Drucksache 18 / 11 861 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader (LINKE) vom 20. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juli 2017) zum Thema: Rechte Anschlagsserie in Neukölln und ihre Hintergründe (III) – Besondere Einsatzgruppen der Polizei und Antwort vom 02. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) und Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11861 vom 20. Juli 2017 über Rechte Anschlagsserie in Neukölln und ihre Hintergründe (III) – Besondere Einsatzgruppen der Polizei ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aus welchem Grund wurde die „Einsatzgruppe Rechtsextremismus“ (EG Rex) des Polizeiabschnitts 56 in Neukölln im Frühjahr 2016 aufgelöst und a. Wie war die EG Rex personell ausgestattet? b. Welche besonderen Qualifikationen zeichneten die Einsatzgruppe aus? c. Wie war die EG Rex organisatorisch im Abschnitt 56 und in der Direktion 5 eingegliedert? d. Wie lautete die genaue Aufgabenbeschreibung der Einsatzgruppe? e. Wo befand sich der Arbeitsort der Einsatzgruppe? Zu 1. a – e.: Als Ergebnis einer beständig durchgeführten Evaluation der themenbezogenen Fallzahlen war die im Jahr 2007 erstmalig festgestellte Häufung rechtsextremistischer Straftaten im Bereich des Abschnitts 56 (A 56) der Polizeidirektion 5 seit mehreren Jahren fortgesetzt rückläufig. Konspirative Treffen Angehöriger der rechten Szene waren nicht mehr festzustellen. Daher konnte im Jahr 2016 die Arbeit der Einsatzgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) eingestellt werden. Die EG Rex wurde im Oktober 2007 gegründet und bestand anfänglich aus elf Dienstkräften aus dem Personalkörper des A 56. In den darauffolgenden Jahren unterlag der Kräfteansatz der EG Rex Schwankungen, bedingt durch die Entwicklung der Kriminalitätslage, durch organisatorische Veränderungen auf Abschnittsebene beziehungsweise allgemeinen Personalfluktuationen. Im März 2013 versahen zuletzt drei Dienstkräfte ihren Dienst in der EG Rex. Im Zuge ihrer Aufgabenwahrnehmung ist es der EG Rex gelungen, das Dunkelfeld der rechten Szene zu erhellen, Angehörige und Sympathisanten aus der Anonymität zu holen und diese einem ständigen Überwachungsdruck auszusetzen. Die verstärkte Präsenz der EG Rex führte zunehmend zu einer Verunsicherung der Seite 2 von 5 rechten Szene und es setzte ein Umdenken ein. Die ehemals der rechten Szene zugehörigen Personen verhielten sich gesetzeskonform oder konnten kaum mehr im Bereich des A 56 wahrgenommen werden. Des Weiteren wurden die Dienstkräfte der EG Rex zur Bewältigung von Einsatzlagen angefordert. Diese Anforderungen erfolgten überwiegend im Zusammenhang mit größeren Versammlungs- und Veranstaltungslagen außerhalb der Direktion 5. Neben der Repression betätigten sich die Dienstkräfte EG Rex auch in der Kriminalprävention und schaffte ein Netzwerk zwischen ortsansässigen Bündnissen und der Polizei Berlin. Durch ihre ständige Erreich- und Ansprechbarkeit entstand zwischen der EG Rex und den Bündnissen sowie Anwohnern ein Vertrauensverhältnis. Mit ihrer Gründung ist die EG Rex zunächst temporär in das Abschnittsgefüge implementiert worden. Im Februar 2008 wurde die EG Rex als dauerhafte Einrichtung an die für den Ortsteil Rudow zuständige 4. Dienstgruppe des Abschnitts 56 angebunden, weil sich hier ein Brennpunkt rechtsextremistischer Straftaten entwickelt hatte. Als Einsatzziele wurden die Erhellung und Aufdeckung rechtsextremistischer Strukturen an erkannten Brennpunkten im Bereich des A 56 sowie die Verunsicherung der rechten Szene durch intensivierte Präventions- und Repressionsmaßnahmen, unter anderem bei Versammlungen und Veranstaltungen, definiert. In den ersten Jahren versahen die Dienstkräfte EG Rex ihren Dienst im Bereich des A 56, da es hier zu einer Häufung von rechtsextremistischen Straftaten sowie zu einer sich bildenden und verfestigenden rechten Szene kam. Nachdem im Jahr 2009 eine deutliche Lageberuhigung eintrat, unterstützte die EG Rex stadtweit andere Dienststellen bei der Bewältigung von Einsätzen im Zusammenhang mit der rechten Szene. 