Drucksache 18 / 12 122 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Kristin Brinker (AfD) vom 21. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. August 2017) zum Thema: Implizite Staatsschulden - Wie hoch sind die „Schattenschulden“ des Kernhaushaltes Berlins? - Teil 1 und Antwort vom 04. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Finanzen Frau Abgeordnete Dr. Kristin Brinker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12122 vom 21. August 2017 über Implizite Staatsschulden - Wie hoch sind die „Schattenschulden“ des Kernhaushaltes Berlins? – Teil 1 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die aktuellen Pensionsverpflichtungen des Landes Berlin? Zu 1.: Zum Stand 31. Juli 2017 betrugen die Ist-Ausgaben im Jahr 2017 bei den Versorgungsbezügen für die Beamtinnen und Beamten, die Richterinnen und Richter sowie die Senatsmitglieder des Landes Berlin rund 1.086,1 Mio. Euro. Der Haushaltsansatz gemäß dem Nachtragshaushaltsgesetz 2017 beläuft sich auf 1.727,6 Mio. Euro. 2. Wieviel Geld wurde in Berlin in den letzten zehn Jahren für Beamtenpensionen ausgegeben? (Bitte Darstellung nach Jahren in Balkendiagramm, jährliche Ausgaben und kumulierte Darstellung) Zu 2.: Die Versorgungsausgaben des Landes Berlin haben sich in den letzten zehn Jahren wie folgt entwickelt: Jahr jährliche Versorgungsausgaben (in Mio. Euro) kumulierte Versorgungsausgaben seit 2007 (in Mio. Euro) 2007 1.137,29 2008 1.164,66 2.301,95 2009 1.189,21 3.491,16 2010 1.215,94 4.707,10 2011 1.257,29 5.964,39 2012 1.298,78 7.263,17 2013 1.357,10 8.620,27 2014 1.421,68 10.041,95 2015 1.495,81 11.537,76 2016 1.577,40 13.115,16 3. Wie werden sich die Pensionsverpflichtungen und impliziten Staatsschulden Berlins voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren entwickeln? Im Lexikon der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft heißt es: „Verschuldung, implizite Der Begriff der impliziten Verschuldung bezeichnet den (verdeckten) Teil der öffentlichen Verschuldung . Die implizite Verschuldung liegt nicht in verbriefter Form vor. Zur impliziten Verschuldung zählen z.B. die Pensionsverpflichtungen. Die implizite Verschuldung wird in der amtlichen Schuldenstatistik nicht erfasst. Die implizite Verschuldung wird in der Doppik transparent gemacht. So werden beispielsweise Pensionsverpflichtungen durch Bildung von Pensionsrückstellungen erfasst und abgebildet .“ 1 Zu 3.: Vorbemerkung: Der Begriff der „impliziten Verschuldung“ ist finanzstatistisch nicht eindeutig definiert. Umgangssprachlich kann er verschiedene Sachverhalte umfassen , von denen Pensionsverpflichtungen einer sind. Dementsprechend gibt es auch keine amtliche Statistik über „die“ implizite Verschuldung, die Grundlage einer Projektion sein könnte. Mit Blick auf den Fragenkontext wird in der Beantwortung der Fragen 3 und 4 unterstellt, dass sich das Erkenntnisinteresse der Fragestellerin auf die Pensionsverpflichtungen des Landes bezieht. 1 Lexikon der zur öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft, Implizite Verschuldung; http://www.haushaltssteuerung.de/lexikonverschuldung -implizite.html 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 1.500 1.600 1.700 2007200820092010201120122013201420152016 Jährliche Versorgungsausgaben seit 2007 (in Mio. Euro) 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 11.000 12.000 13.000 14.000 2007200820092010201120122013201420152016 Kumulierte Versorgungsausgaben seit 2007 (in Mio. Euro) Die Entwicklung der künftigen Versorgungsausgaben ist Gegenstand regelmäßiger