Drucksache 18 / 11 767 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Graf (CDU) vom 10. Juli 2017 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2017) zum Thema: Rechts- und Schlechtberatung des Landes Berlin bzgl. der Energienetze und Antwort vom 21. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Herrn Abgeordneten Florian Graf (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11 767 vom 10. Juli 2017 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch waren die Rechtsberatungskosten für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bezüglich Feststellungsklage Fernwärme Vattenfall? Zu 1.: Die Kosten für die Vertretung des Landes Berlin vor dem Verwaltungsgericht Berlin anlässlich der Feststellungsklage gegen die Vattenfall Europe Wärme AG betragen bisher (Stand Mitte Juli 2017) rd. 221.000 €. 2. Welcher Anteil hiervon entfiel auf die Rechtsanwaltskanzlei BBH? Wie ist der zugrundeliegende Beratungsvertrag ausgestaltet (Höhe Tagessatz, Pauschalbeträge, Laufzeit des Vertrages, Kündigungsmöglichkeiten, etc.)? Zu 2.: Die vorgenannten Kosten entfallen zu 100 % auf die Anwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH). - 2 - Wie bereits in der Beantwortung vom 27.01.2017 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/10 224 des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 07.01.2017 von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung namens des Senats von Berlin ausgeführt worden ist, stellen die Einzelheiten der Mandatsaufträge mit den Anwaltskanzleien Geschäftsgeheimnisse dar, die in der Abwägung mit dem Auskunftsanspruch von Abgeordneten besonders zu berücksichtigen sind. Da insoweit Freigaben der Anwaltskanzlei nicht vorliegen, können nur Gesamtbeträge genannt werden. 3. Hat sich das Land Berlin bezüglich des Verfahrens Fernwärme noch weiterer Rechtsanwaltskanzleien bedient? Falls ja, welcher mit welchen Kosten? Zu 3.: Nein. 4. Wie hoch waren bislang die Rechtsberatungskosten für die Konzessionsverfahren Strom und Gas und die diesbezüglichen gerichtlichen Prozesskosten (bitte aufschlüsseln nach Konzessionsverfahren Strom und Gas)? Zu 4.: Zum Stand Juni 2017 sind im Konzessionsverfahren Gas bisher außerhalb der Gerichtsverfahren Rechtsberatungskosten in Höhe von rd. 1,5 Mio. € entstanden. Für die gerichtlichen Verfahren sind der verfahrensleitenden Stelle Kosten in Höhe von 1,1 Mio. € entstanden. Im Konzessionsverfahren Strom sind bisher außerhalb des von einem Bieter angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Gesamtkosten in Höhe von rd. 4,2 Mio. € aufgelaufen. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betragen die Anwaltskosten für das Land Berlin bisher rd. 83.000 €. In den Bereichen Strom und Gas handelt es sich um Konzessionsverfahren jeweils mit Netzwerten im Milliardenbereich. Der Beauftragung der Rechtsberatung ging, wie bereits in der Beantwortung vom 04.06.2014 der Schriftlichen Anfrage Nr. 17/14 040 ausgeführt, ein Ausschreibungsverfahren voraus. 5. Welcher Anteil hiervon entfiel auf die Rechtsanwaltskanzlei BBH? Wie ist der zugrundeliegende Beratungsvertrag ausgestaltet (Höhe Tagessatz, Pauschalbeträge, Laufzeit des Vertrages, Kündigungsmöglichkeiten, etc.)? Zu 5.: Im Gasverfahren entfielen von den Kosten in den gerichtlichen Verfahren etwa 990.000 € auf die Kanzlei BBH, der Rest entfiel auf den Korrespondenzanwalt beim Bundesgerichtshof. Außerhalb der gerichtlichen Verfahren waren keine weiteren Rechtsberater tätig. - 3 - Im Stromverfahren war neben der Kanzlei BBH die Dornbach GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Saarbrücken mit der Erstellung einer Fairness Opinion beauftragt, siehe dazu auch die Antwort zu Frage 6. Im Übrigen gelten auch hier die Aussagen, die zu Frage 2. getroffen wurden. 