Drucksache 18 / 12 066 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Derya Çağlar (SPD) vom 21. Juli 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2017) zum Thema: Demokrat*innen in Angst! Stand der Ermittlungen gegen rechte Gewalt in Neukölln! und Antwort vom 23. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Aug. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Derya Ҫağlar (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12066 vom 21. Juli 2017 über Demokrat*innen in Angst! Stand der Ermittlungen gegen rechte Gewalt in Neukölln! ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die in den Fragen gewählte Bezeichnung „Einsatzgruppe Rex“ impliziert eine Erwartungshaltung, die weder der Aufgabenbeschreibung der seit dem 6. März 2017 erneut eingerichteten „Operativen Gruppe Rechtsextremismus (OG Rex) des Polizeiabschnitts (A) 56“, noch ihres Vorläufers, der „Einsatzgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) des A 56“ entspricht beziehungsweise entsprach. Die OG Rex dient konzeptionell der Netzwerkpflege und Beratung von im Bereich des Abschnitts 56 aktiven Initiativen und Bündnissen gegen Rechts sowie von Opfern oder potentiell gefährdeter Personen rechter Gewalt. Darüber hinaus klärt die OG Rex die regional agierende rechte Szene hinsichtlich deren Aktivitäten und Absichten auf und zeigt offensive Präsenz zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz potenzieller Opfer. Die Ermittlungen in Staatsschutzangelegenheiten obliegen ausschließlich dem Polizeilichen Staatschutz beim Landeskriminalamt Berlin (LKA 5). 1. Wie ist die Zusammenarbeit der eingesetzten Einsatzgruppen REX und RESIN organisiert? a. Findet ein regelmäßiger Austausch zwischen den Beamtinnen und Beamten der unterschiedlichen Einsatzgruppen statt bzw. deren Vorgesetzten statt? Zu 1., a.: Zwischen der OG Rex des A 56 der Polizeidirektion 5 und der Ermittlungsgruppe „Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln“ (EG RESIN) beim LKA 5 besteht auf Arbeitsebene ein regelmäßiger Informationsaustausch. Beide Gliederungseinheiten werden zum Teil auch zusammen eingesetzt, beispielsweise bei der Betreuung von Veranstaltungen der rechten Szene im Bereich Neukölln. Seite 2 von 5 2. Mit welcher Personalstärke und welchen Mitteln sind EG REX und EG RESIN ausgestattet? (Bitte je EG aufführen) Zu 2.: Derzeit versehen drei Dienstkräfte ihren Dienst bei der OG Rex und sechs Dienstkräfte bei der EG RESIN. Die Ausstattung mit Führungs- und Einsatzmitteln ist aufgabenorientiert und dem Stand der Technik angepasst. 3. Sind alle Polizeiabschnitte in Neukölln und den angrenzenden Bezirken auf die Besonderheiten der Anschlagserie sensibilisiert und entsprechend geschult worden? a. Findet ein zusätzlicher, regelmäßiger Austausch mit EG REX/EG RESIN statt? Zu 3., a.: Die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität - rechts (PMK–rechts) ist eine durch die behördenweite Gesamtstrategie zur Bekämpfung der PMK-rechts priorisierte Aufgabe mit Auswirkungen auf jede einzelne Dienstkraft, die sowohl methodisch-analytische, als auch soziale und kommunikative Kompetenz erfordert. Zu diesem Zweck werden durch die Polizei Berlin auf allen Ebenen vielfältige Anstrengungen unternommen, um den Dienstkräften das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten, unter anderem der sensible Umgang mit der PMK-rechts, zu vermitteln, mit denen sie die an sie herangetragenen Aufgaben bewältigen und den Rechtsextremismus in seiner spezifischen Gefährlichkeit lokalisieren können. In der Direktion 5 wurde zur fortgesetzten Bekämpfung des Rechtsextremismus und unter Anerkennung der Erforderlichkeit des gesamtgesellschaftlichen