Drucksache 18 / 11 812 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 13. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juli 2017) zum Thema: Berliner Polizisten und linke Berliner Gewalttäter beim G20-Gipfel in Hamburg und Antwort vom 31. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11 812 vom 13. Juli 2017 über Berliner Polizisten und linke Berliner Gewalttäter beim G20-Gipfel in Hamburg ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Berliner Polizisten wurden im Zuge des G20-Gipfels 2017 in Hamburg eingesetzt? Zu 1.: Im Rahmen des Unterstützungseinsatzes G20 in Hamburg waren in der Spitze 985 Dienstkräfte der Polizei Berlin eingesetzt. 2.a) Wie viele Berliner Polizisten wurden bei Einsätzen in Hamburg anlässlich des G20-Gipfels im Juli 2017 verletzt? (Bitte nach Schwere der Verletzungen - schwer / mittel / leicht - aufschlüsseln ) . Sind unter den verletzten Berliner Polizisten solche, die länger als eine Woche dienstunfähig sind? Wenn ja, um wie viele Polizisten handelt es sich dabei? Gab es Angriffe auf Berliner Polizisten, die potentiell lebensgefährlich waren? Zu 2. a): Im Rahmen des Unterstützungseinsatzes liegen 133 Meldungen zu verletzten Dienstkräften (Stand: 18. Juli 2017) vor. Von den genannten Polizeidienstkräften konnten 128 ihren Dienst fortsetzen, fünf mussten diesen verletzungsbedingt beenden . Zum Teil mussten die Verletzungen der im Dienst verbliebenen Beamtinnen und Beamten nach Rückkehr nach Berlin unter Krankschreibung auskuriert werden. Eine Bewertung zur Schwere der Verletzungen kann durch die Polizei Berlin nicht erfolgen . Es kann zumindest die Aussage getroffen werden, dass - sofern es medizinisch notwendig wurde - ausschließlich ambulante Behandlungen erfolgten. Bei sechs Dienstkräften waren die Verletzungen so weitreichend, dass sie seitdem dienstunfähig sind. Über potentiell lebensgefährliche Angriffe auf Berliner Polizeibedienstete kann keine valide Aussage getroffen werden. Weitere Aussagen zu Ursachen und Ausmaß entstandener Verletzungen sind der Schriftlichen Anfrage 18/11777 zu entnehmen. Seite 2 von 6 2.b) Wie verhält sich die Prozentzahl der verletzten Polizisten aus Berlin zur Gesamtzahl der verletzten Polizisten? Zu 2. b): Zur Gesamtzahl aller beteiligten Polizeidienstkräfte des Bundes sowie der Bundesländer , die sich im Einsatzgeschehen verletzten, liegen der Polizei Berlin keine belastbaren Angaben vor. Dementsprechend kann im Sinne der Fragestellung keine Auskunft erteilt werden. 3.a) Wie viele Personen mit Wohnsitz Berlin waren an den gewaltsamen Ausschreitungen beteiligt ? Zu 3. a): Hierzu liegen der Polizei Berlin keine Zahlen vor. 3.b) Gab es vorab eine Kontrolle der aus Berlin anreisenden gewaltbereiten Demonstranten und wenn nein, warum nicht? Zu 3. b): Über zwei Internetplattformen wurden organisierte Busabreisen von Berlin nach Hamburg bekannt gegeben. Die Polizei Berlin hat bei diesen Busabreisen Abreiseüberwachungen durchgeführt. Aus diesen Maßnahmen heraus konnten keine Erkenntnisse erlangt werden, auf denen weitergehende Kontrollmaßnahmen hätten rechtlich begründet werden können. Eine nicht bekannte Anzahl von Personen ist individuell von Berlin nach Hamburg angereist, wodurch eine Abreiseüberwachung nicht möglich war. 3.c) Wurde durch das Land Berlin versucht, bekanntermaßen gewaltbereite Personen an der Reise nach Hamburg zu hindern? Wie viele bekannte Berliner Gewalttäter wurden dazu insbesondere in Unterbindungsgewahrsam genommen? Falls solche Maßnahmen unterlassen wurden, was war der Grund hierfür? Zu 3. c): Im Vorfeld des G20-Gipfels wurde intensiv geprüft, welche Maßnahmen des Gefahrenabwehrrechts unter