Drucksache 18 / 12 133 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm, Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 22. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. August 2017) zum Thema: Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 19.08.2017 in Berlin-Spandau und Antwort vom 06. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm, Herrn Abgeordneten Niklas Schrader und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 133 vom 22. August 2017 über Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 19.08.2017 in Berlin-Spandau ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches am 19.08.2017 wurden von der Polizei registriert? Zu 1.: Entsprechend der Schätzung der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort nahmen an der Versammlung „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache!“ bis zu 750 Personen teil. 2. Durch welche rechten Organisationen, Einzelpersonen wie Politiker*innen, Liedermacher*innen oder Musikbands etc. wurde nach Kenntnis des Senats für die Teilnahme am Rudolf-Heß- Gedenkmarsch in Spandau am 19.08.2017 an welchen Orten - regional, überregional, bundesweit und international - und auf welche Arten wann jeweils mobilisiert? Zu 2.: An der Mobilisierung für die Demonstration beteiligten sich bundesweit (und darüber hinaus) nahezu alle Gruppierungen/Parteien aus dem traditionellen Rechtsextremismus (Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), Junge Nationalisten (JN), „Der III. Weg“, „Die Rechte“, Freie Kräfte / Neonazis). Überwiegend erfolgte die Mobilisierung über soziale Netzwerke (Facebook und Twitter), über die vom Veranstalter eingerichtete Internetseite „mord-verjaehrtnicht .info.wp“ wurde ein Mobilisierungsaufruf in 13 Sprachen (englisch, italienisch, französisch, serbisch, litauisch, norwegisch, schwedisch, tschechisch, polnisch, griechisch, finnisch, spanisch und bulgarisch) veröffentlicht. Ebenfalls wurde mit einem am 30.07.2017 auf „Youtube“ veröffentlichten Video mobilisiert. Nach einem Beitrag des Veranstalters vom 18.08.2017 spielten für Anreiseplanungen und die Abstimmung von Treffpunkten auch verschlüsselte Messenger-Dienste wie „Threema“ und „Signal“ eine wichtige Rolle. Die Mobilisierung erfolgte zudem über Plakate, Aufkleber und Flyer, welche direkt bei den Veranstaltern bestellt werden konnten. In Berlin wurden diese in großer Anzahl im Stadtgebiet angebracht und verteilt. Davon trugen diverse Plakatierungen das 2 Impressum der JN. Darüber hinaus wurden im Stadtgebiet gefälschte Fahndungsplakate, mit denen angeblich das Landeskriminalamt (LKA) 442 nach den Mördern von Rudolf HEß fahndet, geklebt. Kurz vor der Demonstration wurden durch unbekannte Personen öffentlichkeitswirksame Transparent-/Banneraktionen, unter anderem an der Hermann-Gladenbeck-Brücke (Bundesautobahn 113, Adlershof), durchgeführt. Auf zwei Transparenten in Form von Bettlaken wurden die Schriftzüge „RUDOLF HESS UNVERGESSEN“ und „ICH BEREUE NICHTS“, jeweils mit stilisierten Portraits des Rudolf HEß, festgestellt. Ebenfalls in zeitlicher Nähe zur Veranstaltung wurden bundesweit Holzkreuze mit dem Sterbedatum (17.08.1987) von Rudolf HEß aufgestellt. Beim rechtsextremistischen Konzert „Rock gegen Überfremdung“ am 15.07.2017 im thüringischen Themar wurde ebenfalls für eine Teilnahme an der Demonstration geworben. 3. An welchen Orten wurden jeweils wie viele Plakate, die mit dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Zusammenhang standen, registriert? Zu 3.: Eine abschließende Statistik über die in Berlin angebrachten Plakate mit Bezug zur Demonstration wurde nicht erhoben. Größere Mengen wurden jeweils in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Pankow und Treptow- Köpenick festgestellt. 