Drucksache 18 / 11 853 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 20. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juli 2017) zum Thema: Stiftung Anerkennung und Hilfe, aktuelle Situation in Berlin für Betroffene, die als Kinder oder Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Psychiatrien Unrecht erlitten haben und Antwort vom 10. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. August 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11853 vom 20.07.2019 über Stiftung Anerkennung und Hilfe, aktuelle Situation in Berlin für Betroffene, die als Kinder oder Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Psychiatrien Unrecht erlitten haben ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann hat die Regionale Anlaufstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe ihre Arbeit in Berlin aufgenommen, wie arbeitet sie und wie viel Personal steht vor Ort zur Verfügung? Zu 1.: Das Land Berlin beabsichtigt, dass zwei Anlauf- und Beratungsstellen zum 21.08.2017 die Arbeit aufnehmen. Pro Beratungsangebot ist eine personelle Ausstattung im Gesamtumfang von 1,5 Vollzeitstellen vorzuhalten. Beabsichtigt wird der Einsatz von je zwei Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen sowie einer zusätzlichen Honorarkraft mit einschlägiger Qualifizierung für die Beratungstätigkeiten und Erfahrungen mit dem Personenkreis der Menschen mit Behinderung. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Beratungsstellen wird sichergestellt. Die Beratungsangebote werden in der Regel werktäglich am Vor- und Nachmittag erreichbar sein. Von den Öffnungszeiten abweichende individuelle ebenso wie aufsuchende Termine können vereinbart werden. 2 2. Wie sieht die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung in Berlin aus, um Betroffene oder ihre Angehörigen zu erreichen Zu 2.: Die Öffentlichkeitsarbeit erfolgt vorrangig über die Bundesgeschäftsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe. Über deren Internetauftritt werden aktuelle Meldungen, Veranstaltungen und FAQ (frequently asked questions) zur Verfügung gestellt. Im Sommer 2017 erfolgt ein Multiplikatoren-Mailing. 2018/2019 werden Veranstaltungen zur öffentlichen Anerkennung und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung durchgeführt. Zum Ende der Meldefrist (2. Halbjahr 2019) ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit geplant. In Berlin ist beabsichtigt -in Abstimmung mit der Bundesgeschäftsstelle- über die Errichtung der Anlauf- und Beratungsstellen in den Medien zu informieren, ferner sollen im Spätsommer auf den Internetportalen der Träger der Anlauf-und Beratungsstellen sowie der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Information zur Stiftung Anerkennung und Hilfe insbesondere zu den Berliner Anlauf-und Beratungsstellen eingestellt werden. 3. Welche Leistungen stehen für Betroffenen zur Verfügung? Zu 3.: Die Stiftung sieht folgende Leistungen vor: - Die öffentliche Anerkennung des den Betroffenen widerfahrenen Leids und Unrechts, - die Anerkennung durch wissenschaftliche Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse, - die Anerkennung durch persönliche Gespräche in den Anlauf- und Beratungsstellen und - Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen in Form einer einmaligen personenbezogenen Geldpauschale zur selbstbestimmten Verwendung in Höhe von 9.000 Euro und einen einmaligen pauschalen Betrag als finanziellen Ausgleich für entgangene Rentenansprüche (Rentenersatzleistung), der bei einer Arbeit von bis zu zwei Jahren 3.000 Euro und bei einer Arbeit von mehr als zwei Jahren 5.000 Euro beträgt 4. Wie viele Betroffene haben sich bis dato in Berlin gemeldet, mit wie vielen Betroffenen in Berlin rechnet das Land Berlin? Zu 4.: Derzeit (Stand 25.07.2017) sind 68 Nachfragen für Beratungsgespräche registriert. Konkrete Angaben zur Anzahl der Betroffenen können nicht erfolgen. Alle Berechnungen basieren auf der durchgeführten Machbarkeitsstudie und wurden anhand des Königsteiner Schlüssels (1989) für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (alt) und Prozentanteil der Einwohneranzahl (Stand 31.12.1991) Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ermittelt. Die durch das Bundesministerium für 3 Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie (2016) hat ca. 24.275 Berechtigte für alle Bundesländer ermittelt. 