6. Hat sich das Land Berlin bezüglich der Verfahren Stromnetzkonzession und Gasnetzkonzession und der diesbezüglichen Gerichtsverfahren noch weiterer Rechtsanwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen bedient? Falls ja, welcher mit welchen Kosten? Zu 6.: Wie bereits in der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/10 708 des Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt vom 13.03.2017 ausgeführt hat die verfahrensleitende Stelle - nach Einholung der Zustimmung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin - die Dornbach GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Saarbrücken mit der Erstellung einer Fairness Opinion im Stromkonzessionsverfahren beauftragt. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen kann ein Ausweis der dortigen Kosten nicht erfolgen. 7. Wie stellt das Land Berlin sicher, dass die von den Anwaltskanzleien vorgeschlagene rechtliche Vorgehensweise der gängigen herrschenden Meinung entspricht bzw. „lege artis“ ist und nicht Mindermeinungen mit wenig Aussicht auf Erfolg verfolgt werden, denn offensichtlich hat das Land Berlin bislang bezüglich der Energienetze nur bescheidenen „Erfolg“ vor Gericht? Zu 7.: Es ist zu berücksichtigen, dass das Recht der Energiekonzessionsvergabe ein sehr junges Rechtsgebiet ist. Die entscheidende Grundlage ist mit der Reform des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) 2005 gelegt worden. Der Gesetzgeber hat im maßgeblichen § 46 EnWG weitere wesentliche Veränderungen in 2010, 2011 und zuletzt 2017 vorgenommen. Parallel hat sich eine heterogene erstinstanzliche , später auch ober- und bisher erst in Einzelaspekten höchstrichterliche Rechtsprechung herausgebildet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen beiden Grundsatzurteilen im Dezember 2013 in einigen Punkten für Klarheit gesorgt. Allerdings ist ferner zu beachten, dass eine Vielzahl von Urteilen auch der Obergerichte im einstweiligen Rechtsschutz ergangen sind, ohne dass Kohärenz eingetreten wäre. Eine höchstrichterliche Klärung ist vielfach nicht oder noch nicht erfolgt, im Eilverfahren auch rechtlich nicht möglich, da eine Revision nicht statthaft ist. Der Gesetzgeber hat mit der aktuellen Novellierung der §§ 46 ff. EnWG 2017 versucht, diesem Problem Herr zu werden. Dabei hat er z.B. ein völlig neues Rügeverfahren geschaffen, zu dem naturgemäß noch keinerlei Rechtsprechung vorliegt. - 4 - Vor diesem Hintergrund kann also nicht von der Existenz einer „herrschenden Meinung“ gesprochen werden. Die hochspezialisierten (Energie-) Rechtsberater stellen regelmäßig die einschlägige - teilweise auch noch nicht veröffentlichte und/oder widersprüchliche - Rechtsprechung und Literaturmeinungen dar und nehmen ergebnisorientierte Abwägungen hinsichtlich des Für und Wider der jeweiligen Auffassungen vor. Letztlich entscheidet jedoch die verfahrensleitende Stelle in der Senatsverwaltung für Finanzen über das jeweils weitere Vorgehen. 8. Verfügt das Land Berlin und hier insbesondere die Senatsverwaltung für Finanzen als Vergabestelle der Wegenutzungsverträge (Konzessionen) über eigene energierechtliche Expertise? Falls ja, welche? Zu 8.: In der Senatsverwaltung für Finanzen als verfahrensleitender Stelle sind einschließlich der Staatssekretärsebene Volljuristeninnen bzw. Volljuristen mit den Konzessionsverfahren befasst. Da die Konzessionsvergabe im gesamten Land nur alle 20 Jahre erfolgt, kann spezifische Expertise im Energiekonzessionsrecht, das zudem permanent novelliert wird (s. Frage 8.) nicht vollständig „inhouse “ vorgehalten werden. 