Kampfes gegen Extremismus aller Art, die regionale Ansprechpartnerin bzw. der regionale Ansprechpartner gegen Rechtsextremismus in der Direktion 5 (RAP*in Rex) eingeführt. Die nachfolgenden Verantwortlichkeiten sind der/dem jeweiligen RAP*in Rex unter anderem übertragen worden: - Zentrale Informationssammlung und –auswertung; - Verbesserung des Informationsmanagements und der Informationskanalisierung innerhalb der Direktion 5; - Durchführung direktionsinterner Veranstaltungen zur Fortbildung und Sensibilisierung der Dienstkräfte. Es findet je nach der jeweiligen Dienststelle und ihrem Aufgabenbereich ein regelmäßiger und/oder anlassbezogener Austausch der Dienstkräfte der Direktion 5 mit der OG Rex und der EG RESIN statt. 4. Arbeiten die Ermittlungsgruppen eigenständig oder findet eine zentrale Koordination statt? Zu 4.: Die OG Rex arbeitet eigenständig im Bereich des A 56, der für die Neuköllner Ortsteile Rudow, Buckow, Britz und Gropiusstadt zuständig ist. Bei der EG RESIN handelt es sich ebenfalls um eine eigenständig arbeitende Organisationseinheit, welche dem LKA 5 unterstellt ist. Der engen ständigen Zusammenarbeit zwischen OG Rex und EG RESIN kommt besondere Bedeutung zu. Diese wird unter anderem durch einen regelmäßigen Informationsaustausch und durch abgestimmte Strategien gewährleistet. Seite 3 von 5 5. Wie viele Personalstunden sind seit Einsetzen der EG REX und EG RESIN angefallen? (Bitte je EG aufführen) Zu 5.: Die EG RESIN wurde am 25. Januar 2017 eingerichtet. Dort sind seitdem sechs Mitarbeiter in Vollzeit (40 Stunden/Woche) beschäftigt. Seit erneuter Einrichtung der nunmehr als OG Rex firmierenden Gliederungseinheit am 6. März 2017 leisteten die Dienstkräfte dort bislang (Stand: Mitte August 2017) insgesamt 1.272 Einsatzkräftestunden. 6. Sind die zuständigen Polizistinnen und Polizisten ausschließlich der EG REX/EG RESIN zugeteilt? a. Wenn nein, wieviel Prozent der Arbeitszeit entfallen pro Beamt*in auf die ihm/ihr zugeteilte Einsatzgruppe? b. Wenn nein, unter welchen Kriterien erfolgt die Zuteilung der Arbeitszeit? Zu 6., a. und b.: Grundsätzlich stehen die Dienstkräfte der EG RESIN vollumfänglich und priorisiert zur Verfügung. Die eingeteilten Dienstkräfte des A 56 versehen ihren Dienst ausschließlich in der OG Rex. 7. Wird/wurde allen Betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie ihren Familien polizeilicher Schutz angeboten? a. Wurde dieser Schutz angenommen? b. Welchen (auch zeitlichen) Umfang hat der Schutz? c. Ab wann wird ein Opfer nicht mehr als besonders schützenswert eingestuft? Zu 7., a. bis c.: Die Geschädigten erhalten ein auf ihre Person beziehungsweise persönliche Situation abgestimmtes Maßnahmenpaket. Zum Schutz der Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird nicht auf weitere Einzelheiten eingegangen. Gleichermaßen verhält es sich mit den Kriterien für eine Ein- beziehungsweise Ausstufung gefährdeter Personen. Die von der Polizei Berlin angebotenen Maßnahmen werden in der Regel von den Betroffenen sehr begrüßt. 8. Wurde von der Ermittlungsmaßnahme der Funkzellenabfrage (FZA) in allen Anschlagsfällen Gebrauch gemacht? a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b. Wenn nein, warum nicht bzw. warum nicht in allen Fällen? 9. Sind neben den Ermittlungen konkrete Maßnahmen geplant, um weitere Anschläge zu verhindern bzw. diese zu identifizieren? a. Wenn ja, ist ein präventiver Schutz dieser Ziele geplant? b. Wenn nein, warum nicht? Zu 8., a. und b. sowie 9., a. und b.: Aus ermittlungstaktischen Gründen werden zu den Fragen keine Angaben gemacht. 