5. Mit welchem finanziellen Beitrag, personellen und weiteren Ressourcen bringt sich das Land Berlin in die Stiftung ein? Zu 5.: Zur Finanzierung der Stiftung haben die Stiftungserrichter (Bund, Länder und Kirchen) ein Gesamtausstattung in Höhe von 288.000.000 Euro vereinbart. Vom Gesamtvolumen soll der Bund 132.186.869 Euro, die Länder 99.411.254 Euro und die Kirchen 56.401.878 Euro tragen. Für das Land Berlin ergibt sich eine Beteiligungssumme von 1.402.639 Euro. Zum Betrieb und zur Finanzierung von drei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern in den regionalen Anlauf- und Beratungsstellen erhält Berlin (2017-2021) rd. 1.239.000 Euro aus dem Stiftungsvermögen. 6. Wer sitzt im regionalen Fachbeirat und wie arbeitet dieser? Zu 6.: Über die Etablierung eines regionalen Fachbeirates wird nach Auswertung der Tätigkeit der Anlauf- und Beratungsstellen im Frühjahr/Sommer 2018 entschieden. Unterstützung der Anlauf- und Beratungsstellen mit Expertenwissen erfolgt durch den überregionalen Fachbeirat der Stiftung. 7. Die Stiftung hat es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht, die Historie der Geschehnisse wissenschaftlich aufzuarbeiten, welche Schritte wurden in Berlin bereits getätigt und wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen? Zu 7.: Die Durchführung der wissenschaftlichen Aufarbeitung koordiniert die Stiftung Anerkennung und Hilfe, die Länder unterstützen durch die Bereitstellung von Daten unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der regionalen Anlauf– und Beratungsstellen erfragen bei den Betroffenen im Beratungsgespräch deren Bereitschaft zur Mitwirkung an der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Die Mitwirkung ist freiwillig und hat keinen Einfluss auf das Antragsverfahren. Ferner werden mit Einwilligung der Betroffenen Angaben zu Zeit und Art der Unterbringung sowie zum erlittenen Leid und Unrecht in anonymisierter Form dokumentiert und für die wissenschaftliche Aufarbeitung zur Verfügung gestellt. 8. Welche Schlüsse für die aktuelle Arbeit der stationären Einrichtungen, die mit Minderjährigen arbeiten wurden bereits gezogen und was hat sich aktuell in Berliner Einrichtungen auf Grundlage der bis dato vorliegenden Erkenntnisse verändert? 4 Zu 8.: Mit der Anlage zum Berliner Rahmenvertrag gegen Gewalt und Missbrauch haben die für Soziales zuständige Senatsverwaltung und die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Berlin vereinbart, dass für alle Leistungstypen präventive Ansätze und Strategien zu erarbeiten sind. Ebenso sind verbindliche, konkrete Handlungsanweisungen und Handlungsschritte bei Verdacht auf und im Fall von Gewalt und Missbrauch festzulegen. Die Träger von Einrichtungen und Diensten sind dazu aufgefordert, dies im Rahmen der Qualitätsentwicklung umzusetzen. Derzeit werden Umsetzungsverfahren in einer Arbeitsgruppe entwickelt. Die Berliner MUT-Stelle gegen sexuelle Gewalt wurde auf Initiative der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales eingerichtet und wird ebenso wie weitere Angebote finanziell gefördert. Die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung hat sich intensiv im Zusammenhang mit der Forschung und Aufarbeitung der ehemaligen Heimerziehung in den 60’er und 70’er Jahren in Westdeutschland (Fonds Heimerziehung West) und in der DDR (Fonds Heimerziehung Ost) mit den damaligen Strukturen und der damaligen pädagogischen Praxis auseinandergesetzt. Die Ausgestaltung des Betriebserlaubnisverfahrens nach § 45 SGB VIII, z. B. in Bezug auf die Verpflichtung zur Sicherstellung eines einrichtungsbezogenen Beschwerdeverfahrens als Voraussetzung zur Erlangung einer Betriebserlaubnis, ist eine gesetzliche Vorschrift, die sich auf die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Aufarbeitung bezieht. Die Sicherstellung des Fachkräftegebots, der regelhafte Abschluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen und die kontinuierliche Auswertung der Schlüsselprozesse in Qualitätsdialogen sind weitere Struktur- und Fachprinzipien, die eine professionelle und reflektierte Praxis sicherstellen sollen. Im Rahmen eines Modellprojektes wird derzeit eine unabhängige ombudschaftliche Beratung in der Berliner Jugendhilfe erprobt, eine Verstetigung auf Basis der Evaluation ist für die Haushaltsjahre 2018/2019 geplant. Berlin, den 10. August 2017 Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-11853 S18-11853 S18-11853 S18-11853 S18-11853 S18-11853