballspielerinnen und Fußballspieler sowie Eltern der Berliner Fußballvereine. Zentrale Ziele sind die Förderung kultureller Vielfalt im Fußball, die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sowie die Stärkung des sozialen Miteinanders. Zu den Modulen des Projektes zählte 2014 u.a. das Zweite Berliner Fußballfest-für Toleranz und Fairplay, welches neben diversen Mit-Mach-Aktionen für Kinder und Jugendliche auch über gewaltpräventive Projekte des Berliner Fußball Verbands (BFV) und dessen Partner informiert. Auf dem so genannten Marktplatz war z. B. auch die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) mit einem Informationsstand präsent. Das Modul „Entwicklung eines Kinder- und Jugendführerscheins" umfasst Schulungen für Fußballtrainerinnen und Fußballtrainer zu den Themen Konfliktbearbeitung, Kinderschutz und Suchtprävention. Das Modul „Eltern am Spielfeldrand-Umgang, Steuerung und positive Einflussnahme" richtet sich an Eltern von Spielerinnen und Spielern, um sie für ein konstruktives Verhalten am Spielfeldrand zu sensibilisieren. Zudem wird ein Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern der Berliner Polizei, des BFV und einzelner Vereine durchgeführt. Darin werden u.a. die erzieherische Funktion des Fußballs und Möglichkeiten der Gewaltprävention durch Jugendtrainerinnen und Jugendtrainer thematisiert. Das Projekt wurde in den Jahren 2013, 2014 und 2015 umgesetzt Seite 4 von 5 Unabhängig davon wurden durch die Berliner Vereine entsprechende bundesweite Initiativen der Verbände auch in Berlin betrieben. 11. Inwieweit sind im Vorfeld oder während der Europameisterschaft 2014 und der Weltmeisterschaft 2016 sowie während der Bundesligasaisons 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 Gefahrenabwehrmaßnahmen wie beispielsweise Gefährderansprachen, Meldeauflagen, Ausreiseverbote, Pass- oder Personalausweisbeschränkungen gegen Angehörige der Berliner Hooliganszene durchgeführt bzw. veranlasst worden? Bitte vollständig auflisten, kontextualisieren und aufschlüsseln nach Zeitraum, Art der Maßnahmen, Anzahl betroffener Personen und Vereinszugehörigkeit. Zu 11.: Der Beantwortung vorangestellt wird der Hinweis, dass sich Aufenthaltsverbotsverfügungen im Berliner Stadtgebiet für die Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit gewalttätigen Fußballfans als ungeeignet erwiesen haben. Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien wurden durch die Polizei Berlin keine gefahrenabwehrenden Maßnahmen gegen Personen durchgeführt, die in der damaligen Datei „Sportgewalt Berlin“ gespeichert waren, da aufgrund der großen Entfernung und der erheblichen Reisekosten davon ausgegangen werden konnte, dass keine nennenswerte Anzahl Berliner Problemfans nach Brasilien reisen wird. Zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich wurden im Vorfeld durch das zuständige Fachkommissariat des Landeskriminalamtes (LKA) insgesamt 22 sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt (8x Hertha BSC, 7x 1.FC Union, 7x BFC Dynamo). Aufgrund der auf Kalenderjahre bezogenen Recherchemöglichkeiten wird abweichend von der Fragestellung („Bundesligasaisons“) wie folgt geantwortet: 2014 wurden insgesamt 46 Gefährderansprachen durchgeführt (27x Hertha BSC, 15x 1.FC Union, 4x BFC Dynamo). Darüber hinaus erfolgten neun Meldeauflagen (9x Hertha BSC) und acht Aufenthaltsverbotsverfügungen (8x Hertha BSC). 2015 wurden insgesamt 18 Gefährderansprachen durchgeführt (7x Hertha BSC, 3x 1.FC Union Berlin, 4x BFC Dynamo, 4x auswärtige Vereine). 2016 wurden insgesamt 27 Gefährderansprachen (einschließlich der oben genannten zur EM 2016) durchgeführt (10x Hertha BSC, 10x 1.FC Union, 7x BFC). 2017 wurden bislang (Stand: Anfang Juni) insgesamt 48 Gefährderansprachen durchgeführt (36x Hertha BSC, 11x 1.FC Union, 1x auswärtiger Verein). 12. Welche neuen Erkenntnisse hat der Senat bezüglich der in der Anfrage des Kollegen Taş zur Auseinandersetzung zwischen Fans von Hertha BSC und Eintracht Frankfurt gestellten Fragen (Drucksache 18/10609)? Zu 12.: Die Fragen des Abgeordneten Taş wurden bis auf die Frage 12b abschließend beantwortet. Zur Frage 12b der Drucksache 18/10609 (Zu wie vielen Neueintragungen oder Eintragsänderungen in den Dateien Sportgewalt Berlin und/oder Gewalttäter Sport Seite 5 von 5 kam es? Wurden die Betroffenen hierüber bereits informiert?) wurde auf die noch andauernde Prüfung durch die Polizei Berlin verwiesen. Diese Prüfung dauert aufgrund des sehr unübersichtlichen Handlungsgeschehens und der Vielzahl beteiligter Personen weiter an. Für die möglichst valide Bewertung jeder einzelnen in Betracht kommenden Person wird der weitere Fortgang der strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten sein. 13. Welche aktuellen Treffpunkte rechter Hooligans in Berlin sind dem Senat bekannt? Als Treffpunkt bezeichnet man räumlich eingegrenzte Orte, die auch, nicht aber zwingend ausschließlich von Szeneangehörigen zum Zwecke der Kommunikation, Koordination o.ä. frequentiert werden. Bitte auflisten. Zu 13.: Es ist zumindest ein Objekt im Osten Berlins bekannt, in dem Personen der rechtsextremen Szene, die zum Teil auch der HoGeSa-Szene zuzurechnen sind, zumindest gelegentlich verkehren. 14. Gibt es innerhalb der Strafverfolgungsbehörden eine spezielle Ermittlungsgruppe, der alle Strafverfahren gegen rechte Hooligans zugeordnet werden? Inwieweit werden die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes bei strafrechtlichen Ermittlungen gegen rechte Hooligans einbezogen? Zu 14.: Bei der Polizei Berlin werden Straftaten, die im Zusammenhang mit Sportereignissen durch Angehörige von Fangruppierungen begangen werden, zentral beim LKA 64 (Operative Dienste – Sportgewalt) bearbeitet. Sollte eine deliktische Spezialzuständigkeit des für Politisch motivierte Kriminalität - rechts zuständigen Dezernates des Polizeilichen Staatsschutzes im LKA Berlin bestehen, erfolgt die weitere Bearbeitung dort. Die Bearbeitung wird im Zweifelsfall mit dem Ziel der größtmöglichen Erfolgsaussicht, aber auch unter Effizienzerwägungen, zwischen den genannten Dienststellen abgestimmt. In jedem Falle wird der gegenseitige Informationsaustausch gewährleistet. 15. Welche Drohungen und Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf a) denselben Verein unterstützende b) den gegnerischen Verein unterstützende antirassistische/antifaschistische Ultras und Fangruppen sind dem Senat seit 2014 bekannt geworden? Bitte einzeln nach Vorkommnis, Datum, Verein, Hooligan- und Ultràgruppe aufschlüsseln. Zu 15., a), b): Derartige politisch motivierte Drohungen oder Übergriffe sind nicht bekannt. Berlin, den 23. Juni 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11548 S18-11548