Drucksache 18 / 11 719 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm, Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 05. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juli 2017) zum Thema: Polizeieinsatz zur Räumung in der Friedelstr. 54 (V): Türknauf des Todes!? Polizeiliche Kommunikation in den sozialen Medien und Antwort vom 19. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jul. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE), Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11 719 vom 05. Juli 2017 über Polizeieinsatz zur Räumung in der Friedelstr. 54 (V): Türknauf des Todes!? Polizeiliche Kommunikation in den sozialen Medien ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in der Friedelstr. 54 am 29.06.2017 Lebensgefahr für eingesetzte Dienstkräfte wegen eines unter Strom gesetzten Türknaufs? 2. Warum wurde die Behauptung, es bestünde Lebensgefahr wegen eines unter Strom stehenden Türknaufs von der Berliner Polizei über den Twitter-Account @PolizeiBerlin_E verbreitet, obwohl diese Behauptung zum betreffenden Zeitpunkt weder nachgewiesen noch näher überprüft war? Zu 1. und 2.: Die Einsatzkräfte der Technischen Einsatzeinheit (TEE) stellten an einer Kellertür im Innenhof ein eingeklemmtes Stromkabel und eine auf dem Podest stehende Kabeltrommel fest (10:40 Uhr). Über einen handelsüblichen, zweipoligen Spannungsprüfer wurde das Anliegen einer elektrischen Spannung am Metallgriff der Tür angezeigt. Vorsorglich, zum Schutz vor körperlichen Schäden, wurde die Hausversorgung gesperrt. Eine beauftragte Fachfirma des Netzbetreibers wurde zur Überprüfung angefordert (10:49 Uhr). Zum Zeitpunkt der Feststellung war die Quelle der Spannung unklar. Eine Manipulation am Türgriff war demnach möglich. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass das unter der Tür liegende Kabel nicht manipulativ mit der Tür, respektive dem Metallgriff der Tür verbunden war. Zum Zeitpunkt der Feststellung des vermeintlich unter Strom liegenden Türknaufs konnte eine Lebensgefahr für die eingesetzten Kräfte nicht ausgeschlossen werden. 3. Wenn von den Einsatzkräften der Polizei die Spannung am Türknauf gemessen wurde, wie hoch war diese? Welche Stromstärke wurde gemessen? Zu 3.: Im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen wurde mit einem Spannungsprüfer eine Messung an der Kabeltrommel auf dem Kellerpodest durchgeführt. Diese Messung hatte eine konstante 230 Volt Spannung ergeben. Anschließend wurde mit dem Seite 2 von 5 Spannungsprüfer geprüft, ob am Türknauf des Kellerzugangs ebenfalls Spannung anlag. Auch hier hat das Gerät eine Spannung von bis zu 230 Volt angezeigt, die dann jedoch wieder abfiel. Durch diese unklaren Messergebnisse konnte eine Gefährdung der Dienstkräfte nicht ausgeschlossen werden, weshalb der Einsatzhinweis an alle Kräfte erging, dass bei Berührung des Türknaufs Lebensgefahr bestehen könnte. 4. Warum war auf dem von der Berliner Polizei im Tweet vom 29.06.2017 veröffentlichten Foto des Türknaufs kein Stromkabel zu sehen, wenn doch laut Tweet vom 30.06.2017 an der Tür eingeklemmt gewesen sein soll? Zu 4.: Das Foto der Kellertür zeigt den Türknauf mit einem Teil der Tür. Das am Boden eingeklemmte Kabel ist nicht abgebildet. 5. Liegen dem Senat andere Bilder vor, auf denen das oder die Stromkabel zu sehen sind? Zu 5.: Nach Auswertung der vorliegenden Videoaufzeichnungen zu dem hier in Rede stehenden Sachverhalt ist in einer Videosequenz das Eindringen der Polizeidienstkräfte an der betreffenden Tür dokumentiert. In dieser Sequenz ist ein Stromkabel erkennbar. 6. Wurde nach der vorgeblichen Messung der elektrischen Spannung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wenn ja, wegen welcher Deliktvorwürfe und mit welchen polizeilichen Maßnahmen jeweils? Zu 6.: Da sich im Nachhinein herausstellte, dass die Tür nicht manipuliert war, wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. 7. Wurden der Türknauf oder das Stromkabel von der Polizei als Beweismittel gesichert oder aus anderen Gründen entfernt? Zu 7.: Nein. 8. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Verbleib des Türknaufs? Zu 8.: Der Türknauf verblieb an der Tür. 9. Bei wie vielen sonstigen Türen wurde im Zusammenhang mit dem Einsatz in der Friedelstr. 54 vorab die Spannung am Türknauf gemessen und mit welchem Ergebnis? Zu 9.: Durch die eingesetzten Polizeidienstkräfte erfolgten Messungen an vier weiteren Türen bzgl. etwaig vorliegender Stromspannung. Hierbei wurden keine Stromspannungen gemessen. 10. Welcher Untergliederungseinheit der Polizei gehörten die Dienstkräfte an, die die vorgebliche Stromfalle an der Kellertür feststellten? Seite 3 von 5 Zu 10.: Die Dienstkräfte sind Angehörige einer Technischen Einsatzeinheit der Direktion Einsatz. 