2. Aus welchem Grund wurde im März 2017 eine „Operative Gruppe Rechtsextremismus“ (OG Rex) im Polizeiabschnitt 56 eingerichtet und a. Wie ist die OG Rex personell ausgestattet? b. Welche besonderen Qualifikationen zeichnen die OG Rex aus? c. Wie ist die OG Rex organisatorisch im Abschnitt 56 und in der Direktion 5 eingegliedert? d. Wie lautet die genaue Aufgabenbeschreibung der OG Rex? e. Wo befindet sich der Arbeitsort der OG Rex? Zu 2. a – e.: Aufgrund wieder ansteigender Fallzahlen rechtsextremistischer Straftaten im Bereich des Polizeiabschnitts 56 wurde die EG Rex, nun als Operative Gruppe Rechtsextremismus (OG Rex), erneut eingerichtet. Derzeit versehen drei Dienstkräfte ihren Dienst bei der OG Rex. Die Qualifikation der Dienstkräfte der OG Rex begründet sich unter anderem in ihrer Fach- und Sozialkompetenz. So verfügen die Dienstkräfte der OG Rex unter anderem über langjährige Erfahrungen im Bereich der verdeckten Aufklärung, wodurch sie in der Lage sind, Feststellungen unauffällig zu treffen, ohne hierbei erkannt zu werden. Des Weiteren verfügen sie über die Fähigkeit, die ihnen Seite 3 von 5 zugewiesenen Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich zu bewältigen. Durch (eigen-) ständige Aus- und Fortbildung entwickeln sich die Angehörigen der OG Rex zu szenekundigen Dienstkräften. Die OG Rex ist organisatorisch bei der 3. Dienstgruppe des A 56 angegliedert. Die OG Rex dient konzeptionell der Netzwerkpflege und Beratung von im Bereich des A 56 aktiven Initiativen und Bündnissen gegen Rechts sowie von Opfern oder potentiell gefährdeten Personen rechter Gewalt und setzt sich anlassbezogen im Rahmen von ihr dienstlich bekannt gewordenen Veranstaltungen mit Organisatorinnen bzw. Organisatoren und beteiligten Einzelpersonen in Verbindung. Dabei wurden unter anderem Kontakte zu den Initiativen „Hufeisern gegen Rechts“, „Aktionsbündnis Rudow für Demokratie und Toleranz“ sowie „SJD - Die Falken“ aufgenommen bzw. erneuert. Darüber hinaus klärt die OG Rex die regional agierende rechte Szene hinsichtlich ihrer Aktivitäten und Absichten auf und zeigt Präsenz zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz potenzieller Opfer. Die OG Rex arbeitet außendienstorientiert im Bereich des A 56, der für die Neuköllner Ortsteile Rudow, Buckow, Britz und Gropiusstadt zuständig ist. 3. Inwieweit gibt es personelle Überschneidungen zwischen der aufgelösten EG Rex und der gegenwärtig arbeitenden OG Rex? Zu 3.: Der ehemalige Teamführer der EG Rex hat auch die neue OG Rex übernommen. Damit ist eine personelle Kontinuität gewährleistet. 4. Welche sonstigen Unterschiede gibt es zwischen EG Rex und OG Rex? Zu 4.: Außer personellen Unterschieden keine. 5. Warum wurde ein neuer Name für die Operative Gruppe Rechtsextremismus gewählt? Zu 5.: Die Umbenennung erfolgte, da die Abkürzung „EG“ für Ermittlungsgruppe steht. Ermittlungen in Staatsschutzangelegenheiten obliegen aber allein dem Polizeilichen Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin. 6. Wer hat wie die Aufgaben übernommen, die zuvor die EG Rex und jetzt die OG Rex bearbeitet haben bzw. bearbeiten, als keine solche besondere Gruppe eingerichtet war? Zu 6.: Die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität - rechts ist eine behördenweite Aufgabe mit Auswirkungen für jede einzelne Dienstkraft. Damit gewährleisten die Gliederungseinheiten der Polizei Berlin, dass unter anderem Erkenntnisse über potenzielle Täter, Tätergruppierungen und Strukturen, Veranstaltungen, Aktionen über Treff- und Sammelpunkte gewonnen sowie hinreichende Einblicke in die örtlichen / regionalen Strukturen erlangt werden. In der Direktion 5 wurde zur fortgesetzten Bekämpfung des Rechtsextremismus und zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Extremismus aller Art, die/der regionale Ansprechpartnerin/Ansprechpartner gegen Rechtsextremismus in Seite 4 von 5 der Direktion 5 eingeführt. Die nachfolgenden Verantwortlichkeiten sind unter anderem übertragen worden: - Fortführung und Intensivierung der Netzwerkarbeit im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus und aller Formen der Hasskriminalität - Zentrale Informationssammlung und -auswertung - Verbesserung des Informationsmanagements in Bezug auf das LKA 5 (Polizeilicher Staatsschutz) und das LKA 6 (Operative Dienste) - Durchführung direktionsinterner Veranstaltungen zur Fortbildung und Sensibilisierung der Dienstkräfte. 