welchen Voraussetzungen zur Anwendung kommen können, um zu verhindern, dass von Personen mit Wohnsitz in Berlin Straftaten, insbesondere solche von erheblicher Bedeutung, im Rahmen der Proteste gegen den G20- Gipfel in Hamburg begangen werden. Im Zuge dieser Prüfung wurden für vier Personen Meldeauflagen für den Zeitraum bis einschließlich 10. Juli 2017 angeordnet. Nach dieser Anordnung sollten sich die betroffenen Personen jeweils zwei Mal täglich bei ihrem örtlich zuständigen Polizeiabschnitt melden. Für eine Person wurde durch die Polizei Berlin ein Antrag auf Anordnung einer Ingewahrsamnahme nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin beim Amtsgericht Tiergarten eingereicht. Durch den zuständigen Richter wurde dieser Antrag abgelehnt. 4.) Welche Kosten sind dem Land durch den Polizeieinsatz in Hamburg entstanden? Die dem Land Berlin durch die Entsendung von Dienstkräften der Polizei Berlin im Rahmen des Unterstützungseinsatzes G20 entstandenen Kosten werden entsprechend der „Verwaltungsvereinbarung über vereinfachte Regelung und einheitliche Seite 3 von 6 Pauschalen für die Abrechnung von Unterstützungseinheiten“ in Form von Ausgleichszahlungen durch das Land Hamburg beglichen. Eine valide Auskunft zu den insgesamt entstandenen Kosten ist derzeit nicht möglich . Aufgrund der Vielzahl der von Hamburg aus Berlin angeforderten Dienstkräfte sind zahlreiche Einzelabrechnungen zu fertigen. Diese Rechnungen liegen noch nicht im vollen Umfang vor. 5.a) Wie viele Personen aus Berlin wurden im Zuge der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg festgenommen? 5.b) Gegen wie viele Personen aus Berlin wird wegen Straftaten im Zuge der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg ermittelt? 5.c) Welche Delikte werden diesen Personen zur Last gelegt und wie hoch ist die Gesamtzahl der von diesen Personen verübten Delikte? (Bitte aufschlüsseln) Zu 5. a) – c): Da die Strafverfahren in Hamburg geführt werden, kann hierzu vom Senat keine Aussage getroffen werden. 5.d) Wie hoch ist der prozentuale Anteil der von Personen aus Berlin verübten Delikte in Relation zur Gesamtzahl der Straftaten? Zu 5. d): Dazu liegen der Polizei Berlin keine Erkenntnisse vor. 6.a) Ausweislich der Antwort auf die Frage Nr. 10 der Anfrage Nr. 18/11565 fördert der Senat derzeit keine speziell gegen Linksextremismus gerichteten Projekte. Sieht sich der Senat angesichts der linken Gewaltexzesse in Hamburg veranlasst, hieran etwas zu ändern? 6.b) Sieht sich der Senat veranlasst, anlässlich der linken Gewaltexzesse in Hamburg seine Konzepte gegen Linksextremismus zu evaluieren, zu überarbeiten und Projekte, die sich zumindest auch gegen Linksextremismus richten, auszuweiten? Falls nein, weshalb nicht? Zu 6. a) - b): Die durch das Land Berlin geförderten Einrichtungen und Projekte der Jugendarbeit sind den Vorgaben des § 11 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) und des § 6 des Ausführungsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (AG KJHG) des Landes Berlin verpflichtet. Die Angebote der Jugendarbeit sollen junge Menschen u.a. zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen sowie dazu beitragen, gesellschaftliche und persönliche Auseinandersetzungen mit friedlichen Mitteln zu führen. Sie zielen demzufolge auf eine aktive Mitwirkung an der Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, die jeder Form von Extremismus und gewalttätigem Verhalten – auch politisch motivierter Gewalt - entgegenwirkt . Die regelmäßige Bewertung der Angebote erfolgt insbesondere im Hinblick darauf, inwieweit eine solche aktive Mitwirkung gefördert und angeregt wird. 6.c) Welche Maßnahmen wird