Drucksache 18 / 11 840 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 14. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Juli 2017) zum Thema: Herder-Gymnasium u.v.a.: Organisationsversagen an Berliner Schulen? und Antwort vom 03. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11840 vom 14.07.2017 über Herder-Gymnasium u.v.a.: Organisationsversagen an Berliner Schulen? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In den Medienberichten und persönlichen Gesprächen mit besorgten Bürgern gibt es in der Klasse 5f des Charlottenburger Herder-Gymnasiums eine Vielzahl von Gewalttaten eines Schülers gegenüber Mitschülern. Die Elternvertreter schildern dazu folgendes: „Die Klasse 5f wurde in diesem Schuljahr gebildet. Schon in den ersten Monaten wurde bekannt, dass die Unterrichtsstunden regelmäßig wegen eines Schülers abgebrochen werden mussten. Die Eltern versuchten, die Situation irgendwie zu beeinflussen. Lehrer boten Wege an und führten verschiedene Ansätze durch, aber die Situation in der Klasse verschlechterte sich zusehends: Gewalt, Sammeln von kompromittierenden Materialien und erpressen von Klassenkameraden. Bei den Elternversammlungen wird 90% der zeit für Probleme geopfert, die von einem einzigen Schüler verursacht werden. Schließlich haben die Lehrer gesagt, dass sie nichts weiter tun können, und wenn die Eltern etwas ändern wollen, sollten sie sich an die Schulverwaltung wenden. Der Appell an die Schulverwaltung und die Schulaufsicht brachte kein Ergebnis. Drei Klassenkonferenzen wurden für dieses Kind bereits gehalten. Die Eltern sind nicht darüber informiert, was auf diesen Klassenkonferenzen los ist, aber wir wissen mit Gewissheit, dass niemand von den Opfern irgendeine Entschuldigung erhielt (weder vom Kind noch von seinen Eltern), zudem wurden die Opfer nicht einmal angehört. Aus Verzweiflung hielten die Eltern der Klasse zwei Streiks ab mit dem Ziel die Schulleitung zu veranlassen, das Kind in eine Parallelklasse (nach dem Berliner Schulgesetz §63 Abs.). Somit hätte auch das Kind eine Chance auf einen Neuanfang. Aber ohne Resultat. Die Situation eskaliert zusehends. Zusätzlich zu den Problemen mit der Disziplinlosigkeit kommt es jetzt zu einer Polarisierung innerhalb der Klasse. Die Atmosphäre in der Klasse ist sehr nervös. Lehrer verließen die Klasse, die Klassenlehrer haben ihr Amt niedergelegt. Die Kinder können aber nicht gehen.“ Was unternimmt der Senat, um die Sicherheit der Schüler in der Klasse zu gewährleisten, insbesondere diese vor weiteren Angriffen durch den Mitschüler zu schützen? - - 2 Zu 1.: Der Vorwurf, Schule und die Schulaufsicht hätten nicht zeitnah bzw. nicht angemessen auf die Konflikte reagiert, wird vom Senat nicht geteilt. Die Klassenkonferenz hat den zugrunde liegenden Sachverhalt umfassend ermittelt und gewürdigt. Zusätzlich gab es eine Vielzahl von Gesprächen seitens der Schulleitung, der Schulaufsicht , der Schulpsychologie und der Präventionsbeauftragten der Polizei. Bereits im Februar fanden Gespräche mit der Schulleitung und der Schulpsychologie über mögliche Maßnahmen statt. In verschiedenen Workshops haben Schulpsychologie und Präventionsbeauftragte der Polizei mit der Klasse gearbeitet. Gespräche der Elternvertreterinnen und Elternvertreter mit der Schulaufsicht haben ebenfalls stattgefunden und die notwendigen Inhalte und die schulischen Unterstützungssysteme (z.B. Installation eines schulischen Beratungsteams; Unterstützung durch externe Partner; Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie und der Polizei) thematisiert. In der am 18.7. stattgefundenen Elternversammlung hat die Schulleitung die Eltern über den Sachstand (Gespräche; Maßnahmen zum Aufstellen von Klassenregeln; Wechsel der Klassenleitung; Zusammenarbeit mit