4. Trifft es zu, dass Plakate mit Bezug zum Rudolf-Heß-Gedenkmarsch mit gefährlichen Gegenständen (Glasscherben, Rasierklingen o.ä.) präpariert wurden? Wenn ja, a. Wie viele Plakate, an welchen Orten und wann wurden diese jeweils entdeckt? b. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen welcher Delikte wurden aus Anlass dieser Plakatierungen eingeleitet? Zu 4.: Hierzu liegen dem Senat keine eigenen Erkenntnisse vor. 5. Mit welchen Aktivitäten in Bezug zum Todestag von Rudolf Heß traten in diesem Jahr Personen, die dem Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin“ zuzurechnen sind oder waren, an welchen Orten in Erscheinung und wegen welcher Delikte sind diesbezüglich Ermittlungsverfahren eingeleitet worden (bitte eine Aufschlüsselung nach Datum, Orten, Aktivitäten und Delikten)? Zu 5.: Die Polizei Berlin erhebt, verarbeitet und speichert keine Erkenntnisse über friedliche Teilnehmende angemeldeter Versammlungen. Bezüglich derer, die derzeit im Sachzusammenhang mit einem eingeleiteten Ermittlungsverfahren im Rahmen der bezeichneten Versammlung in Betracht kommen (siehe auch Antwort zu der Frage 24), dauert eine entsprechende Auswertung noch an. 6. Mit Hilfe welcher sozialer Netzwerke und jeweiliger Seiten bzw. Gruppen oder Accounts wurde zu dem Rudolf-Heß Gedenkmarsch am 19.08.2017 aufgerufen? Zu 6.: Unter anderem wurden über die Internetseite „mord-verjaehrt-nicht.info“, die Facebook-Seite „facebook.com/Aktenfreigabe“ und die Twitter-Seite „twitter.com/verjahrtnicht“ regelmäßig Informationen veröffentlicht und zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Darüber hinaus riefen bundesweit (und darüber hinaus) zahlreiche Gruppierungen / Parteien sowie rechtsextremistische 3 Einzelpersonen und Musiker / Bands auf ihren jeweiligen Internetseiten sowie Auftritten in sozialen Netzwerken zur Teilnahme an der Demonstration auf. 7. Wurde ein Verbot des Neonazi-Gedenkmarsches für Rudolf Heß geprüft? Wenn ja, mit welchem Ergebnis und welcher Begründung? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Die Versammlungsbehörde hat geprüft, ob der genannte Aufzug zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gemäß § 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) verboten werden muss. Die aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit im demokratischen Gemeinwesen hohen Voraussetzungen für ein Verbot des Aufzugs lagen im Ergebnis nicht vor. 8. Ist der Senat der Auffassung, dass der Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Spandau am 19.08.2017 nicht dazu geeignet ist, die Tatbestandsvoraussetzung des § 130 Abs. 4 StGB zu erfüllen, nach der sich strafbar macht, wer „den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“? Wenn ja, aus welchen Gründen? Zu 8.: Die Prüfung der Versammlungsbehörde, ob der Aufzug gemäß § 15 Absatz 1 VersG verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden muss, ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Urteil vom 25. Juni 2008 (6 C 21/07, BVerwGE 131, 216-234; nachgehend BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, 1 BvR 2150/08) erfolgt. In diesem Urteil hat das BVerwG die Rechtmäßigkeit eines Versammlungsverbotes in einem Einzelfall bestätigt, in dem bei Durchführung der Versammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass es zu Verstößen der Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmer gegen § 130 Absatz 4 des Strafgesetzbuchs (StGB) kommt. Die Umstände dieses Einzelfalls lagen für den genannten Aufzug am 19. August 2017 in Spandau nicht vor. 9. Welchen verschiedenen Organisationen oder Gruppierungen (NPD und Unterorganisationen, Die Rechte, „Autonome Nationalisten“ usw,) gehörten die Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß- Gedenkmarsches 2017 an? Zu 9.: Die Teilnehmer gehörten unter anderem den folgenden Gruppierungen / Organisationen an: NPD, JN, Partei „Der III. Weg“, Partei „Die Rechte“, Freie Kräfte / Neonazis / Autonome Nationalisten Berlin, Netzwerk rechtsextremistische Musik, „Volksgemeinschaft Niederrhein“ (Personen mit entsprechenden T-Shirts), „Sektion Nordland“ (Transparent in Falkensee), Kameradschaft Northeim (Transparent in Falkensee). 