der Senat künftig ergreifen, um linker Gewalt entgegenzuwirken? Zu 6. c): Bei der Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität - links handelt es sich um eine Aufgabe der Berliner Sicherheitsbehörden, zu deren Erfüllung ein ganzheitlicher Ansatz, also eine Verzahnung von präventiven und repressiven Maßnahmen, zur Anwendung kommt. Dieser ist insbesondere darauf ausgerichtet, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung als Grundwert der Inneren Sicherheit positiv zu beeinflussen. Im Rahmen dieses ganzheitlichen Ansatzes erfolgt eine intensive Kooperation und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, Institutionen und sonstigen Einrichtungen Seite 4 von 6 insbesondere unter dem Gesichtspunkt der frühzeitigen Erkenntnisgewinnung zu Personen und Gefährdungspotentialen auf regionaler und überregionaler Ebene. Zu allen der Polizei Berlin bekannt werdenden Straftaten werden Ermittlungsverfahren eingeleitet, die bei den zuständigen Fachkommissariaten des Polizeilichen Staatsschutzes im Landeskriminalamt Berlin (LKA 5) bearbeitet werden. Bei Bekanntwerden von Gefährdungserkenntnissen im angefragten Zusammenhang werden diese umgehend im LKA 5 bewertet, um unter Nutzung aller rechtlichen Möglichkeiten die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen umzusetzen. 7) Wie bewertet der Senat die Einbindung und den Rückhalt linker Gewalttäter in der linken Szene in Berlin? Genießen diese Rückhalt und auch logistische oder finanzielle Unterstützung ? Zu 7.: Der Berliner Verfassungsschutz hat die gesetzlich bestimmte Aufgabe, extremistische Bestrebungen zu beobachten und über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu unterrichten. Der Verfassungsschutz speichert in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und auf deren Grundlage nur solche Daten , die zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Entsprechend beobachtet der Berliner Verfassungsschutz die linksextremistische Szene Berlins. Über einen Rückhalt respektive eine Unterstützung linksextremistischer Gewalttäter über dieses Spektrum hinaus liegen keine Erkenntnisse vor. Im Hinblick auf die linksextremistische Szene Berlins gibt es einen Szenekonsens, der Gewalt „gegen Sachen“ weitgehend legitimiert. Insofern ist davon auszugehen, dass Gewalttäter Rückhalt und Unterstützung aus anderen Teilen der linksextremistischen Szene erhalten. Dieser kann auch logistischer und/oder finanzieller Art sein. Dies gilt vergleichbar auch im Hinblick auf Gewalt gegen Personen, die bislang in der linksextremistischen Szene als nicht vermittelbar galt. Es ist davon auszugehen, dass Gewalttäter Rückzug in sympathisierenden Spektren suchen. Sie dürften jedoch – möglicherweise auch bei schwerer Gewalt zum Nachteil von Personen - nach außen hin nach dem Grundsatz der Solidarität auch über die eigenen Spektren hinaus Unterstützung und Rückhalt innerhalb der linksextremistischen Szene finden. 8) Kann die Rigaer Str. 94 in Berlin ähnlich der „Roten Flora“ in Hamburg als ein linksextremes Zentrum eingestuft werden, in dem linke Gewalttaten systematisch geplant und koordiniert werden? Erhöht die Rigaer Str. 94 als fester Ort und Kristallisationspunkt der linksextremen Szene nach Einschätzung des Senats noch einmal deren Gefahrenpotential, indem er ihr logistische Vorteile und einen Rückzugsraum verschafft? Zu 8.: Der vom Berliner Verfassungsschutz beobachtete Personenzusammenschluss „Riger 94“ ist nicht identisch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses Rigaer Straße 94. Das Hinterhaus und der Seitenflügel (mit dem Veranstaltungsraum „Kadterschmiede “) gelten weiterhin als besetzt, im Vorderhaus