dem Träger „SELAM“) informiert. Die Schule wird im Rahmen ihrer Präsenztage einen Studientag zum Thema „Gewaltprävention und –intervision“ mit dem Ziel des Herausarbeitens eines schuleigenen Handlungsleitfadens durchführen. Ebenso wurde ein „Kompass für Kommunikation in Konfliktsituationen“ erstellt , der zu Beginn des neuen Schuljahres an alle Schülerinnen und Schüler/ Eltern verteilt werden soll. Zum Abschluss des Schuljahres hat die Schulleitung die Eltern in einem Elternbrief noch einmal zusammenfassend über den aktuellen Stand der geführten Gespräche informiert. 2. Sind – wenn ja, durch wen und wann, wenn nicht, weshalb nicht – die einzelnen Ordnungsmaßnahmen des §63 Abs. 2 Nr. 1-5 SchulG Berlin geprüft worden? Sind einzelne dieser Maßnahmen durchgeführt worden ? Zu 2.: Gemäß § 63 Schulgesetz (SchulG) obliegt es der Schule, Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Hier ist die Klassenkonferenz für die Prüfung zuständig. Die Schülerinnen und Schüler/ Eltern werden von der Schulleiterin vor der Klassenkonferenz bzw. in der Klassenkonferenz gehört. Das Ergebnis der Klassenkonferenz wird den beteiligten Eltern und Schülerinnen und Schülern mitgeteilt ; eine Information der gesamten Klasse ist nicht vorgesehen. Diese Verfahren fand auch im genannten Fall Anwendung, inklusive einzelner Ordnungsmaßnahmen gemäß § 63 SchulG. 3. Ist das zuständige Jugendamt bisher tätig geworden und hat insbesondere die Durchführung von Maßnahmen nach § 27 ff. SGB VIII geprüft? Sind diese durchgeführt worden und wenn nein, weshalb nicht? Zu 3.: Gemäß § 27 ff. Sozialgesetzbuch-Achtes Buch (SGB VIII) können sich die Eltern und Schülerinnen und Schüler schulpsychologisch beraten und begleiten lassen. Dies findet statt, die Arbeit des Kooperationspartners „SELAM“ soll die soziale Gruppenarbeit auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts durch soziales Lernen in der Gruppe fördern. - - 3 4. Soweit es durch den Schüler zu strafrechtlich relevantem Verhalten gegen seine Mitschüler gekommen sein kann, sind diese Taten durch die betreuende Lehrkraft oder die Schulleitung der Polizei angezeigt worden ? Wenn nein, weshalb nicht? Zu 4.: Aus datenschutzrechtlichen Gründen kann hierzu nicht berichtet werden. 5. Sind die Erziehungsberechtigten der betroffenen Schüler darüber belehrt worden, dass diese für ihre Kinder Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen können? Wenn ja, wann und durch wen? Wenn nein, weshalb nicht? Zu 5.: Die Schulleitungen sind über den „Notfallordner“ über das Opferentschädigungsgesetz informiert. Selbstverständlich informiert die Schulleitung die Erziehungsberechtigten, wenn Schülerinnen und Schüler eine Gewalttat erlebt haben. 6. Gibt es – und falls ja, mit welchem Wortlaut, falls nein, weshalb nicht – eine Dienstanweisung im Bereich der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie betreffend der Anzeige von Straftaten an Schulen durch Schulleitung, Lehrer oder sonstige Schulmitarbeiter? Zu 6.: Das Informationsschreiben „Gewalt und Notfälle“ vom 01.02.2011 regelt den Umgang mit Gewaltvorfällen und Notfallsituationen an Berliner Schulen und ist in den „Notfallpläne für Berliner Schulen“ zusammengefasst. Hier wird die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schulen auch im Umgang mit Gewaltvorfällen und Notfallsituationen gestärkt . Die Schulen sind verpflichtet, Gewaltvorfälle und Notfallsituationen aufzuarbeiten. Eine Gewaltmeldung erfolgt an die Schulpsychologie, an die Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Familie Bereich Gewaltprävention und Krisenteam, an die zuständige Schulaufsicht, an den Schulträger und in begründeten Fällen an das Jugendamt. Berlin, den 03. August 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-11840 S18-11840