7. Seit wann und aus welchem Grund ist die Sonderkommission „Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln“ (RESIN) im Berliner Landeskriminalamt mit der Neuköllner Anschlagsserie befasst und a. Wie ist die Soko RESIN personell ausgestattet? b. Welche besonderen Qualifikationen zeichnen die Soko RESIN aus? c. Wie ist die Soko RESIN organisatorisch im LKA eingegliedert? d. Wie lautet die genaue Aufgabenbeschreibung der Soko RESIN? e. Wo befindet sich der Arbeitsort der Soko RESIN? Zu 7. a bis e: Seit Anfang Oktober 2016 kam es im Bereich Berlin-Neukölln vermehrt zu Straftaten gegen vermeintlich „linke Objekte“ sowie gegen Privatanschriften von Personen, welche sich im Kampf gegen Rechts engagieren. Es handelte sich hierbei um Sachbeschädigungen, bei denen ein innerer Zusammenhang zu vermuten ist. Aufgrund eines ebenfalls anzunehmenden Sachzusammenhanges werden darüber hinaus Brandstiftungen an einer Bar sowie an Kraftfahrzeugen unter anderem von Neuköllner Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitikern in die kriminalpolizeiliche Bearbeitung einbezogen. Aufgrund der Art und Weise sowie der Intensität der Straftatenbegehung wurde mit Wirkung zum 25. Januar 2017 beim Polizeilichen Staatsschutz des LKA Berlin die Ermittlungsgruppe „Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln“ (EG RESIN) eingerichtet. Dort findet eine gebündelte Bearbeitung der Taten statt. Die EG RESIN besteht personell aus einem Ermittlungsgruppenleiter und fünf sachbearbeitenden Polizeibediensteten. Alle Angehörigen der EG RESIN sind langjährige Mitarbeitende des Polizeilichen Staatsschutzes. Sie verfügen unter anderem über umfangreiche Kenntnisse im Bereich der gewaltbereiten, rechten Szene. Die EG RESIN ist administrativ und logistisch dem Fachkommissariat zur Bekämpfung des organisierten Rechtsextremismus des LKA 5 angegliedert. Die Aufgabenbeschreibung der EG RESIN umfasst die Aufklärung der hier in Rede stehenden Straftatenhäufung sowie die Ermittlung von Tatverdächtigen. Weiterhin fungierend die Mitarbeitenden als Ansprechpartner für Bürgerinitiativen und beraten beziehungsweise koordinieren bei Bedarf präventive Maßnahmen der Polizei Berlin im Rahmen des jeweiligen Tatkomplexes. Der Arbeitsort der EG RESIN ist beim Polizeilichen Staatsschutz des LKA Berlin. 8. Wie erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der Soko RESIN und der OG Rex? Seite 5 von 5 Zu 8.: Zwischen der OG Rex des A 56 und der EG RESIN besteht auf Arbeitsebene ein regelmäßiger Informationsaustausch. Auch werden beide Gliederungseinheiten zum Teil zusammen eingesetzt, beispielsweise bei der Betreuung von Veranstaltungen der rechten Szene. 9. Befasst sich die Soko RESIN inzwischen auch mit Taten außerhalb Neuköllns, die im Zusammenhang mit der Serie stehen könnten und wenn ja, bitte aufschlüsseln (bitte einzeln Datum, Uhrzeit, Straftatbestand, Tatmotiv, Tatort und Tathergang auflisten)? Zu 9.: Nachfolgender Auflistung können die angefragten Straftaten entnommen werden. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Sachbeschädigungen in Form von Farbschmierereien mit beleidigendem Inhalt an den Hauswänden der Wohnanschriften der geschädigten Personen. Über die Motivlage kann nur spekuliert werden, sodass diese keinen Eingang in die folgende Auflistung (Stand 26. Juli 2017) finden kann. Datum Uhrzeit / Feststellzeit Tatort 27.12.2016 17:42 Uhr Luckauer Str. 13 10969 Berlin 07.02.2017 02:30 Uhr Kameruner Str. 8 13351 Berlin 07.02.2017 02:45 Uhr Sprengelstr. 10 13353 Berlin 07.02.2017 00:00 – 09:00 Uhr (Tatzeitraum) Brüsseler Str. 16 13353 Berlin 07.02.2017 02:00 Uhr Liverpooler Str. 4, 13349 Berlin 07.02.2017 05:00 Uhr Soldiner Str. 69 13359 Berlin 07.02.2017 10:00 Uhr Liebenwalder Str. 31 13347 Berlin 06.03.2017 09:00 Uhr Spremberger Str. 17, 12627 Berlin Berlin, den 02. August 2017 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11861 S18-11861