Berichte des Senats an das Abgeordnetenhaus von Berlin. Die Versorgungsausgaben des Landes Berlin werden sich in den folgenden zehn Jahren voraussichtlich wie folgt entwickeln: Jahr Versorgungsausgaben 1 Variante 0 Variante 1 Variante 2 Variante 3 in Mio. € 2016 1.576,6 2017 1.657,0 1.657,0 1.657,0 1.657,0 2018 1.749,6 1.749,6 1.749,6 1.749,6 2019 1.817,7 1.825,1 1.832,2 1.839,6 2020 1.848,6 1.874,3 1.900,0 1.926,1 2021 1.877,1 1.922,0 1.967,3 2.013,5 2022 1.903,2 1.967,9 2.034,0 2.101,9 2023 1.927,4 2.012,7 2.100,6 2.191,8 2024 1.950,0 2.056,4 2.167,2 2.283,2 2025 1.970,9 2.099,0 2.233,8 2.376,1 2026 1.990,7 2.141,1 2.300,9 2.471,2 2027 2.007,5 2.180,4 2.366,2 2.566,1 1 Die Basis für die Prognoseberechnung enthält nicht die Versorgungsausgaben nach dem Gesetz zu Artikel 131 Grundgesetz, da hier die Zahl der Versorgungsberechtigten demographisch bedingt stark rückläufig ist. In Variante 0 der Prognose wird von gleich bleibenden Versorgungsbezügen im gesamten Prognosezeitraum ausgegangen und allein die steigende Zahl der Versorgungsberechtigten berücksichtigt. In den Varianten 1, 2 und 3 wird von jährlichen linearen Bezügeanpassungen von 1, 2 bzw. 3 Prozent ab dem 1. August 2019 ausgegangen . In allen vier Varianten sind die mit dem Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für Berlin 2017/2018, zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2017/2018) vom 6. Juli 2017 zum 1. August 2017 um 2,6 Prozent und zum 1. August 2018 um 3,2 Prozent erfolgten Versorgungsanpassungen berücksichtigt. 4. Erfasst die Rechnungslegung des Landes Berlin die implizite Staatsverschuldung? Wenn, ja wie? Wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Im Land Berlin kommt der Rechnungsstil der erweiterten Kameralistik zum Einsatz. Darin kommt im Wesentlichen auf Basis einer flächendeckenden Anlagenbuchhaltung auch eine Vermögensrechnung zur Anwendung, die Bestandteil der jährlichen Haushalts- und Vermögensrechnung ist. Im Rahmen dieser jährlichen Rechnungslegung wird die Vermögensrechnung sukzessive zu einer Vollvermögensrechnung ausgebaut, so dass sämtliche Vermögensund Schuldenbestandteile transparent ausgewiesen werden. Wegen des besonderen Charakters der Pensionsverpflichtungen als implizite Verbindlichkeiten, die sich nicht buchungstechnisch, sondern versicherungsmathematisch ergeben, ist eine Einbeziehung in die Vermögensrechnung erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. 5. Wie hoch sind aktuell die sogenannten impliziten Staatsschulden Berlins? 6. Wie groß ist gegenwärtig die aktuelle Nachhaltigkeitslücke? Zu 5. und 6.: Da der Begriff der impliziten Verschuldung finanzstatistisch nicht eindeutig definiert ist, gibt es keine amtliche Statistik darüber, die Grundlage einer verbindlichen Auskunft sein könnte. Da sich die sogenannte Nachhaltigkeitslücke wiederum auf Grundlage von Annahmen zur sogenannten impliziten Verschuldung errechnet , sind dem Senat dazu keine Angaben möglich. Explizit ausgewiesen werden im Land Berlin verschiedene Szenarien für die künftige Entwicklung der Versorgungsausgaben (vgl. Antwort zu 3.) sowie als Anlage zum jeweiligen Haushaltsgesetz der jeweils aktuelle Bestand sogenannter Eventualverbindlichkeiten , etwa in Form von Bürgschaften und anderen Garantien. Bei Letzteren ist darauf hinzuweisen, dass aus solchen Bürgschaftsübernahmen des Landes nicht zwingend Zahlungsverpflichtungen erwachsen müssen. Allerdings gibt der Ausweis der durchschnittlichen Zahlungen des Landes in den jeweils zurückliegenden drei Jahren einen Anhaltspunkt dafür, in welchem Verhältnis die eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen in den einzelnen Kategorien gem. § 3 des Haushaltsgesetzes zu tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen des Landes standen. 