10. Welche konkreten Ergebnisse haben die Einsatzgruppen REX und RESIN vorzuweisen? Zu 10.: Die Ermittlungsergebnisse der EG RESIN und die Aufklärungsergebnisse der OG Rex sind für eine Veröffentlichung nicht geeignet. Diese könnten Täterinnen oder Seite 4 von 5 Täter über Umstände informieren, welche die spätere Ermittlungsarbeit der Polizei erschweren oder gar vereiteln würde. 11. Erfolgt durch den Senat oder nachgeordneten Behörden ein regelmäßiger Austausch mit den Opfern und Bürger*innen-Initiativen, die sich gegen rechte Gewalt einsetzen? Zu 11.: Die OG Rex dient – wie in der Vorbemerkung beschrieben - konzeptionell der Netzwerkpflege und Beratung von im Bereich des A 56 aktiven Initiativen und Bündnissen gegen Rechts sowie von Opfern oder potentiell gefährdeten Personen rechter Gewalt. Dabei wurden unter anderem Kontakte zu den Initiativen „Hufeisern gegen Rechts“, „Aktionsbündnis Rudow für Demokratie und Toleranz“ sowie „SJD - Die Falken“ aufgenommen beziehungsweise erneuert. Zudem können Opfer rechtsextremer Übergriffe und Gewalttaten fachkundige, professionelle und auch psychotherapeutische Beratung im Rahmen der beiden Projekte „ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus“ und „Psychologische Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt - OPRA“ des Trägers „Ariba e.V.“ erhalten. Beide Projekte werden im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus finanziell unterstützt. Opfer von Gewalttaten sollen mit Hilfe der Projekte psychisch stabilisiert werden und ihre Handlungsfähigkeit zurück erlangen. Die angegriffenen Personen werden darin unterstützt, selbst für ihre Interessen und Rechte einzutreten. Die Beratungsarbeit basiert auf dem Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Beratung ist parteilich im Sinne der Bedürfnisse der Betroffenen. Sie ist aufsuchend und betreibt Recherchen zu Fallhintergründen und Bedarfslagen der Opfer. Das Beratungsangebot ist niedrigschwellig und wird durch eine aufsuchende Beratung sowie professionelle Recherche von Angriffen vervollständigt. Das Projekt „ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus“ ist zentrale Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt und setzt sich für die Belange der Opfer ein. „ReachOut“ ist Mitglied im Berliner Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus, dem Expertinnen und Experten von Berliner Universitäten, aus Berliner Verwaltungen, Beratungsfachdiensten und Vereinen angehören. Innerhalb des Netzwerkes tauschen sich die Fachleute aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Sicherheitsbehörden aus und stimmen die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus ab. Das Berliner Beratungsnetzwerk tagt etwa dreimal im Jahr. Darüber hinaus fördert die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung zwölf „Berliner Registerstellen“ zur Erfassung rassistischer, antisemitischer, rechtsextremer sowie homophober und transphober Gewalt sowie die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS). Ebenso werden Angebote der beiden Mobilen Beratungsteams „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR)“ des „Vereins für Demokratische Kultur Berlin e.V.“ und „Mobiles Beratungsteam Berlin (MBT)“ der „Stiftung Sozialpädagogisches Institut (SPI)“ unterstützt. Von allen Projekten werden jährlich Berichte über die Arbeit und die Entwicklung von Fallzahlen vorgelegt. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung steht zudem im regelmäßigen Austausch mit diesen Projekten. Seite 5 von 5 Opfer rechter Gewalt können sich auch an den Opferbeauftragten des Landes Berlin wenden, der jedes Opfer von Gewalt, das sich hilfesuchend an ihn wendet, in dem erforderlichen Maß und Rahmen begleitet. Berlin, den 23. August 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12066 S18-12066