Drucksache 18 / 11 834 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michail Nelken (LINKE) vom 18. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juli 2017) zum Thema: Büchse der Pandora – Altlasten unter dem Thälmannpark und Antwort vom 28. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Dr. Michail Nelken (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11834 vom 18. Juli 2017 über Büchse der Pandora - Altlasten unter dem Thälmannpark Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Hinsichtlich der Fragen zu 6. und 9. - 13. erfolgte zuständigkeitshalber eine Zuarbeit durch das Bezirksamt Pankow (Stadtentwicklungsamt/Umweltamt). Frage 1: Welche aktuellen Erkenntnisse hat der Senat über die Giftbelastungen des Bodens im Bereich des ehemaligen Gaswerksgeländes Prenzlauer Berg, dem heutigen Thälmannpark? Antwort zu 1: Die wesentlichen Quellen der Belastungen sind im Bereich der ehemaligen Benzolanlage (Rasenfläche nördlich des Jugendfreizeitzentrums), unterhalb der Gasometer an der Danziger Straße und unterhalb der Danziger Straße (nördliche Fahrbahn) zu suchen. Die Belastungen hängen ursächlich mit Kriegsschäden aus dem 2. Weltkrieg und mit den Rückbauaktivitäten in den 1980er Jahren zusammen. Die oberflächennahen Bodenschichten bis 4 m unter Gelände wurden im Quellbereich Benzolanlage in den 1990er Jahren saniert (Bodenaushub). Wiederholte Kontrollen der Bodenluft in Hinblick auf mögliche Ausgasungen haben keine nachweisbaren Konzentrationen ergeben. Die verbliebenen Kontaminationen befinden sich unterhalb eines Geschiebemergels in Tiefenlagen zwischen 10 und 20 m unter Gelände. Ein direkter Kontakt zum Schutzgut Mensch ist daher auszuschließen. Die Bodenbelastungen haben über Jahrzehnte zu Kontaminationen des Grundwassers und zur Ausbildung einer Benzolfahne geführt, die sich in südlicher Richtung bis außerhalb des Geländes erstreckt. 2 Zur hydraulischen Sicherung des Grundwasserabstroms wird seit 2004 eine aus 7 Entnahmebrunnen bestehende Sperrfassung betrieben. Die Brunnen fördern beiderseits der Danziger Straße. Das geförderte Wasser wird in einer Grundwasserreinigungsanlage aufbereitet und gereinigt und über derzeit 5 Infiltrationsbrunnen dem Untergrund wieder zugeführt. Zur Überwachung der Beschaffenheitsentwicklung erfolgt halbjährlich ein Grundwassermonitoring. Die stofflichen Belastungen des Grundwassers im Transferbereich haben sich in den letzten drei Jahren deutlich reduziert. Frage 2: Zu welchem Zweck wurden in den letzten Monaten Bohrungen mit Probenahmen auf dem denkmalgeschützten Teil des Thälmannparks durchgeführt und welche Kosten sind dafür angefallen? Antwort zu 2: Um eine reibungslose Reinfiltration des gereinigten Grundwassers in den Untergrund zu gewährleisten, wird aktuell eine Erweiterung der Brunnenzahl von 5 auf 9 Brunnen vorgenommen. Zudem sollen neue Ausbaumaterialien getestet werden, die einen geringeren Wartungsaufwand erwarten lassen. Die Kosten belaufen sich auf rund 107.000 € brutto. Frage 3: Mit welcher Zielstellung wird seit 13 Jahren im Thälmannpark eine Grundwasser-Filteranlage hinsichtlich des zu erreichenden Konzentrationsgrades der Schadstoffe betrieben? Bis wann sollen diese Ziele erreicht sein und wie ist der gegenwärtige Erfüllungsstand (zum Vergleich Ausgangswerte angeben) bei den einzelnen Zielparametern? Antwort zu 3: Die seit 2004 betriebene Pump and Treat-Maßnahme wurde zur Sicherung des Grundwasserabstroms konzipiert und realisiert, um ein weiteres Abströmen von Schadstoffen vom Grundstück zu verhindern. Diese Zielsetzung besteht auch in Zukunft und ist nach derzeitigen Erkenntnissen