Drucksache 18 / 11 553 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 08. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Juni 2017) zum Thema: Leistungen an Kindertagesstätten ohne Gegenleistung? II und Antwort vom 23. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11 553 vom 8. Juni 2017 über Leistungen an Kindertagesstätten ohne Gegenleistung? II _______________________________________________________________________ Vorbemerkung des Fragestellers: Die Senatsverwaltung für Bildung hat meine konkreten Fragen zur Anfrage 18/11147 nicht konkret beantwortet, sondern lediglich allgemeine Ausführungen vorgetragen, nach denen nicht gefragt wurde. Die Antwort auf eine Anfrage muss nach bestem Wissen vollständig sein. Vollständig ist die Antwort , wenn alle Informationen, über die der Senat verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden, d.h. nichts, was bekannt ist oder was mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden können, verschwiegen wird. Nicht vollständig ist auch eine ausweichende Antwort, vgl. StGH Nds vom 25.11.1997 zu StGH 1/97. Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist das Fragerecht dazu bestimmt und geeignet, ein strukturelles Wissensdefizit des Parlaments, insbesondere der Opposition, auszugleichen. Das Fragerecht ist in seiner Kontrollfunktion wichtiger Teil des politischen Diskurses und sichert parlamentarischen Minderheiten die Chance, mit einem fundierten Diskurs bei zukünftigen parlamentarischen Wahlen die Mehrheit zu erringen, vgl. Kirschniok-Schmidt; Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der Brandenburgischen Landesverfassung, 2010, S. 58). Dabei kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>) Da die Senatsverwaltung für Bildung gegenüber dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses behauptet hat, die Prüfung der Personalausstattung erfolge jährlich stichtagsbezogen und Hinweisen über Personalminderausstattungen werde einrichtungsbezogen nachgegangen, ist der Senat sehr wohl in der Lage, meine Anfrage im Sinne der Verfassung von Berlin vollständig zu beantworten . Dies klarstellend vorausgeschickt, frage ich den Senat erneut: - - 2 1) Trifft es zu, dass im Zusammenhang mit KiTa-Gutscheinen Betreibern von Kindertagesstätten finanzielle Mittel für (pädagogisches) Personal zur Verfügung gestellt worden sind, dieses Personal aber teilweise über Monate nicht bzw. nicht in ausreichender Zahl vorhanden war? 2) Wie viele Kindertagesstätten haben seit dem Jahr 2011 demnach ohne Rechtsgrund Mittel erhalten und wie hoch war/ist der jährliche Schaden für das Land Berlin? 3) Für wie viele Mannmonate wurden insgesamt seit dem Jahr 2011 Mittel über die KiTa- Gutscheine erbracht, ohne dass ausreichendes Personal vorhanden war? 4) Haben die Betreiber der Kindertagesstätten nach dem Bekanntwerden dieser Fälle die zu viel erhaltenen Mittel zurückgezahlt? Hat der Senat dies eingefordert? Falls ja, mit welchem finanziellen Erfolg? Falls nein, warum nicht? 5) Hat der Senat die strafrechtliche Bedeutung dieses Sachverhalts, insbesondere das Vorliegen von Straftaten nach §§ 263, 266 StGB geprüft oder durch die Staatsanwaltschaft Berlin prüfen lassen ? Mit welchem Ergebnis? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Zu 1.bis 5.: Im Land Berlin wird eine platz- und kindbezogene Finanzierung zur Förderung von Tageseinrichtungen auf der Grundlage einer landesweiten Leistungsvereinbarung (Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen, kurz RV Tag) praktiziert. Die Finanzierung der Betriebskosten (Personal- und Sachkosten) erfolgt dabei für das jeweilige betreute Kind in Abhängigkeit vom Alter und der Dauer des in Anspruch genommenen Platzes nach differenzierten Kostensätzen. Unter Einbeziehung einer Eigenleistung der Träger werden 93 Prozent der Kostensätze erstattet (inkl. der Elternkostenbeiträge nach dem Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz -TKBG). Neben den Kostensätzen sind im Kostenblatt der RV Tag auch die Stellenanteile je Kind (differenziert nach Alter und Betreuungsumfang) in Anlehnung an die in § 11 Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) definierte Personalausstattung konkretisiert. Mit Hilfe dieser Stellenanteile sowie der erfassten