Drucksache 18 / 11 901 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 25. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juli 2017) zum Thema: Aufklärung der Vorfälle am Herder-Gymnasium und Antwort vom 07. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11901 vom 25.07.2017 über Aufklärung der Vorfälle am Herder-Gymnasium ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen zu den Fragen 1., 2., 3., 4. und 8.: Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind Aussagen, die Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichen, nicht zulässig. Deshalb werden die geltenden Verfahrensregeln in allgemeiner Form benannt. 1. Wann haben die gewalttätigen Überfälle des Schülers der Klasse 5f, der auch suspendiert wurde, stattgefunden und wann wurden diese der Schulleitung gemeldet? Zu 1.: Im Allgemeinen gilt, wenn es an Schulen zu gewalttätigen Überfällen kommt, ist dies unverzüglich der Klassenleitung und der Schulleitung anzuzeigen. Die Schulleitung kann in dringenden Fällen gemäß §63 Schulgesetz den Ausschluss vom Unterricht anordnen. 2. Wie hat die Schulleitung auf die Information reagiert, dass ein Vater Anzeige erstattet hat? Zu 2.: Im Allgemeinen gilt, wenn Eltern Anzeige bei der Polizei erstatten, ist die Schulleitung nicht zwingend informiert, da sie für die Bearbeitung einer Strafanzeige nicht zuständig ist. 3. Wann wurde die Schulaufsicht eingeschaltet und wie hat diese reagiert? - - 2 Zu 3.: Im Allgemeinen gilt, die Schulaufsicht steht ständig in engem Kontakt zu den Schulen und unterstützt sie beratend bei Konflikten und Störungen in der Unterrichts- und Erziehungsarbeit . 4. Wann wurden die Eltern des übergriffigen Schülers benachrichtigt? Zu 4.: Im Allgemeinen gilt, wenn die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule beeinträchtigt oder gefährdet ist, werden die Eltern unverzüglich durch die Schulleitung oder Klassenleitung benachrichtigt. 5. Welche Möglichkeit haben die Eltern von angegriffenen Schülerinnen und Schülern, die Schulleitung möglichst schnell auf Konfliktsituationen in den Klassen ihrer Kinder aufmerksam zu machen und von der Schule Unterstützung zu erhalten? Zu 5.: In den Schulen gibt es ein schulspezifisch abgestimmtes Prozedere zum Informationsfluss zwischen Eltern/Elternvertretern - Klassenleitung - Schulleitung. Dies kann z.B. über E- Mail-Kontakt, persönlichen oder telefonischen Kontakt zum Sekretariat/zur Schulleitung erfolgen. 6. Welche Procedere sind schulintern in staatlichen Gymnasien vorgesehen, falls es zu gewaltsamen Angriffen von Schülerinnen und Schülern gegen andere Schülerinnen und Schüler kommt? Zu 6.: Das Informationsschreiben „Gewalt und Notfälle“ vom 01.02.2011 regelt den Umgang mit Gewaltvorfällen und Notfallsituationen an Berliner Schulen und ist in der Sammlung „Notfallpläne für Berliner Schulen“ zusammengefasst. Hier wird die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schulen auch im Umgang mit Gewaltvorfällen und Notfallsituationen gestärkt. Die Schulen sind verpflichtet, Gewaltvorfälle und Notfallsituationen aufzuarbeiten. Eine Gewaltmeldung erfolgt an die Schulpsychologie, an die Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Familie, Bereich Gewaltprävention und Krisenteam, an die zuständige Schulaufsicht, an den Schulträger und in begründeten Fällen an das Jugendamt. 7. Welche Verfahrensabläufe muss die Schulaufsicht einhalten, um möglichst schnell und effektiv zur Konfliktlösung beizutragen? Zu 7.: Die Schulaufsicht steht ständig in engem Kontakt zu den Schulen und unterstützt sie beratend bei Konflikten und Störungen in der Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Hierzu gehören auch konfliktlösende Gespräche mit allen Beteiligten (Lehrkräften, Elternvertretern) unter Einbeziehung verschiedener Unterstützungssysteme (Schulpsychologie, Moderation durch freie Träger). - - 3 8. Wie viel Zeit ist zwischen der ersten Meldung über einen gewaltsamen Angriff auf Mitschüler bis zum Stattfinden der Schulkonferenz vergangen? Zu 8.: Im Allgemeinen gilt, wenn die Klassenleitung/Schulleitung die Meldung eines Gewaltvorfalls erhält, prüft die Klassenkonferenz gemäß §63 SchulG, ob Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden. Die Klassenkonferenz wird in der Regel eine Woche nach einem Vorfall stattfinden. Wenn von der Klassenkonferenz die Maßnahme „Überweisung in eine andere Schule desselben Bildungsganges“ getroffen wird, muss die Schulkonferenz zeitnah gehört werden . Die Entscheidung trifft nach Anhörung die Schulaufsicht. 9. Plant der Senat Verbesserungen bei den schulinternen Verfahren im Hinblick auf die Zeitabläufe, gerade im Hinblick auf die Lernsituation der beteiligten Schülerinnen und Schüler? Zu 9.: Die Schulen evaluieren ihre Verfahren und passen sie den veränderten Situationen an. 10. Wie viele Unterrichtsstunden sind für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich aus Protest schuldistanziert verhalten haben, ausgefallen? Zu 10.: Nicht alle Schülerinnen und Schüler der Klasse haben sich schuldistanziert verhalten. Für die anwesenden Schülerinnen und Schüler fand Unterricht statt. Der versäumte Unterricht wurde für die anderen Schülerinnen und Schüler (8 Stunden) in Rücksprache mit den Fachlehrkräften aufgearbeitet. 