zeitlich nicht begrenzt, da eine nachhaltige Sanierung der tief liegenden Schäden des Quellbereiches aufgrund der Schadstoffverteilung und der spezifischen geologischen Bedingungen allein mit diesem Verfahren nicht möglich ist. Eine unterstützende Bodensanierung des Quellbereiches ist nach derzeitigen Erkenntnissen sowohl aus technischen als auch finanziellen Gründen ausgeschlossen. Eine Aussage zum Erfüllungsstand Ausgangswerte/Zielwerte ist daher nicht möglich. Frage 4: Welche Erkenntnis hat der Senat über das besonders hohe Belastungsrisiko im Boden an den Standorten der gesprengten Gasometer? Antwort zu 4: Die drei 1984 gesprengten Gasometer am Güterbahnhof Greifswalder Straße gehören nicht zu den Belastungsschwerpunkten des ehemaligen Gaswerks Dimitroffstraße. Aufgrund ihrer unmittelbaren Lage zur Benzolanlage ist das Schadenspotenzial im Untergrund der beiden Gasometer an der Danziger Straße dagegen deutlich höher zu bewerten. 3 Bei orientierenden Erkundungen in den 1990er Jahren und bei der Baugrunderkundung 2016 im städtebaulichen Entwicklungsbereich C (Schulcampus) wurden ab einer Tiefenlage >4 m bis ca. 8 m unter Gelände punktuell gaswerkstypische Schadstoffe (MKW, PAK, BTEX, Cyanide) in hohen Konzentrationen analysiert. Anhand der Schichtenprofile lässt sich ableiten, dass die flacheren Bodenschichten mit Gründung der Sporthalle ausgetauscht wurden, bzw. ein Bodenauftrag stattgefunden haben muss. Zur abschließenden Einschätzung des Gefahrenpotenzials wurden 2016 im Auftrag des Bezirksamtes Pankow (Umweltamt) nochmals Untersuchungen nach der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) im Schulgarten und auf dem Sportplatz durchgeführt. Gefährdungen des Schutzgutes Mensch über den Wirkungspfad Boden- Mensch und Boden-Nutzpflanze-Mensch sind auszuschließen. Frage 5: Ist es zutreffend, dass sich in den mit Gaswerksschutt aufgefüllten Fundamenten der Gasometer unbestimmte Altlastenrisiken befinden, die bei einer Beschädigung der Fundamente in tiefere Erdschichten und in das Grundwasser vordringen können? Antwort zu 5: Unter Zugrundlegung aller im Bereich der ehemaligen Gasometer ausgeführten Bohrungen lässt sich feststellen, dass die Fundamente nicht mehr als vollständiges und abdichtendes Bauwerk erhalten sind. Vielmehr ergibt sich aus den Schichtenverzeichnissen eine Vielzahl von Beton- und Ziegelresten unterschiedlicher Größe und Tiefenlage. Schadstoffverlagerungen können somit nicht ausgeschlossen werden. Der verfüllte Bauschutt ist ebenfalls schadstoffbelastet und kann als Eintragsquelle für darunter liegende Schichten angesehen werden. Am Güterbahnhof, im Abstrom der nördlichen Gasometer, wurden im Gegensatz zum Bereich Danziger Straße nur geringe Schadstoffbelastungen in den Grundwassermessstellen nachgewiesen. Frage 6: Warum plant das Land Berlin die bauliche Erweiterung der Grundschule am Planetarium in den Bereich der hoch kontaminierten ehemaligen Gasometer-Standorte und welche Mehrkosten werden für die Altlastenbeseitigung eingeplant? Antwort zu 6: Das Land Berlin plant die bauliche Erweiterung der Grundschule am Planetarium auf den bestehenden Schulgrundstücken, um einen räumlich zusammenhängenden Schulcampus auf verfügbaren, landeseigenen Flächen so zeitnah wie möglich umsetzen zu können. Die vom Stadtentwicklungsamt Pankow beauftragten Altlasten- und Baugrunderkundungen vom 9. Juni 2016 haben ergeben, dass eine Bebauung in diesem Bereich durch angepasste Gründungstechniken (Bohrpfahlgründungen) mit vertretbaren Kosten möglich ist. Dabei ist mit kontaminationsbedingten Mehraufwendungen von rd. 507.050 € zu rechnen. Der Entwurf für die Schulerweiterung wurde unter Berücksichtigung des Mehraufwandes für die Altlastenentsorgung von der zuständigen Prüfungsabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (-ZHM-) im Rahmen des Verfahrens der „frühen Kostensicherheit“ geprüft und testiert. