Drucksache 18 / 11 872 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fréderic Verrycken (SPD) vom 17. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juli 2017) zum Thema: Schließung der Al-Nur Moschee in Berlin-Neukölln und Antwort vom 08. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Fréderic Verrycken (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11872 vom 17. Juli 2017 über Schließung der Al-Nur Moschee in Berlin-Neukölln ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie steht der Senat zu einer Schließung der Al-Nur Moschee in Berlin-Neukölln? Zu 1.: Zu vereinsrechtlichen Verbotsverfahren erteilt der Senat grundsätzlich, auch im Rahmen der Beantwortung von Schriftlichen Anfragen, keine Auskünfte, da es sich um verdeckte Verfahren handelt und der Zweck der Verfahren nicht gefährdet werden soll. 2. Welche konkreten politischen Schritte unternimmt der Senat, um antisemitischen, israelfeindlichen und antidemokratischen Inhalten entgegenzutreten? Zu 2.: Der Regierende Bürgermeister und die Staatssekretärin und Staatssekretäre der Senatskanzlei nehmen regelmäßig Termine im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und antidemokratischen Tendenzen wahr (Reden, Preisverleihungen, themenspezifische Gesprächsrunden), sowohl im Berliner Rathaus als auch außerhalb, und so insbesondere auch in Schulen. Beispielhaft sei die Verleihung des Bandes für Mut und Verständigung genannt, das der Regierende Bürgermeister von Berlin im Wechsel mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten seit 1993 jährlich an Einzelpersonen und Projekte verleiht, die sich in nachahmenswerter Weise gegen Intoleranz und für Verständigung einsetzen. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung unterstützt die Prävention von Antisemitismus und Demokratiefeindschaft durch Projektförderungen im Rahmen des Landesprogramms „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“. Aktuelle Angaben zu den geförderten Projekten sind den Antworten auf die Schriftlichen Anfragen 18/10883 und 18/11191 zu entnehmen. Seite 2 von 4 Im Bereich der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gibt es zahlreiche Maßnahmen und Unterstützungsangebote, durch die antisemitischen, israelfeindlichen und antidemokratischen Tendenzen entgegengetreten wird. Die Angebote für Schulen und Jugendeinrichtungen sind im Bereich der politischen Bildungsarbeit angesiedelt und werden meist in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern durchgeführt . Dazu zählen unter anderem: Modellprojekte „Hands across the campus“, „aktiv gegen Antisemitismus“ und „Demokratie stärken – Aktiv gegen Salafismus und Antisemitismus“ (Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulleitungen, zurzeit Teilnahme von 19 Schulen, Einbeziehung weiterer Schulen ist geplant) Fortbildungsreihe „Standpunkte“ in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, Qualifizierung von Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern sowie Ausbildern im Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit Kooperation mit dem Mideast Freedom Forum Berlin, Fortbildungen „Die israelische Demokratie und der Nahostkonflikt“ und „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Projekt „Solutions Not Sides – Im Gespräch mit Jugendlichen aus Israel und Palästina “ (geplant ab September 2017) Systematische Zusammenstellung und Veröffentlichung von Materialien, Hinweisen zum pädagogischen Handeln und Unterstützungsangeboten außerschulischer Träger durch das LISUM in Zusammenarbeit mit ufuq.de Präventionsarbeit an Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Förderung von Projekten zur Vermeidung, Früherkennung und Umkehr von Radikalisierungsprozessen (Aufklärungsworkshops an Schulen) Deradikalisierung, z. B. Beratungsstelle KOMPASS - Toleranz statt Extremismus und CROSSROADS – Beratung, Vorbeugung, Deradikalisierung Beratungsstellen für Einzelpersonen und Teams; z.B. Diskriminierung und Antidiskriminierung , Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt , Gemeinwesen Beratung / Beratung für staatl. Institutionen und Zivilgesellschaft , Demokratische Schulentwicklung, Historisch politische Bildungsarbeit (durch eine Vielzahl von Trägern und Kooperationspartnern) Berliner Projekte aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, u. a.: „MFFB - Bildungsbausteine : Demokratie stärken - Antisemitismus bekämpfen“; „Anders Denken. Politische Bildung gegen Antisemitismus“, „Vorurteile abbauen, antisemitische Ressentiments bekämpfen“, „Verknüpfungen. Antisemitismus in der pluralen Gesellschaft “, „Shalom - Salam: wohin?“ „Anti-Antisemitismus“; „Demokratie stärken - Aktiv gegen Antisemitismus und Salafismus“, „WERTE-WERKSTATT“; „Diagnostisch - Therapeutisches Netzwerk Extremismus (DNE)“; „Akteure der Jugendbildung stärken - Jugendliche vor Radikalisierung schützen“; „Die Freiheit, die ich meine - Gesicht Zeigen!