10. Hat die Berliner Polizei am Antreteplatz des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches Vorkontrollen durchgeführt? Wenn ja, a. in welcher Form (stichprobenartig etc.) und mit Blick auf welche Gegenstände? b. Wurden dabei Gegenstände sichergestellt und wenn ja, welche? c. Wurden im Rahmen der Vorkontrollen Platzverweise ausgesprochen? Zu 10 a): Am Antreteplatz wurden Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Diese werden verdachtsabhängig durchgeführt, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen Gegenstände mit sich führen, die verboten sind (d.h. die einen 4 strafrechtlichen oder ordnungswidrigen Tatbestand erfüllen) oder eine Unfriedlichkeit des Mitführenden implizieren. Zu 10 b): Im Rahmen der Kontrollmaßnahmen wurden die folgenden Gegenstände sichergestellt: 13x Schlauchschal, 2x Handschuhe, 2x Kopfbedeckungen, 1x Tierabwehrspray, 1x Handfessel, 1x Schuhe, 1x Jacke und 1x T-Shirt. Zu 10 c): In diesen Fällen wurden durch die eingesetzten Polizeidienstkräfte keine Platzverweisungen ausgesprochen. 11. Wie viele Reisebusse mit wie vielen Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches und aus welchen Orten jeweils hat die Berliner Polizei registriert? Zu 11.: Nach polizeilichen Erkenntnissen hatte sich die Anfahrt zweier Reisebusse aus Dortmund bestätigt. Die darin auf der Anreise befindlichen Teilnehmenden wurden nicht gezählt. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 12. Wie viele Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches reisten aus dem Ausland an? Aus welchen Ländern kamen diese? Zu 12.: Es nahmen unter anderem Personen aus Frankreich, der Niederlande, Schweden und Ungarn – insgesamt im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich – an der Versammlung teil. 13. Hat die Berliner Polizei oder haben Polizeien anderer Bundesländer / des Bundes auf Hinweis der Berliner Polizei vor dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch Reisebusse oder Pkw anreisender Teilnehmer*innen der Demonstration angehalten? Wenn ja, a. kam es dabei zu Durchsuchungen von Fahrzeugen oder Personen mit welchem jeweiligen Ergebnis? b. kam es dabei zu Personenkontrollen mit welchem jeweiligen Ergebnis? c. Wenn nein, warum nicht? Zu 13.: Die Polizei Berlin hat keine Reisebusse oder Pkw mit anreisenden Teilnehmenden im Sinne der Fragestellung kontrolliert oder durchsucht. Es lagen weder Gründe noch rechtliche Voraussetzungen für eine Kontrolle der Reisebusse auf der Anfahrt vor. 14. Welche Personen mit welchen jeweiligen Funktionärsaufgaben und Regionalgruppenzugehörigkeiten traten als Redner*innen beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 2017 auf? 5 Zu 14.: Als Redner traten der ehemalige Landesvorsitzende der NPD Berlin und NPD- Bundesorganisationsleiter, ein Funktionär der NPD Sachsen, ein britischer Historiker sowie Aktivisten aus Schweden und Frankreich auf. Der Senat von Berlin veröffentlicht hierzu keine personenbezogenen Daten. 15. Wie viele Polizist*innen welcher Untergliederungseinheiten waren am 19.08.2017 im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches und der Gegendemonstration insgesamt im Einsatz (bitte eine Einzelaufschlüsselung nach Anzahl der Dienstkräfte und Untergliederungseinheiten)? 