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow 4 hat die Umsetzung des Schulcampus‘ entsprechend dem vorliegenden Entwurf am 28.06.2017 beschlossen (Drs. VIII-0215). Frage 7: Wie hoch schätzt der Senat die Risiken ein, dass bei der Gründung der neu zu errichtenden Bauwerke des Schulcampus bislang in den Fundamenten eingeschlossene Giftstoffe freigesetzt werden? Antwort zu 7: Das Risiko ist gering. Die Kontaminationen sind bereits seit den 1980er Jahren in den Fundamenten nicht mehr eingeschlossen. Frage zu 8: Wurden bei der Beprobung der Fläche die Fundamentböden der ehemaligen Gasometer durchstoßen? Antwort zu 8: Bei einem Teil der Bohrungen, die in Tiefenlagen von mehr als 5 m reichten, wurden die Fundamente nicht angetroffen. Bei einem weiteren Teil wurden Fundamente angetroffen, durchörtert und durch bindige Materialien wieder verschlossen, um eine Verlagerung von Schadstoffen zu vermeiden. Frage zu 9: Hat der Senat die alternative Erweiterung des Schulgeländes in südlicher Richtung auf die nicht mehr für den Krankenhausbetrieb genutzten Teile des Vivantes-Klinikums geprüft? Antwort zu 9: Im Sinne der Schaffung eines räumlich zusammenhängenden Schulcampus´ und einer zeitnahen Umsetzung ist die Erweiterung der Grundschule Am Planetarium auf dem bestehenden Schulgelände auf verfügbaren, landeseigenen Flächen geboten. Durch die beauftragten Gutachten zur Altlastensituation und zum Baugrund wurde nachgewiesen, dass eine bauliche Ergänzung des bestehenden Schulgrundstücks durch angepasste Gründungstechniken (Bohrpfahlgründungen) mit vertretbaren Kosten möglich ist. Das Bezirksamt Pankow hat sich auf der Basis des BA1-Beschlusses VII-1730/2016 mit Schreiben vom 04.07.2016 an den für Gesundheit zuständigen Senator sowie an die Geschäftsführung Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH gewandt, mit der Bitte, den Krankenhausstandort in der Fröbelstraße zu erhalten. Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) wird die Nachnutzung des Vivantes- Areals als Wohnstandort vorgeschlagen. Vivantes hat allerdings im Zuge der Erarbeitung des ISEK keinerlei Bereitschaft gezeigt, über die Nachnutzung des Areals in einen Dialog zu treten (s. Antwort zu Frage 10). Frage zu 10: Hat der Senat mit Vivantes Gespräche über den Erwerb dieser Teilflächen für die Schulerweiterung geführt? Wenn nein, warum nicht? 1 Bezirksamt 5 Antwort zu 10: Nach Aussagen von Vivantes im Rahmen der Beteiligung zum ISEK für den Thälmannpark (Beschluss VII-1044/2014) soll der Standort in der Fröbelstraße nach Fertigstellung der Baumaßnahmen am Vivantes-Klinikum Friedrichshain aufgegeben werden. Hinsichtlich der Vorschläge aus dem ISEK zur Nachnutzung des Areals (Entwicklung zum Wohnstandort für besondere Wohnform) zeigte sich Vivantes wenig kooperativ. Eine Stellungnahme zu den Entwicklungszielen des ISEK oder Gespräche über die Nachnutzungspotenziale des Areals wurden seinerzeit mit Hinweisen auf eigene Vermarktungsabsichten abgelehnt. Frage zu 11: Welche Bodenbelastungen haben die Untersuchungen auf den ehemaligen Gaswerks-Flächen nördlich der Lilli-Henoch-Straße/Greifswalder Straße ergeben, auf denen öffentlicher Wohnungsbau geplant wird? Antwort zu 11: Die Parkplatzflächen im Bereich der Lilli-Henoch-Straße sind dem ehemaligen Gaswerksstandort zuzurechnen. Hier wurden im Rahmen einer Machbarkeitsstudie vorhandene