11. Wie verlief die Informationskette zwischen der Social Media Redaktion der Berliner Polizei und den Polizeidienstkräften vor Ort, die zur Verbreitung dieser Meldung geführt hat? Zu 11.: Die Dienstkräfte des Social Media Managements der Polizei Berlin verfolgen in Einsatzlagen die abgesetzten Lagemeldungen der Einsatzkräfte. Die Tweets sind auf Grundlage der Lagemeldungen und nach Rücksprache mit der Einsatzleitung veröffentlicht worden. Polizeilich gefertigte Fotografien aus dem Einsatzgeschehen wurden teilweise in die Tweets eingebunden. 12. Wie lautete -im Wortlaut- der abgesetzte Funkspruch der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort zum Vorfall der angeblichen Stromfalle an der Kellertür? Zu 12.: Die Meldung über Funk lautete wie folgt: 10:40 Uhr „Hier (Rufname), wir fordern die Feuerwehr an, und zwar haben Kräfte festgestellt, dass am Handlauf bzw. Treppengeländer in dem Eingangsbereich Friedelstr. oder im Objekt Friedelstr. auf dem Weg zum Keller Strom anliegt, kommen.“ „Hier (Rufname), verstanden, Feuerwehr wird angefordert.“ „Ja (Rufname), verstanden.“ 10:47 Uhr „Hier (Rufname), zu Ihrer Anforderung: Feuerwehr wird nicht angefordert - wir fordern Vattenfall an - gerade dabei und Sie erhalten dann Kenntnis, wenn die unterwegs sind.“ 10:48 Uhr „Hier (Rufname) verstanden.“ „(Rufname) von (Rufname) noch ein Zusatz - Anfahrt Vattenfall über Lenaustr. kommen.“ 12:04 Uhr „Hier (Rufname) nochmal Nachfrage bei (Rufname), gemäß (Rufname), es lag kein Strom auf einer Klinke bzw. auf einem Geländer im Objekt, kommen, kein Strom, kommen.“ 12:05 Uhr „Ja, war die Firma Stromnetz schon da?“ „Hier (Rufname), positiv, kommen.“ 13. Welche Abteilung der Berliner Polizei betreibt den Twitter-Account @PolizeiBerlin und @PolizeiBerlin_E? Seite 4 von 5 Zu 13.: Die Social Media Arbeit erfolgt bei der Polizei Berlin zentral aus dem Polizeipräsidium Stab, PPr St IV 23 - Social Media Management. Von dort wird auch der Twitter-Account @PolizeiBerlin betreut. In Einsatzlagen werden Dienstkräfte des PPr St IV 23 der jeweiligen Einsatzleitung unterstellt. Diese betreuen im Rahmen der Einsatzlage den Twitter-Account @PolizeiBerlin_E. 14. Wie viele Personen der Berliner Polizei betreuten am 29.06.2017 im Rahmen des Protestgeschehens rund um die Räumung Friedel 54 des Twitter Account @PolizeiBerlin_E? Zu 14.: Der Twitter Account der Polizei Berlin wurde von zwei Dienstkräften des PPr St IV 23 betreut. 15. Wie und über wen verläuft die Informationskette von Informationen vor Ort des Einsatzes bis schließlich zum veröffentlichten Tweet? 16. Wie verlief die Informationskette bei dem abgesetzten Tweet durch den Twitter-Account @PolizeiBerlin_E, laut dem ein Türknauf unter Strom gesetzt wurde? Zu 15. und 16.: Siehe Antwort zu Frage 11. 17. Mithilfe welcher konkreter Verfahren, dienstlicher Anweisungen, Richtlinien, Vorschriften etc. stellt die Berliner Polizei sicher, dass es sich bei den von ihr über soziale Medien, insbesondere Twitter verbreiteten Meldungen nicht um falsche oder unbestätigte Informationen oder Falschbeschuldigungen handelt? Zu 17.: Die Öffentlichkeitsarbeit, so auch die Social Media Arbeit, der Polizei Berlin basiert grundsätzlich auf vorliegenden Fakten. Im Einsatz sind die Meldungen und die direkte Kommunikation mit der Einsatzleitung Grundlage für das Erstellen von Tweets. 18. Wie bewertet der Senat den hier in Rede stehenden Tweet von @PolizeiBerlin_E und die später erfolgte Korrektur insbesondere im Hinblick auf die Deeskalationsstrategie? Zu 18.: Der Senat bewertet die Nutzung Sozialer Netzwerke bei der polizeilichen Einsatzbewältigung positiv. Bei Twitter handelt es sich um ein Echtzeitmedium, mit dem Informationen aus dem Einsatzgeschehen ohne nennenswerten Zeitverzug der Öffentlichkeit transparent gemacht werden können. Die Transparenz des polizeilichen Einsatzgeschehens dient der Deeskalation. Der in Frage stehende Tweet wurde auf Basis der aktuell vorliegenden Informationen veröffentlicht. Insofern erfolgte die Öffentlichkeitsarbeit über den Kurznachrichtendienst Twitter zu jedem Zeitpunkt faktenbasiert auf Grundlage des aktuellen Sachstandes. Nach Bekanntwerden weiterer Fakten wurde der in Rede stehende Sachverhalt in Form eines weiteren Tweets konkretisiert. 19. Hält der Senat die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu öffentlichen Äußerungen und Beurteilungen durch Verwaltungen für den Betrieb von Social Media Accounts für anwendbar? (Bitte begründen.) 20. Wenn nicht, wie bewertet der Senat, dass die Social Media-Präsenz der Berliner Polizei von dieser genutzt wird, um Tatsachendarstellungen vorzunehmen, die durch eine Ermittlungsarbeit nicht begründet sind? Seite 5 von 5 Zu 19. und 20.: Die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden, wie es durch die Verfassungsund Verwaltungsgerichte konkretisiert wird. Dies gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Berlin unabhängig von dem genutzten Medium. Berlin, den 19. Juli 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11719 S18-11719