16. Wie viele Polizeidienstkräfte aus welchen anderen Bundesländern und dem Bund waren an dem Polizeieinsatz im Rahmen der unter 1. genannten Demonstration und der Gegendemonstration beteiligt? Zu 15. und 16.: Folgende Polizeidienstkräfte waren im Rahmen der Versammlungslage eingesetzt: Präsidialstab: 3 Justiziariat: 1 Serviceeinheit: 4 Polizeidirektion Einsatz: 569 Örtliche Polizeidirektionen: 249 LKA: 47 Polizei Sachsen-Anhalt: 105 Polizei Baden-Württemberg 36 Polizei Brandenburg 27 Polizei Thüringen 79 Gesamt: 1120 17. Wie viele Zivilpolizist*innen (Dienstkräfte in bürgerlicher Kleidung) waren bei dem Polizeieinsatz im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches und der Gegendemonstrationen im Einsatz (bitte jeweils nach Neonaziaufmarsch und Gegendemonstration aufschlüsseln)? Zu 17.: Insgesamt waren 73 Polizeidienstkräfte in bürgerlicher Kleidung im Einsatz. Diese haben sich im gesamten Einsatzraum aufgehalten und können dementsprechend keiner konkreten Versammlung zugeordnet werden. 18. Wie viele Polizist*innen des LKA 5 – Abteilung Polizeilicher Staatsschutz welcher genauen Dezernate waren im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches und der Gegendemonstrationen im Einsatz (bitte jeweils nach Naziaufmarsch und Gegendemonstration aufschlüsseln)? Zu 18.: Zur Anzahl der eingesetzten Polizeidienstkräfte in einem eng begrenzten Bereich werden aus polizeitaktischer Sicht keine Angaben gemacht. 19. Welche Auflagen wurden dem Anmelder des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches erteilt? Zu 19.: Für die Durchführung des genannten Aufzugs wurden gemäß § 15 Absatz 1 VersG mehrere Auflagen gemacht. Neben den weitestgehend standardisierten Auflagen zum Mitführen von Kraftfahrzeugen während des Aufzugs wurde insbesondere jede Verherrlichung der Person des Rudolf Hess in Wort, Schrift und Bild untersagt. Untersagt wurden ferner Aussagen, die das Regime des Nationalsozialismus, seine Organisationen und deren Folgeorganisationen verherrlichen oder verharmlosen. 6 Die Anzahl von Fahnen und Trommeln, die während des Aufzugs mitgeführt werden durften, wurde beschränkt. Die Verwendung der Trommeln wurde auch insoweit eingeschränkt, als mit ihrer Hilfe kein einheitlicher Marschtakt entstehen durfte. Das Abspielen von Marschmusik zum selben Zweck, die Verwendung von Fackeln und von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung wurden ebenfalls untersagt. Nach Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 1 L 505.17) und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG 1 S 52.17) war die Anzahl der zuzulassenden Fahnen von 1 Fahne pro 50 Teilnehmende auf 1 Fahne pro 25 Teilnehmende zu reduzieren. 20. Hat die Polizei Auflagenverstöße registriert? Wenn ja, welche und wie viele jeweils? Wenn nein, warum sah die Polizei in dem Frontbanner des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches „Ich bereue nichts“, welches mit „Nationale Sozialisten Berlin“ unterschrieben wurde, keinen Verstoß gegen die Auflagen oder Gesetze, obwohl es sich um ein Zitat von Rudolf Heß handelte? Zu 20.: Durch die Polizei Berlin wurden keine Auflagenverstöße festgestellt. Der Inhalt des betreffenden Transparentes wurde vor Ort durch das Justiziariat der Polizei Berlin rechtlich geprüft und als nicht strafbar bewertet. 21. Wurden im Aufzug des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches Sprechchöre strafbaren Inhalts gerufen? Wenn ja, welche, und mit welchen polizeilichen Maßnahmen wurde in jedem einzelnen Fall darauf reagiert? Wenn nein, warum hielt die Polizei die angestimmten Rudolf-Heß-Sprechchöre für keinen Verstoß gegen Auflagen oder Gesetze? Zu 21.: Die durch die Polizei Berlin vernommenen Sprechchöre von Teilnehmenden der betreffenden Versammlung wurden vor Ort durch das Justiziariat der Polizei Berlin rechtlich geprüft und als nicht strafbar bewertet. 22. Warum wurde die Route des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches geändert? Zu 22.: Die Aufzugsstrecke der Versammlung „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache!“ wurde durch mehrere Teilnehmende der Gegenkundgebung besetzt. Somit war nicht davon auszugehen, dass der Aufzug diesen Bereich störungsfrei passieren kann. Es wurde daher von Seiten der Polizei Berlin einvernehmlich mit dem Versammlungsleiter eine Alternativstrecke vereinbart. 23. Wurden im Aufzug des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches Tätowierungen strafbaren Inhalts festgestellt? Wenn ja, wie viele, welche und welche polizeilichen Maßnahmen wurden jeweils getroffen? Zu 23.: Durch die Polizei Berlin wurden vier sichtbare Tätowierungen mit strafbarem Inhalt an jeweils einer Person festgestellt. Bei diesen vier Personen wurde die Identität festgestellt und entsprechende Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Im Rahmen dessen wurden drei Personen zwecks weiterführender polizeilicher Maßnahmen der zentralen Bearbeitung zugeführt und nahmen im weiteren Verlauf nicht mehr an der Versammlung teil. Die vierte Person erhielt die Auflage, die betreffende Tätowierung abzudecken. 7 Bei den Tätowierungen handelte es sich um Runen und SS-Totenköpfe. 24. Von wie vielen Personen wurden am 19.08.2017 im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches wegen welcher konkreten Tatvorwürfe die Personalien festgestellt? a. Von Teilnehmer*innen des Naziaufmarsches? Zu 24 a.: Insgesamt wurde die Identität von 35 Teilnehmenden der Versammlung der „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache“ festgestellt. Hierbei wurden folgende Tatvorwürfe erfasst: Verdacht des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Verdacht des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz Verdacht des Landfriedensbruchs Verdacht des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte Verdacht der Gefährlichen Körperverletzung Verdacht der Körperverletzung Verdacht der Sachbeschädigung Verdacht der versuchten Gefangenenbefreiung Verdacht des Diebstahls b. Von Teilnehmer*innen der Gegendemonstration? Zu 24 b.: Insgesamt wurde die Identität von 38 Teilnehmenden der Gegendemonstrationen festgestellt. Hierbei wurden folgende Tatvorwürfe erfasst: Verdacht des Landfriedensbruchs Verdacht der Gefährlichen Körperverletzung Verdacht des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz Verdacht des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Verdacht der Versuchten Gefangenenbefreiung Verdacht des Raubes 25. Wie viele Ingewahrsamnahmen wegen welcher konkreten Tatvorwürfe hat die Polizei am 19.08.2017 im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches jeweils vorgenommen? a. Gegen Teilnehmer*innen des Naziaufmarsches? b. Gegen Teilnehmer*innen der Gegendemonstration? Zu 25.: Durch die Polizei Berlin erfolgten keine Ingewahrsamnahmen. 26. Wie viele Festnahmen wegen welcher konkreter Tatvorwürfe hat die Polizei am 19.08.2017 im Rahmen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches jeweils vorgenommen? a. Gegen Teilnehmer*innen des Naziaufmarsches? b. Gegen Teilnehmer*innen der Gegendemonstration? Zu 26.: Neben den zu Frage 24 aufgeführten Freiheitsbeschränkungen / -entziehungen gab es keine weiteren Festnahmen. 27. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen welcher Tatvorwürfe wurden gegen Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches und der Gegendemonstration eingeleitet und warum jeweils? 8 Zu 27: Folgende Ermittlungsverfahren wurden gegen Teilnehmende der jeweiligen Versammlungen eingeleitet (Stand 01.09.17, 12:00 Uhr): „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache“ 6 x Körperverletzung 1 x Landfriedensbruch 7 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 3 x Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 1 x Sachbeschädigung Gegendemonstrationen 6 x Körperverletzung 1 x Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 x Landfriedensbruch 5 x Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 2 x Sachbeschädigung 1 x Nötigung Im Rahmen der Sachbearbeitung wurden einzelne Strafanzeigen zu den jeweiligen Ermittlungskomplexen bereits in Teilen als Sammelvorgang unter den hier genannten Deliktsbezeichnungen zusammengefasst. a. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ hat die Polizei eingeleitet? Zu 27 a.: Gegen Teilnehmende der Versammlung „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache“ wurde ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet und dem Sammelvorgang Landfriedensbruch zugeordnet. Aus den Gegenversammlungen wurde gegen zwei Teilnehmende ein solches Ermittlungsverfahren eingeleitet. b. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ hat die Polizei eingeleitet (bitte eine Einzelaufschlüsselung nach Heß- Gedenkmarsch und Gegenprotesten, Anzahl und jeweiligem Tatvorwurf)? Zu 27 b.: In diesem Zusammenhang wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. 28. Bei wie vielen Personen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches, gegen die ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, liegen Vorerkenntnisse aus dem Bereich PMK rechts vor? Zu 28.: Nach derzeitigem Ermittlungsstand liegen zu sieben Personen entsprechende Vorerkenntnisse vor. 29. Wurden Bedrohungen und körperliche Übergriffe gegen Journalist*innen durch Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches von der Polizei festgestellt? Wenn ja, an welchen Orten, welcher Art und wie viele jeweils? Zu 29.: 9 Durch die Polizei Berlin wurden keine Bedrohungen und körperlichen Übergriffe auf Journalistinnen oder Journalisten festgestellt. 30. Gegen 15 Uhr des 19.08.2017 an der Ecke Klosterstraße/Altonaer Str., brachen während des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches etwa 20-30 Teilnehmer*innen aus dem Demonstrationszug aus und attackierten etwa 15 Passanten, die sich am Straßenrand befanden. a. Von wie vielen Teilnehmer*innen des Demonstrationszuges, die am Vorfall beteiligt waren, wurden wegen welcher konkreten Tatvorwürfe die Personalien seitens der Polizei festgestellt? Zu 30 a.: In diesem Sachzusammenhang wurden seitens der Polizei Berlin von zwei Teilnehmenden des beschriebenen Aufzuges die Personalien festgestellt. Diese wurden als Tatverdächtige im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens mit dem Tatvorwurf eines Landfriedensbruchs dokumentiert. Bei den weiterführenden Ermittlungen wurde eine weitere Person namenhaft gemacht und diesem Delikt zugeordnet. b. Warum konnte die Polizei die Sicherheit der Passanten nicht gewährleisten? Zu 30 b.: Trotz der Spontanität der Auseinandersetzung wurde durch die eingesetzten Polizeidienstkräfte unvermittelt die Sicherheit der anwesenden Passanten gewährleistet. c. Wie lautete - im Wortlaut - der abgesetzte Funkspruch der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort zum Vorfall (siehe Frage 12 der Drucksache 18/11719)? Zu 30 c.: Die abgesetzten Funksprüche wurden nicht in allen Ebenen der im Einsatz beteiligten Polizeidienstkräfte dokumentiert. Eine Dokumentation der Funksprüche, von den hier in Rede stehenden vor Ort eingesetzten Polizeidienstkräften, die überwiegend der Kommunikation untereinander diente, ist nicht erfolgt. Mithin kann lediglich der dokumentierte Wortlaut von Sachverhaltsangaben dreier unterschiedlicher Führungsgruppen an den übergeordneten Führungsstab im Sinne der Fragestellung wiedergegeben werden: 1. Meldung: „(Rufname) von (Rufname) kommen.“ „(Rufname).“ „Hier (Rufname), 15:01 Uhr hatten wir körperliche Auseinandersetzung Rechts – Links Altonaer Str./ Klosterstr. Unsere Kräfte haben das durch Einsatz unmittelbaren Zwang durch Schieben und Drücken dies unterbunden.