besitzen die Bewohnerinnen und Bewohner reguläre Mietverträge. Die „Rigaer94“ besteht insofern aus Teilen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher des Hauses sowie der „Kadterschmiede“. Sie ist dem harten Kern der autonomen Szene Berlins zuzurechnen und ein Objekt mit hoher symbolischer Bedeutung für die linksextremistische Szene Berlins und darüber hinaus . Seite 5 von 6 Rund um die „Rigaer94“ ist eine hohe Zahl an Straf- und Gewalttaten festzustellen, die seit einigen Jahren kontinuierlich zunimmt. Auch im Hinblick auf die Schwere der Taten ist eine Steigerung erkennbar. Das Gefahrenpotenzial, das von den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Besucherinnen und Besuchern der „Rigaer94“, die zur linksextremistischen Szene Berlins gehören und deren Umfeld ausgeht, ist unabhängig davon, dass der von ihnen genutzte Teil des Hauses als Rückzugsraum dient, hoch. 9.) Teilt der Senat die Aussage der ehemaligen Bundesfamilienministerin Schwesig (SPD), Linksextremismus sei ein „aufgebauschtes Problem“? Zu 9.: Der Senat von Berlin lehnt jede Form von Extremismus ab und gewichtet nicht zwischen den verschiedenen Ausrichtungen von Extremismus. 10.) Wie verteilen sich die Zahlen der Mitarbeiter im LKA 5 auf die Bereiche Rechts, Links und Ausland inklusive Islamismus? (Bitte in absoluten Zahlen aufschlüsseln) Zu 10.: Derzeit sind in den verschiedenen Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) im LKA 5 die nachfolgend aufgeführten Zahlen an Mitarbeitenden (jeweils Vollzug und Verwaltung) beschäftigt. Sie waren und sind aufgrund von Phänomenentwicklungen und sich ändernder Bedarfe einer ständigen Dynamik unterworfen . (Stichtag: 18. Juli 2017): PMK - ausländische Ideologie: 23 PMK - religiöse Ideologie: 132 PMK - rechts: 68 PMK - links: 50* (*inkl. 6 Unterstützungskräfte zur Abarbeitung des Vorgangsaufkommens i.Z.m. dem 1. Mai 2017). Weitere 11 Mitarbeitende in einem Kommissariat des LKA 5 sind zuständig für die Tatortarbeit bei politisch motivierten Brand- und Sprengstoffdelikten aus allen Phänomenbereichen . 11.a) Hält der Senat an dem Plan fest, ein Versammlungsfreiheitsgesetz nach dem Vorbild Schleswig -Holstein zu schaffen? 11b) Hält der Senat an der Abschaffung des Vermummungsverbotes bzw. seiner Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit fest, obwohl die linksextremen Gewalttäter in Hamburg sich gerade typischerweise vermummten, bevor sie Gewalttaten begingen? 11.c) Welche Konsequenzen würden sich nach Ansicht des Senats aus einer Lockerung oder Aufhebung des Vermummungsverbotes für die Identitätsfeststellung und Verfolgung von Straftaten, die im Zuge von Demonstrationen verübt werden, ergeben? Zu 11. a) – c): Der Senat erarbeitet derzeit ein demokratieförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsgesetz, welches die Durchführung von und die Teilnahme an Versammlungen möglichst freiheitsfreundlich gestaltet. Dieses Gesetz soll transparent und für die Bürgerinnen und Bürger überschaubar und kalkulierbar sein. In der gegenwärtig laufenden Erarbeitungsphase wird auch die versammlungsrechtliche Regelungspraxis in allen Bundesländern, die bereits eigene Landesversammlungsgesetze geschaffen haben, ermittelt (vgl. § 38 Absatz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung, Besonderer Teil (GGO II)). Zu den Bundeslän- Seite 6 von 6 dern, die bereits eigene Landesversammlungsgesetze geschaffen haben, gehören neben Schleswig-Holstein auch Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt . Die genaue Ausgestaltung für Berlin steht noch nicht fest Berlin, den 31. Juli 2017 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11812 S18-11812a