“; „Präventionsnetzwerk gegen religiös begründeten Extremismus “. Mitarbeit Berlins im Rahmen der KMK-Initiative „Vermittlung jüdischer Geschichte, Religion und Kultur in der Schule“ Seite 3 von 4 Jugendarbeit durch die 7 Berliner Jugendbildungsstätten (wannseeFORUM, Kurt- Löwenstein-Haus, Haus Kreisau Helmut-Gollwitzer-Haus, Jbst Kaubstraße, Jbst der Sportjugend, Kurt-Löwenstein-Haus), die im Landesjugendring organisierten Jugendverbände und die Drehscheibe Kinder- und Jugendpolitik Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung bietet Berlinerinnen und Berlinern zahlreiche Publikationen zur historisch politischen Bildung und zu Phänomenen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Landeszentrale hat mit Partnern, wie dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus und dem New Israel Fund-Deutschland e.V., Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu Antisemitismus und zum Nahostkonflikt durchgeführt. Für Neuzuwanderer hat die Landeszentrale Demokratiemodule zur politischen Bildung entwickelt, die auch mit arabischer, englischer und persischer Übersetzung angeboten werden. Das Berliner Landesprogramm Radikalisierungsprävention wurde am 22.12.2015 vom Senat beschlossen. Zentrale Zielsetzung des Landesprogramms ist die wirksame Spezialprävention gegen jihadistisch-salafistische Radikalisierung sowie die Deradikalisierung durch die Förderung speziell ausgerichteter Projekte und Maßnahmen . Im Fokus stehen Erscheinungsformen und Rekrutierungsstrategien des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) unter Berücksichtigung heterogener Zielgruppen und verschiedener Rekrutierungsorte. Daraus ergibt sich ein entsprechender Sicherheitsbezug sowie damit einhergehend eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden . Mit dem oben genannten Programm wird der Ansatz einer ressortübergreifenden Präventions- und Interventionsstrategie umgesetzt und weiterentwickelt. Hierbei erfolgen zum einen im Rahmen der sekundären Prävention die Früherkennung und die Arbeit mit Risikogruppen. Zum anderen werden im Rahmen der tertiären Prävention Maßnahmen durchgeführt, wie beispielsweise die Initiierung und Begleitung von Distanzierungs - und Deradikalisierungsprozessen bei Jugendlichen und Erwachsenen mit dem Ziel der Vermeidung einer weiteren Eskalation. Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Deradikalisierungsarbeit fließen in die präventiven Angebote mit ein. Zurzeit werden 22 Projekte im Rahmen des Landesprogramms in den folgenden Bereichen durchgeführt: Workshops in Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe geschlechterspezifische Aufklärung von Mädchen und jungen Frauen, Internet und soziale Medien, Integrationsunterstützungsangebote und Deradikalisierung in Bezug auf Geflüchtete , Deradikalisierung sowie Deradikalisierung im Justizvollzug, Multiplikator/innen-Schulungen und Ausbildung von Peers. Mit Hilfe wissenschaftlicher Begleitung sowie verschiedener Projektevaluationen wird eine wissenschaftsbasierte Bewertung der Projekte zur Radikalisierungsvermeidung Seite 4 von 4 und Deradikalisierung sowie die passgenaue Weiterentwicklung der Aktivitäten im Rahmen des Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention sichergestellt. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) legt bei den Vorgaben für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete eine Kultur der Gewaltfreiheit zu Grunde. Aus diesem Grunde beinhalten die überarbeiteten Qualitätsanforderungen aus dem Jahr 2016 die Forderung nach Betreiberkonzepten, die u.a. auch ein Sicherheitskonzept/ Gewaltschutzkonzept enthalten, in dem – neben anderen Maßnahmen - ein Schutzkonzept für besonders schutzwürdige Personen zwingend zu beschreiben ist, welches auch den Schutz von religiösen Minderheiten umfasst. 3. Gibt es Erkenntnisse über Verbindungen der Moschee zu verfassungsfeindlichen Organisationen, salafistischen Vereinen und Moscheen? Zu 3.: Auf die Berliner Verfassungsschutzberichte der Jahre 2015 und 2016 wird verwiesen. Danach kann die Al-Nur-Moschee aufgrund der regelmäßig durchgeführten Islamseminare unter Beteiligung salafistischer Prediger sowie der auch außerhalb dieser Islamseminare erfolgten Einladung von salafistischen Gastimamen als Teil überregionaler salafistischer Netzwerke bezeichnet werden. 4. Wenn ja, um welche Organisationen handelt es sich? Zu 4.: Die unter 3. beschriebenen Gastimame traten in Berlin teils auch in der As-Sahaba- Moschee und in der Ibrahim al-Khalil-Moschee auf. 5. Hat der Senat Erkenntnisse darüber, ob die Al-Nur Moschee in Flüchtlingsnotunterkünften mobilisiert ? Zu 5.: Es liegen einzelne allgemeine Hinweise aus dem Jahr 2015 über Anwerbeversuche durch Salafisten mit Anbindung an die Al-Nur-Moschee vor. Es ist auch festzustellen, dass der Anteil von Flüchtlingen unter den Besucherinnen und Besuchern kontinuierlich steigt. 6. Wenn ja, um welche Flüchtlingsunterkünfte handelt es sich? Zu 6.: Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 08. August 2017 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-11872 S18-11872