“ 2. Meldung: „Hier (Rufname). Kräfte meldeten um 15:02 Uhr Klosterstr./ Altonaer Str. die Anwendung von einfacher körperlicher Gewalt in Form von Abdrängen gegen eine Gruppe von Gegendemonstranten.“ 3. Meldung: „(Rufname) (Rufname)“ „(Rufname)“ „Wir hatten Funkprobleme, ich weiß nicht, ob sie das mit haben, aber Klosterstr/ Altonaer Str., Angriffe 30mal Rechts auf Klientel Ludwig. Dank dem tätlichen Eingreifen konnten wir den Angriff einstellen und kommen dann in Kürze mit (Unterbrechung) kommen dann in Kürze mit weiteren Daten.“ „(Rufname) verstanden 15:02 Uhr.“ 10 Entgegen der Ankündigung erfolgte bei der 3. Meldung keine weitere Funkmeldung von der entsprechenden Führungsgruppe in diesem Sachzusammenhang. Dahingehende Nachfragen von dem übergeordneten Führungsstab waren entbehrlich, da die ersten beiden Meldungen ausreichend zur Sachverhaltsklärung beitrugen. 31. Konnte die Polizei offene Haftbefehle unter Teilnehmer*innen des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches feststellen? Wenn ja, a. wie viele? b. Um welche Straftaten handelte es sich dabei? c. Welche Vorstrafen lagen bei den betroffenen Personen vor? d. Wie viele Haftbefehle wurden durch die Polizei während beziehungsweise unmittelbar nach dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch vollstreckt? Zu 31.: Bei dem zu Frage 24 dargestellten Personenkreis wurden im Rahmen der Überprüfung keine offenen Haftbefehle festgestellt. 32. Kam es zum Einsatz von Kameras durch die Polizei? Wenn ja, a. über welche Zeiträume aus welchem jeweiligen Anlass und aus welchem jeweiligen Grund sind diese eingesetzt worden (bitte jeweils nach Zeiträumen, Anlass, Grund, Anzahl und Art der Kameras, Situationen und der jeweiligen Rechtsgrundlage für das Filmen auflisten)? Zu 32 a.: Während des Einsatzes sind im Zeitraum von 10:52 Uhr bis 18.55 Uhr insgesamt 122 Einsatzsituationen mit Bild und Ton aufgezeichnet worden. Zusätzlich kam es im Zeitraum von 13:39 Uhr bis 15:51 Uhr zu reinen Tonaufnahmen (Dokumentation der Lautsprecherdurchsagen des Aufzugs: „Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache!“). Des Weiteren erfolgten von 13:08 Uhr bis 13:18 Uhr und von 15:45 Uhr bis 17:12 Uhr stationäre Übersichtsaufnahmen der Klosterstr. / Ruhlebener Str. (Antrete- und Endplatz der betreffenden Versammlung) sowie von 15:50 Uhr bis 16:29 Uhr Übersichtsaufnahmen aus der Luft (Klosterstr. / Ruhlebener Str. bis Dischinger Brücke). Hierbei wurden ausdrücklich keine Aufzeichnungen sowie kein Heranzoomen auf Versammlungsteilnehmende oder sonstige Personen durchgeführt. Aufgrund der jeweils unübersichtlichen Lage wurden die Bilder zur Aufklärung und dem Leiten des Einsatzes in die Befehlsstelle übertragen. Die Rechtsgrundlagen waren das Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vom 23. April 2013, die Strafprozessordnung sowie das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin. Anlass und Inhalt der Bild- und Tonaufzeichnungen waren insbesondere Vermummung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Versuch der Gefangenbefreiung, Sitzblockaden, Beleidigungen, Gefahrensituationen nach dem Versammlungsgesetz sowie der Verdacht strafbarer Lautsprecherdurchsagen. Es erfolgt keine statistische Erfassung über die Anzahl und Art der im Einsatz mitgeführten Kameras. Eine valide Aussage kann demnach hierzu nicht getroffen werden. b. Kam es auch zur Speicherung der Aufnahmen? 11 Zu 32 b.: Bild- und Tonaufzeichnungen wurden entsprechend der rechtlichen Vorgaben polizeilich gespeichert. c. Wie viele Minuten Filmmaterial sind dabei entstanden? Zu 32 c.: Es wurden insgesamt 10 Stunden und 46 Minuten Bild- und Tonmaterial aufgezeichnet, davon 2 Stunden und 8 Minuten nur Audioaufzeichnung. Berlin, den 06. September 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12133 S18-12133