Betreuungsverträge lässt sich der pädagogische Personalbedarf in den Kindertageseinrichtungen ermitteln. Ergänzend zu anlassbezogenen Prüfungen erhebt die für Jugend zuständige Senatsverwaltung gemäß der Meldepflichten nach § 47 Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) im Rahmen einer Stichtagsmeldung zum 15. März einmal jährlich schriftlich das Personal-Ist in allen finanzierten Kindertageseinrichtungen. Darüber hinaus sind die Träger verpflichtet, auch unterjährige Personaländerungen gemäß § 47 SGB VIII zu melden. Wie bereits im Rahmen der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 18/11 147 ausgeführt, wertet der Senat zurzeit die zum Erhebungsstichtag 15. März 2017 eingegangenen Meldungen der Träger zum Ist-Stand des Personals auf der Ebene der Einzeleinrichtung aus. Diese Auswertung hat einen erheblichen zeitlichen Aufwand zur Folge, da jeweils ein manueller Abgleich zwischen Belegung und Personal-Ist zum Stichtag erfolgen muss. Bezogen auf die Vorjahre wurden in der Regel nur stichproben- sowie anlassbezogene Auswertungen der nach § 47 SGB VIII erhobenen Daten vorgenommen, aus denen sich keine trägerübergreifende Gesamtauswertung für Berlin herleiten lässt. Bei unterjährigen anlassbezogenen Prüfungen werden von der Kita-Aufsicht jeweils aktuelle Personalgesamtmeldungen für die Einrichtung angefordert und geprüft. Diese Prüfungen beziehen sich - - 3 ebenfalls nur auf die Einzeleinrichtungen und nicht den gesamten Träger. Hierbei steht stets der Schutz der Kinder in den Einrichtungen im Vordergrund. Das Verfahren kann nur standortbezogen durchgeführt, da die Betriebserlaubnisse für den jeweiligen Standort erteilt werden. Qualitative, quantitative und strukturelle Weiterentwicklungen des gesamten Kita-Systems haben erkennen lassen, dass auch an das Thema „Personal in Tageseinrichtungen“ neue Anforderungen gestellt werden. Aus diesem Grund wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um die Einführungen eines IT-gestützten Personalmoduls im Jahr 2018 zu ermöglichen. Zusätzliche detailliertere Ausführungen zu diesem Punkt der Anfrage sind daher aktuell nicht möglich. Die Träger sind rechtlich sowohl über das KitaFöG als auch nach der Kindertagesförderungsverordnung (VO KitaFöG) verpflichtet, den dort festgelegten Personalstandard einzuhalten . Selbstverständlich kann es zu nicht planbaren Stellenvakanzen im Kitaalltag kommen. In diesem Fall ist der betroffene Träger verpflichtet, unverzüglich alles ihm Mögliche zu unternehmen, um eine schnelle Besetzung freier Stellen zu erreichen. Die Träger sind dagegen nicht angehalten, in der Zwischenzeit bereits belegte Kita-Plätze gegenüber den Familien zu kündigen, um auf diesem Wege eine temporäre und unverschuldete Unterschreitung der Personalquote auszugleichen. Dies wäre auch nicht im Interesse des Landes Berlin. Somit stellt der Träger die Betreuung des Kindes gemäß des mit den Eltern geschlossenen und mit Gutschein bestätigten Bedarfs weiter sicher und es werden daher nicht „ohne Rechtsgrund“ weiter Mittel an den Träger überwiesen. Fälle, in denen Träger bewusst und rechtwidrig Personalvakanzen nicht nachbesetzt haben , um Personalausgaben zu sparen, sind der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBildJugFam) nicht bekannt und daher auch keine Mittel zurückgefordert worden . Dennoch ist die SenBildJugFam - auch zur Erfüllung eines Auftrages des Hauptausschusses - dabei eine IT-gestützte, möglichst konkrete und trägerbezogene Übersicht bezogen auf das vorhandene Personal zu erhalten. Hierzu hat der Senat im Jahr 2016 im Rahmen des Haushaltsumsetzungsgesetzes die rechtlichen Voraussetzungen für eine elektronische Unterstützung des Personalmeldeverfahrens von Kindertageseinrichtungen geschaffen. Dieses soll zugleich zur Erfüllung der Mitteilungspflichten nach § 47 SGB VIII sowie der Pflichten nach § 99 SGB VIII genutzt werden. Zudem soll es zur Umsetzung des im Zusammenhang mit der Personalverbesserung geforderten trägerbezogenen Nachweisverfahrens genutzt werden. Dieses IT-Personalmeldesystem kann nach derzeitigem Stand voraussichtlich Anfang 2018 bereitgestellt und flächendeckend eingeführt werden. Berlin, den 23. Juni 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-11553 S18-11553