11. Was meint die Senatorin Sandra Scheeres mit folgenden Begriffen: „Maßnahmen im präventiven Bereich “, „Beratungsstrukturen“, „Beschwerdemanagement“ und die Schule engmaschig (zu) begleiten“ (22.6.2017) in ihrer Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit den Vorfällen am Herder-Gymnasium? Zu 11.: „Maßnahmen im präventiven Bereich“ sind alle Veranstaltungen und Projekte, die Schulen zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags durchführen, z.B. Workshops zur Gewaltprävention in Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie und der Präventionsbeauftragten der Polizei und freien Trägern; Aufstellen von Klassenregeln; Coaching für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte; Zusammenarbeit mit proSchul. „Beratungsstrukturen“ implizieren ein transparentes Gebilde zu Kommunikationsstrukturen in der Institution Schule. Hier hat das Herder-Gymnasium einen Kompass zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Eltern und Schule entwickelt, der zu Beginn des neuen Schuljahres jeder Schülerin und jedem Schüler und den Eltern als Handlungsinstrument zur Verfügung stehen wird. Im „Beschwerdemanagement“ stehen den Eltern in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung. - - 4 „Engmaschig begleitet“ wird die Schule durch die Schulaufsicht und die Schulpsychologie in ihrer unterstützenden und beratenden Funktion. 12. Wie hilfreich sind die von Senatorin Scheeres genannten Maßnahmen vor dem Hintergrund der Tatsache , dass die Übergriffe des suspendierten Schülers seit Herbst 2016 bekannt waren und dass er im Mai 2017 bei einer Mitschülerin sexuell übergriffig wurde? Zu 12.: Diese Maßnahmen sind für die Schulen ein hilfreiches Unterstützungsangebot, was intensiv genutzt wird. Die Klassenkonferenz ist dem Vorwurf des sexuellen Übergriffs nachgegangen und hat ihn - soweit möglich - umfassend geprüft. Die Klassenkonferenz hat dabei unter Einbeziehung beider Seiten den Vorwurf nicht bestätigt. 13. Welche Resultate hat der von Senatorin durchgeführte Fachtag zum Thema Inklusion, an dem Schulaufsicht , Jugendamtsdirektoren, Unterstützungszentren, Regionale Soziale Dienste, Schulleitungen und Lehrkräfte teilnehmen sollten, hervorgebracht? Zu 13.: Am 23.6.17 fand im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eine berlinweite Fachtagung zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung und mit psychosozialem Unterstützungsbedarf in der inklusiven Schule“ statt. Hauptschwerpunkt der Tagung war die Vorstellung des Expertenpapiers zum o.g. Thema und eine Diskussion verschiedener Aspekte des Papiers in Arbeitsgruppen. Das vorgestellte Expertenpapier ist das Ergebnis eines intensiven Arbeitsprozesses einer Facharbeitsgruppe , die von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie initiiert wurde. Die Facharbeitsgruppe bestand aus Expertinnen und Experten von Jugendämtern, Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten, von Trägern der Jugendhilfe, aus den Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ), aus Schulen, aus der regionalen Schulaufsicht sowie der Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Familie. Das auf der Tagung vorgestellte und diskutierte Expertenpapier beschreibt Faktoren und Aspekte, welche die „Haltequalität“ an Schulen wirksam und nachhaltig stärken; fachliche Standards, für die Entwicklung geeigneter Unterstützungskontexte sowie „Szenarien“ bei fachübergreifendem Unterstützungsbedarf und „Prototypen“ als Beispiele für mögliche Unterstützungskontexte und -maßnahmen für die unterschiedlichen Zielgruppen. Mit dem Expertenpapier soll den Agierenden mehr Handlungssicherheit gegeben werden. Es bildet eine Grundlage für mögliche Veränderungen der Ausstattung für unterschiedliche Unterstützungskontexte für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung und mit psychosozialem Unterstützungsbedarf. In nächster Zeit werden Vorschläge zur praktischen Umsetzung erarbeitet. Eine Veröffentlichung des Expertenpapiers erfolgt in Kürze. - - 5 14. An wie vielen von den staatlichen Gymnasien in Berlin gibt es Lerngruppen mit Kindern mit emotionalsozialem Förderbedarf und wie lautet der Betreuungsschlüssel? Zu 14.: Pro Schülerin und Schüler stehen gemäß Verwaltungsvorschrift (VV) Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen drei Stunden zur Verfügung. In Berlin gibt es an 33 Gymnasien 56 Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf in der jeweiligen Lerngruppe/Klasse. Berlin, den 07. August 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-11901 S18-11901