Untersuchungsergebnisse aus den umfangreichen Gutachten der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz im Rahmen der Untersuchungen zum Gaswerksstandort aus den 90er Jahren zusammengetragen und ausgewertet. Für den Bereich des ehemaligen Güterbahnhofes, der ebenfalls nördlich der Lilli-Henoch- Straße/Greifswalder Straße liegt, ist ein Gutachten zu einer Altlastenuntersuchung vom September 2015 vorhanden. Im Bereich der Parkplatzfläche Lilli-Henoch-Straße weisen Untersuchungsergebnisse der 90er Jahre Hot Spot-Bereiche mit hohen Belastungen an PAK, MKW und Phenolen, verursacht durch die ehemalige Nutzung als Kohlelager, aus. Im Bereich des Güterbahnhofes (Greifswalder Str. 80) wurden 24 Rammkernsondierungen bis jeweils 3m Tiefe ausgeführt. Die Analysenergebnisse wurden in Bezug auf den Wirkungspfad Boden-Mensch für die Nutzung als Wohngebiet, den Pfad Boden- Grundwasser aber auch unter abfallrechtlichen Bewertungsmaßstäben in Bezug auf anfallende Aushubmassen im Rahmen der Bebauung bewertet. An 3 von den 24 Sondierungen kam es zu Überschreitungen des Prüfwertes für den Pfad Boden-Mensch durch die Parameter PAK und Cyanide und in 5 Proben wurden die Beurteilungswerte für PAK, Cyanide und Blei hinsichtlich des Pfades Boden-Grundwasser überschritten. Die vom Stadtentwicklungsamt Pankow beauftragte Altlastenerkundung und die Baugrunderkundung vom 09. Juni 2016 haben ergeben, dass eine Bebauung in diesem Bereich durch angepasste Gründungstechniken (Bohrpfahlgründungen) mit vertretbaren Kosten möglich ist. Dabei ist mit kontaminationsbedingten Mehraufwendungen von 298.622 € zu rechnen. Weitere Erkundungen sind im gegenwärtigen Planungsstadium, insbesondere für die Parkplätze an der Lilli-Henoch-Straße als auch die weiteren Flächen des ehemaligen Güterbahnhofes, nicht sinnvoll. Soweit die Planungen konkretisiert worden sind, können und müssen detaillierte Untersuchungen, die die Anforderungen des Bodenschutzrechts erfüllen, erfolgen. 6 Frage zu 12: Wie groß ist das Volumen des auf diesen Flächen abgelagerten kontaminierten Gaswerksschutts, der für dieses Wohnungsbauvorhaben entsorgt werden muss und welche Mehrkosten werden für die Altlastenbeseitigung eingeplant? Antwort zu 12: Zum Volumen des zu entsorgenden Bodenaushubs liegen Angaben aus der Baugrunderkundung vom 9. Juni 2016 vor. Für die seinerzeit hier vorgesehenen 3 Gebäude mit zusammen rd. 200 WE beträgt der zu entsorgende Bodenaushub 2.904 m³. Entsprechend dem BVV-Antrag VIII-0215 „Planungsrahmen am ehemaligen Güterbahnhof“ vom 28.06.2017 soll diese Bebauungsvariante nicht umgesetzt werden. An diesem Standort sollen vielmehr ca. 9.700 m² BGF, d. h. bis zu 150 WE realisiert werden. Sobald neue städtebauliche Entwürfe vorliegen, müssten die Untersuchungen daher nach Rücksprache mit den Gutachtern ggf. ergänzt und die Berechnung aktualisiert werden. Das im Jahr 2016 auch für diesen Planbereich erstellte Baugrundgutachten ermittelte baubedingte Mehraufwendungen zur Abfallentsorgung je nach Gründungsart und Gründungstiefe von rund 300.000 bis 1,2 Mio € brutto. Grund für einen Bodenaustausch ist nicht die Altlastensituation, sondern die mangelnde Tragfähigkeit der Auffüllung. Die günstigste Variante ergibt sich wiederum aus einer Pfahlgründung der Gebäude. Frage zu 13: Wird die kommunale Wohnungsbaugesellschaft diese Entsorgungskosten selbst tragen müssen oder soll die Entsorgung auf Kosten des Landeshaushaltes erfolgen? Antwort zu 13: Dem Senat liegen hierüber keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 28.07.2017 In Vertretung Tidow ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-11834 S18-11834a