9. Holt das Land Berlin rechtliche Zweitmeinungen zu den Rechtsberatungsleistungen von BBH ein bzw. verifiziert das Land Berlin deren Rechtsausführungen, um eventuellen Schaden für das Land Berlin zu minimieren (Sorgfaltspflicht in eigenen Angelegenheiten)? Falls nein, warum nicht? Falls ja, wie und in welchem Umfang? Zu 9.: BBH selbst arbeitet je nach Schwierigkeitsgrad und fachlichen Schwerpunkten der jeweiligen Fragestellung mit verschiedenen (Fach-) Anwältinnen und Anwälten. Zum Teil werden auch Wirtschaftsprüferinnen bzw. Wirtschaftsprüfer und Steuerberaterinnen bzw. Steuerberater des Unternehmens sowie Technikerinnen bzw. Techniker der Becker Büttner Held Consulting AG hinzugezogen . Eine Parallelberatung durch weitere Kanzleien ist unüblich und auch in Ansehung der Vergabeverfahren und damit verbundenen Kosten nicht angemessen. - 5 - Parallel dazu findet verwaltungsseitig ein Informations- und Erfahrungsaustausch mit der Landeshauptstadt Stuttgart, der Freien und Hansestadt Hamburg sowie der kommunalen Verbandslandschaft statt, da ähnlich gelagerte Konzessionsverfahren durchgeführt werden oder in jüngster Vergangenheit durchgeführt wurden. Darüber hinaus hat es im Zusammenhang mit der Erstellung der Verfahrensbriefe und der Aufstellung der Vergabekriterien mehrfache Konsultationen mit dem Bundeskartellamt gegeben. 10. Welche rechtlichen Konsequenzen zieht das Land Berlin aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Juni 2017? Welche Konsequenzen zieht das Land Berlin bezüglich der bestehenden Rechtsberatungsverträge? 11. Welche energiepolitischen Konsequenzen zieht der Senat aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 30. Juni 2017 bzw. aus den langwierigen rechtshängigen Verfahren zu den Konzessionsverfahren Strom und Gas? Zu 10. und 11.: Konsequenzen - egal welcher Ausrichtung - können aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin erst gezogen werden, wenn die schriftlichen Gründe vorliegen und analysiert und bewertet worden sind. Die Kammer hat anlässlich der Urteilsverkündung mitgeteilt, dass die schriftliche Begründung umfangreich und ihre Erstellung noch eine „geraume Zeit“ dauern werde. 12. Sieht der Senat, dass die Gestaltung der urbanen Energiewende und die Erreichung des wichtigen Zieles der Klimaneutralität bis 2050 nur mit der Stadtgesellschaft als Ganzes erfolgen kann? Beendet der Senat die Blockade der Kooperation mit wesentlichen energiewirtschaftlichen Protagonisten im Land Berlin und stellt Kooperation für Klimaschutz vor ideologische Rekommunalisierungsbestrebungen um jeden Preis? Zu 12.: Der Senat von Berlin verfolgt keinerlei „Blockaden“ oder „ideologische Rekommunalisierungsbestrebungen “. Vielmehr ist die Energiewende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ist der entscheidende Prozess, um die im Energiewendegesetz festgeschriebenen Ziele zur Einsparung von CO2-Emissionen um 40 % bis 2020, 60 % bis 2030 und 85 % bis 2050 bezogen auf die Emissionswerte von 1990 zu erreichen. Um die Umsetzung der Energiewende in Berlin zu fördern und zu steuern, bedient sich der Senat unterschiedlicher Instrumente und arbeitet mit Akteuren aller gesellschaftlichen Bereiche zusammen. Kooperationen mit den Energieversorgungsunternehmen und Netzbetreibern Berlins finden auf unterschiedlichen Ebenen statt. Hier sind beispielsweise die Klimaschutzvereinbarungen zwischen Land und Unternehmen, die Unterstützung konkreter Kooperationen mit Berliner Landesunternehmen bei Projekten wie WindNODE oder das in einem breiten Beteiligungsprozess konzipierte Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm zu nennen. Die bestehenden Kooperationen tragen für sich genommen bereits zur Umsetzung der Energiewende bei. Gleichwohl verdeutlicht die CO2-Bilanz in der Gesamtschau, dass weitergehende Anstrengungen erfolgen müssen, um die Ziele des Berliner Energiewendegesetzes zu erreichen. 2014 lagen die CO2- Emissionen bezogen auf den Endenergieverbrauch bei 19,9 Mio. t. Dies entspricht einer Reduktion von 31,8 % gegenüber 1990. Bis zum Jahr 2020 sollen die Emissionen um weitere rund 2,38 Mio. t sinken. - 6 - Über die genannten Instrumente und Kooperationen hinaus kann auch die Rekommunalisierung von Energieinfrastrukturen ein sinnvolles Instrument sein, um durch eine abgestimmte Ausrichtung der Infrastrukturen auf nachhaltige Energieversorgung das Tempo und den Erfolg der Energiewende zu beeinflussen. Berlin, den 21. Juli 2017 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen S18-11767 S18-11767