7. Welche Konsequenz hat dies für das vom Senat ausgerufene „Jahrzehnt der Investition“ 2 ? Zu 7.: Der Senat wird die Investitionen des Kernhaushalts im Zeitraum bis 2021 in absoluten Beträgen deutlich erhöhen. Ergänzt werden diese Investitionen im Zeitraum bis 2021 durch einen (verstetigten) hohen jährlichen Abfluss von Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA). Im Einzelnen: Jahr Ausgaben in Mio. € 2017 NHH* 2018 Entwurf DHH** 2019 Entwurf DHH** 2020 FPl*** 2021 FPl*** Investitionen Kernhaushalt (ohne SIWANA) 1.890 2.210 2.255 2.284 2.430 Investitionen des SIWANA (Mittelabflüsse p.a.) 319 350 300 300 300 Investitionsausgaben inkl. SIWANA 2.209 2.561 2.555 2.584 2.730 Veränderung gegenüber Vorjahr +15,9% -0,2% +1,1% +5,7% Investitionsquote **** 8,3% 9,1% 8,8% 8,7% 8,9% * Nachtragshaushalt; ** Doppelhaushalt; *** Finanzplanung **** Investitionsquote definiert als Anteil der Investitionsausgaben (Kernhaushalt und SIWANA) an den bereinigten Ausgaben abzgl. SIWANA-Zuführung 2 https://www.spd.berlin/partei/beschluesse-der-berliner-spd/der-koalitionsvertrag/koalitionsvertrag-i-investieren-in-die-stadt-vonmorgen -7/ Gegenüber 2017 sollen die jährlichen Investitionsausgaben im Jahr 2021 um 521 Mio. € höher liegen. Dies entspricht einem Anstieg von fast 24%. Die Investitionsquote steigt – trotz allgemein steigender Ausgaben – in diesem Zeitraum von etwas über 8% auf fast 9%. 8. Welche Auswirkungen hat die geplante Aufstockung des Personalbestandes der Berliner Verwaltung auf die implizite Staatsverschuldung? 9. Welchen Einfluss haben Gehaltserhöhungen für öffentliche Beschäftige auf die implizite Staatsverschuldung bei der aktuell geplanten Personalentwicklung? Bitte Darstellung für die nächsten 10 Jahre im Linien-Diagramm für verschiedene Szenarien: jährliche Erhöhung um a) 1 %, b) 2%, c) 3 %, d) 4% und e) 5 %. Zu 8. und 9.: Sowohl bei der Betrachtung der geplanten zukünftigen Neueinstellungen im Zusammenhang mit der Aufstockung des Personalbestandes als auch bezogen auf Bezügeanpassungen ist zwischen den Statusgruppen zu unterscheiden. Bei der überwiegenden Anzahl der neu eingestellten Dienstkräfte handelt es sich um Tarifbeschäftigte , für die in der Zukunft keine Pensionsverpflichtungen entstehen werden . Hingegen werden die neu eingestellten beamteten Dienstkräfte nach einer bestimmten abgeleisteten Dienstzeit Pensionsanwartschaften erwerben, die in ferner Zukunft auch zu Pensionszahlungen führen werden. Jährliche Besoldungs- und Versorgungsanpassungen wirken sich dabei ebenfalls auf die Höhe der künftigen Pensionsanwartschaften aus Die schon vorhandenen und künftig entstehenden Pensionsanwartschaften für neu eingestellte beamtete Dienstkräfte sollen versicherungsmathematisch ermittelt werden ; Ergebnisse liegen noch nicht vor. 10. Mit welcher Inflationserwartung rechnet der Senat für die nächsten zehn Jahre? 11. Mit welcher Zinsentwicklung rechnet der Senat für die nächsten zehn Jahre? Zu 10. und 11.: Der Senat erstellt keine Prognosen zur Inflations- und Zinsentwicklung über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dem Senat sind auch keine Institutionen bekannt, die belastbare Inflations- oder Zinsprognosen über einen derart langen Zeitraum erstellen. Berlin, den 04. September 2017 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen S18-12122 S18-12122