Drucksache 18 / 12 032 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) vom 08. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2017) zum Thema: Sauberkeit des Tegeler Sees und Antwort vom 23. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12032 vom 08.08.2017 über Sauberkeit des Tegeler Sees Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1a: Wieso gibt es in diesem Jahr keine Spritz-Bojen (Belüftungstonnen, die den Tegeler See mit Sauerstoff anreichern), die die Wasserqualität im Tegeler See erheblich verbessern? Antwort zu 1a: Die „Spritzbojen“ gehören zur Belüftungsanlage im Tegeler See, die in Notfällen für den Sauerstoffeintrag ins Tiefenwasser sorgt. Sie wurde in diesem Jahr noch nicht benötigt. Die Sauerstoffverteilung wird 14 tägig überwacht, es wurde bislang ein ausreichender Sauerstoffgehalt für die Fischgemeinschaft im See gemessen. Durch den starken Wind durchmischte sich der See bis in 5 m Tiefe und war hier reich an Sauerstoff. Frage 1b: Ist der fehlende Einsatz der Spritz-Bojen der Grund, wieso der Tegeler See so trüb ist wie seit Jahren nicht mehr? Antwort zu 1b: Die Belüftung des Tiefenwassers hat nichts mit dem Phytoplankton (Mikroalgen) in der durchlichteten oberen Zone des Sees zu tun. Der See ist im Sommer thermisch geschichtet, d.h. eine warme nährstoffarme oberflächennahe durchlichtete Schicht (Epilimnion) ist von einer kühleren nährstoffreicheren dunklen Schicht (Hypolimnion) getrennt. Die oberflächennahe Schicht (0 bis 3m) hat durch den Phosphorentzug in der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA Tegel) nährstoffarmes Wasser, in dem nur wenig Phytoplankton wachsen kann. Deshalb ist in der Regel das Wasser klar. Die starken Regenfälle in den letzten Wochen hatten jedoch drastische Auswirkungen auf den Betrieb der OWA. In der Summe sind im Gebiet Tegel in den Monaten Juni und Juli ca. 420 l/m² Regen gefallen, das entspricht fast der Jahresmenge an Niederschlag in Berlin. 2 Seit den Starkregenereignissen im Juni gibt es sehr hohe Gebietsabflüsse aus Nordgraben/Panke und Tegeler Fließ. Die Abflüsse sind um ein Vielfaches höher als die Reinigungsleistung der OWA, die zurzeit nach Angaben der Berliner Wasserbetriebe (BWB) bei 2,4 m³/s liegt. Dies führte in der OWA zu Überläufen von ungereinigtem Oberflächenwasser in den Tegeler See. Im Juli betrugen die Überläufe aus dem Tegeler Fließ 6,6 Mio. m³ und aus dem Nordgraben 1 Mio. m³. Zusätzlich gelangte anteilig nährstoffreiches Oberhavelwasser in das Hauptbecken des Tegeler Sees. Damit gelangte phosphorreicheres Wasser in den Tegeler See. Das Phytoplankton nutzte den Phosphor zum Wachstum und trübte, neben mineralischen Bestandteilen vom Ufer, damit das Wasser. Eine Massenentwicklung von Blaualgen trat nicht ein. Frage 2a: Wie oft werden Wasserproben im Tegeler See genommen? Antwort zu 2a: Gemäß Seenmessprogramm findet eine monatliche Überwachung statt. Von April bis August erfolgt eine Verdichtung auf 14 tägige Überwachung der sommerlichen thermischen Schichtung des Sees und der Sauerstoffverhältnisse zum Belüftungsmanagement. Frage 2b: Worauf werden die Proben kontrolliert? Antwort zu 2b: Monatlich bzw. im Sommer 14 tägig als Tiefenprofil (meterweise bis zum Sediment): Sauerstoff, Wassertemperatur, pH, Leitfähigkeit, Chlorophyll und Nährstoffe (u.a. Phosphor, Ammonium, Nitrat) Monatlich als Mischprobe: Phytoplanktonbiomasse, Zooplanktonbiomasse (über Mikroskopie und Artbestimmung), alle Nährstoffe u.a. Silizium, ausgewählte Metalle, Chlorid, Sulfat Alle 3 bis 4 Jahre: Betauchung zur Wasserpflanzenbestandsanalyse, Erhebung der wirbellosen Fauna und der Fischbestände Frage 2c: Wer kontrolliert das Wasser? Antwort zu 2c: Die Probenahme und die Analytik erledigt das Landeslabor