Drucksache 18 / 11 593 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 14. Juni 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2017) zum Thema: Kriminalitätsbelastete Orte in Berlin – Was hat die Polizei zu verbergen? und Antwort vom 06. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juli 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11593 vom 14. Juni 2017 über Kriminalitätsbelastete Orte in Berlin – Was hat die Polizei zu verbergen? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orte“ (kbO) gemäß § 21 Abs. 2 Allgemeines Sicherheits - und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG Bln) gibt es derzeit (Stand: 15. Juni 2017), an denen die Polizei die Befugnis zur verdachtsunabhängigen Kontrolle, zur Identitätsfeststellung und zu allen weiteren Maßnahmen hat, die zur Durchsetzung einer Identitätsfeststellung notwendig sind? Zu 1.: Mit Stand 15. Juni 2017 sind folgende Orte als kriminalitätsbelastet im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 1 a) [aa] ASOG Bln eingestuft: • Alexanderplatz • Leopoldplatz • Kleiner Tiergarten • Schöneberg-Nord im Bereich Nollendorfplatz und Teile des sog. „Regenbogenkiezes “ • Görlitzer Park • Hermannplatz • Teile der Hermannstraße • Kleiner Bereich der Rigaer Straße • Warschauer Brücke • Kottbusser Tor. 2. Wie haben sich die kbO jeweils in den Jahren seit 2007 straßen- und hausnummerngenau verändert und welche kbO sind aus welchen genauen Gründen zusätzlich definiert worden? a. welche kbO sind aus welchen genauen Gründen zusätzlich definiert worden? b. welche kbO sind aus welchen genauen Gründen aufgehoben worden? c. welche kbO sind aus welchen genauen Gründen jeweils wie verändert worden? Seite 2 von 3 d. wie viele Vorlagen welcher Polizeidirektionen auf Festlegung eines kbO wurden jeweils in den Jahren von 2007 bis jetzt negativ beschieden worden und warum (bitte eine detaillierte Einzelauflistung nach straßengenau bezeichneten Orten bzw. Straßenzügen und Jahr)? Zu 2. a. – d.: Der Senat hat die bestehenden kriminalitätsbelasteten Orte (kbO) bekanntgegeben. Die räumlichen Grenzen der kriminalitätsbelasteten Orte werden aus einsatztaktischen Gründen der Polizei Berlin nicht veröffentlicht. Grundsätzlich orientieren sich die räumlichen Grenzen an der aktuellen Kriminalitätslage. Bei Bedarf werden zusätzliche kriminalitätsbelastete Orte definiert, aufgehoben bzw. verändert. Im Zeitraum von 2007 bis 2015 wurden der Behördenleitung durch die örtlichen Direktionen keine kriminalitätsbelasteten Orte vorgelegt, so dass keine negativen Bescheide ergingen. Im Rahmen des 2016 neu eingeführten Verfahrens zur Festlegung von kriminalitätsbelasteten Orten erfolgt vor der Vorlage von Vorgängen bei der Behördenleitung eine Abstimmung zwischen den beteiligten Dienstbereichen. Hierzu erfolgt keine statistische Erfassung. 3. Welche polizeilichen Maßnahmen nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1 (Identitätsfeststellung), § 34 Abs. 2 Nr. 2 (Durchsuchung von Personen) und § 35 Abs. 2 Nr. 2 ASOG Bln (Durchsuchung von Sachen) wurden an den unter 1. genannten kbO jeweils wie oft seit Beginn des Jahres 2012 bis jetzt durchgeführt (bitte eine detaillierte Einzelauflistung nach jeweiliger Maßnahme, Ort und Direktion)? Zu 3.: Bei der Anlage von Vorgängen aus Anlass oder unter Nutzung von Identitätsfeststellungen wird im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) die Befugnisnorm nicht zwingend automatisiert erfasst. Dies gilt auch für die Durchsuchung von Personen und Sachen nach den in Frage 3 genannten Rechtsnormen. 4. Welche Straftaten wurden seit Beginn des Jahres 2012 bis jetzt an den unter 1. genannten kbO wie oft und wie jeweils begangen (bitte eine detaillierte Einzelaufschlüsselung nach Jahr, Straftat, Häufigkeit, Begehungs- weise und Schwere sowie Ort und Direktion)? Zu 4.: Eine retrograde Abfrage und Betrachtung der Fallzahlbelastung vergangener Jahre ist aus technischen Gründen nicht valide möglich. 5. Aus welchen genauen Gründen hat die Polizei die kbO nach § 21 Abs. 2 ASOG Bln. nicht unter Angabe der räumlichen Grenzen veröffentlicht? Zu 5.: Bei einer Veröffentlichung der Grenzen würde polizeiliches und vor allem auch taktisches Wissen zur Kriminalitätsbekämpfung an potentielle Täterinnen und Täter übermittelt. Gerade bei einer Veröffentlichung von Grenzen könnten die polizeilichen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Durchsuchung von Personen und Sachen ins Leere laufen, weil es für potentielle Täterkreise ein Leichtes wäre, durch einen buchstäblichen „Schritt zur Seite“ zu bestimmen, ob eine verdachtsunabhängige Identitätsfeststellung bzw. Durchsuchung durchgeführt werden dürfte oder nicht. Dabei ist vor allem ein Umstand bedeutsam: Kriminalitätsbelastete Orte werden nicht eingerichtet, um Bagatellkriminalität zu bekämpfen. § 21 Abs. 2 Nr. 1 a) [aa] ASOG Bln fordert für die Einrichtung eines kriminalitätsbelasteten Ortes Straftaten von erheblicher Bedeutung (i.S.d. § 17 ASOG Bln). Hierzu zählen beispielsweise die gewerbs - bzw. bandenmäßige Betäubungsmittelkriminalität, gefährliche oder schwere Körperverletzungen, Tötungsdelikte, Raubtaten, Brandstiftungen oder schwerere Se- Seite 3 von 3 xualstraftaten wie z.B. Vergewaltigungen. Diese Straftaten beeinträchtigen nicht nur das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in erheblichem Maße, sondern insbesondere das Leben der Opfer dieser Straftaten. 6. Inwieweit hat die Polizei in der Vergangenheit in bestimmten als kbO definierten Gebieten Verlagerungseffekte bestimmter Straftaten in andere Stadtbereiche beobachten können? Zu 6.: Eine Dauerpräsenz der Polizei Berlin an einem festen Ort kann ganz generell zu Verdrängungseffekten führen. 7. Wird die Entscheidung der Polizei über eine Neudefinition, die Aufhebung und die Veränderung eines „kriminalitätsbelasteten Ortes“ in Zukunft jeweils stets unverzüglich veröffentlicht werden und wenn ja, in welcher genauen Form? Zu 7.: Auf der Internetpräsenz der Polizei Berlin werden die kriminalitätsbelasteten Orte veröffentlicht und darüber hinaus durch eine interne und externe Öffentlichkeitsarbeit bekanntgegeben. Die gelisteten kriminalitätsbelasteten Orte werden bei Veränderungen aktualisiert. 8. Wird den betroffenen Personen bei einer Maßnahme nach § 21 Abs. 2 ASOG Bln die Rechtsgrundlage und der Grund für die Maßnahme genannt bzw. auf den Umstand hingewiesen, dass es sich um eine verdachtsunabhängige Kontrolle handelt? Zu 8.: Vor Beginn der Kontrollmaßnahmen sind den betroffenen Personen die Grundlage der Identitätsfeststellung und die Zielsetzung der Maßnahmen (Identitätsfeststellung/ Durchsuchung) darzustellen. Berlin, den 6. Juli 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11593 S18-11593