Berlin-Brandenburg im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Für spezielle biologische Untersuchungen (Wasserpflanzen und wirbellose Fauna) werden private Firmen bzw. wissenschaftlichen Einrichtungen beauftragt. Die Fischpopulation untersucht und bewirtschaftet das Fischereiamt. Die Untersuchung der organischen Spurenstoffe erfolgt überwiegend durch die BWB. 3 Frage 2d: Welche Auffälligkeiten gab es bei den Wasserproben seit dem Jahr 2015 bis heute? Antwort zu 2d: Hinsichtlich der Sichttiefe und des Phytoplanktons befindet sich der Tegeler See im „guten ökologischen Zustand“ gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Die artenreichen Wasserpflanzenbestände und die Änderung der Fischbestände zum „klaren Hecht-Schleie-See“ zeugen seit ca. 5 Jahren von einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität. Das ist vorrangig auf die langjährige Phosphoreliminierung in der OWA Tegel zurückzuführen. Sogenannte „Blaualgenblüten“ (Cyanobakterien) treten im Sommer nicht mehr auf. Die Seesedimente haben sich stabilisiert, starke Nährstoffrücklösungen wie in den 90-iger Jahren werden seit 10 Jahren nicht mehr gemessen. Die Trübung durch Mikroalgen in diesem Sommer ist eine vorrübergehende ökologische Antwort auf das kurzfristige Nährstoffüberangebot und keine nachhaltige Verschlechterung des Sees. Im Sommer sank zwar der Sauerstoff in den tieferen Schichten, die sauerstoffreichen Kompartimente im See waren jedoch für die Fische immer ausreichend. Frage 2e: Welche konkreten Schritte wurden eingeleitet, um die Wasserqualität wieder zu verbessern? Antwort zu 2e: Im Zulauf zum Tegeler See aus Nordgraben/Panke und Tegeler Fließ wird weiterhin eine Phosphorreduzierung um ca. 90 % betrieben. Für den effektiven Betrieb der OWA ist die zusätzliche Aufbereitung von Oberhavelwasser erforderlich (Zuführung über Druckleitung Pumpwerk Oberhavel – OWA). Dafür stehen finanzielle Mittel im Landeshaushalt bereit. Frage 3a: Wie wird das Problem der Blaualgen angegangen? Antwort zu 3a. Nachdem die planktischen potenziell giftigen Blaualgenarten durch Nährstoffentzug in der OWA Tegel erfolgreich bekämpft wurden, hat in diesem Jahr eine für den Tegeler See neue festsitzende Blaualgenart (Tychonema) im Uferbereich eine ökologische Nische gefunden, die ebenfalls Toxine (hochgiftige Anatoxine) bilden kann. Diese Blaualgenart ist Teil eines gesunden Gewässerökosystems und bevorzugt klares Wasser. Dünne mikroskopisch sichtbare Fäden sitzen vereinzelt locker auf Wasserpflanzen oder im Schilf und werden bei Wind auch ins ufernahe Wasser eingespült. Während diese Art im Ernstfall für badende Kinder und im Tränkewasser für Tiere relevant sein kann, stellt sie für das Trinkwasserreservoir für das Wasserwerk Tegel keine Gefahr dar. Bei den BWB wurde dennoch ein Vorsorgetest etabliert, so dass im Bedarfsfall umgehend Seewasser bzw. Rohwasser untersucht werden kann. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) erarbeiten gemeinsam eine Bestandsanalyse für 2017 und ein Messprogramm für 2018. Darin werden gesundheitliche Fragestellungen (Vorsorge-und Warnsysteme) und gewässerökologische Fragestellungen bearbeitet. 4 Frage 3b: Welche Konsequenzen werden aus den Vorfällen mit den vergifteten Hunden im Frühsommer dieses Jahres gezogen? Antwort zu 3b. Im umfassenden Monitoring wird versucht, das Verbreitungsgebiet, die Verbreitungszeit und die Ansprüche der potenziell toxischen Blaualgenart einzugrenzen. Darüber hinaus werden vom LAGeSo Maßnahmen zum vorsorgenden Gesundheitsschutz erarbeitet und mit dem zuständigen Bezirksamt erörtert. Berlin, den 23.08.2017 In Vertretung J e n s – H o l g e r K i r c h n e r ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-12032 S18-12032