Drucksache 18 / 12 150 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 17. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. August 2017) zum Thema: Linksextremismus in Berlin – Aktivitäten in der „Kadterschmiede“ II und Antwort vom 05. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12150 vom 17. August 2017 über Linksextremismus in Berlin – Aktivitäten in der „Kadterschmiede“ II ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Symbolwert hat die „Kadterschmiede“ für die linke und linksextremistische Szene? Zu 1.: Die „Kadterschmiede“ hat für die linksextremistische Szene zunächst einen eher praktischen Nutzen als „geschützter“ Veranstaltungsraum innerhalb der Rigaer Straße 94, zu dem auch ausgewählte Nicht-Bewohner*innen des Hauses Zutritt erhalten . Einen symbolischen Wert erlangte die „Kadterschmiede“ durch Widerstand gegen Polizeieinsätze aus verschiedenen Anlässen, zuletzt im Rahmen einer Teilräumung des Gebäudes im Juni 2016. Sie gilt in der Folge als konkreter Ort der Selbstermächtigung im Rahmen des eher abstrakt propagierten Ziels der Etablierung „autonomer Freiräume“, in denen rechtsstaatlichen Normen die Geltung abgesprochen wird. Exekutive Maßnahmen in den Räumlichkeiten werden insofern zum Angriff auf die linksextremistische - insbesondere die autonome - Szene insgesamt stilisiert und befördern mindestens temporär deren inneren Zusammenhalt. Das Objekt Rigaer Straße 94 ist für die linksextremistische Szene Berlins und auch überregional von herausragender Bedeutung und besitzt als eines der letzten, von Räumung bedrohten, linken Szeneobjekte für einen selbstbestimmten Lebensraum einen hohen Symbolwert. 2. Um welche Einrichtungsform im rechtlichen, gewerblichen und gastronomischen Sinne handelt es sich nach Auffassung des Senats bei der Kadterschmiede und als welche ist diese bei den zuständigen Behörden gemeldet? Zu 2.: Die „Kadterschmiede“ ist gewerberechtlich nicht angemeldet. Es besteht der Verdacht , dass es sich hier um eine erlaubnispflichtige Gaststätte handelt. Seite 2 von 5 3. Unterliegt nicht jede Gaststätte der Verpflichtung einer staatlichen Erlaubnis zur Nutzung als solche und wenn nicht, was sind die nötigen Kriterien und Voraussetzungen zum Betrieb einer Gaststätte? Zu 3.: Grundsätzlich besteht für jede Gaststätte, die alkoholische Getränke ausschenkt, die Erlaubnispflicht gemäß Gaststättengesetz. 4. Geht das Land Berlin davon aus, dass in der Kadterschmiede Alkohol ausgeschenkt wird, was die Anmeldung einer Gaststätte nach Berliner Gaststättengesetz erforderlich machen würde? Zu 4.: Ja, aber dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg liegen keine statistischen Erkenntnisse vor. 5. Inwieweit hat der Bezirk in den letzten fünf Jahren kontrolliert, ob es sich bei der Kadterschmiede um eine Gaststätte nach dem Gaststättengesetz handelt? Wenn gar nicht, warum nicht? (Aufstellung erbeten.) Zu 5.: Vom zuständigen Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg wurden bisher keine Kontrollen durchgeführt. Mit Schreiben vom 12. Februar 2016 wurde ein Amtshilfeersuchen mit dem Ziel der gewerberechtlichen Überprüfung der „Kadterschmiede“ an das Landeskriminalamt (LKA) Berlin gerichtet, das jedoch nicht zur Umsetzung kam (siehe auch zu Frage 7.). 6. Welche Konsequenzen erfolgten von Seiten des Bezirks hinsichtlich des Betriebs einer Gaststätte ohne Gaststättenerlaubnis? Zu 6.: Zur Zeit keine. Eine Kontrolle könnte nur mit polizeilicher Unterstützung erfolgen. 7. Wieso kam das Amtshilfeersuchen zur gewerberechtlichen Überprüfung an das Landeskriminalamt nicht zur Umsetzung (vgl. Drs. 17/18227) und ist geplant, dieses wieder aufzunehmen? Wenn nicht, warum nicht? Zu 7.: Das Amtshilfeersuchen diente der Verifizierung von Hinweisen, wonach in der sogenannten „Kadterschmiede“ alkoholische Getränke gegen Entgelt ausgeschenkt werden sollten. Die Überprüfung zur nachweislichen Entkräftung oder Bestätigung dieses Hinweises kann ausschließlich während der Öffnung beziehungsweise im Rahmen einer Veranstaltung in den Räumlichkeiten der „Kadterschmiede“ erbracht werden. Das Objekt ist straßenseitig nicht einsehbar. Insofern bedarf es umfassender Vorbereitungen und eines hohen Kräfteansatzes, insbesondere vor dem Hintergrund zu erwartender Solidarisierungen in der linksextremistischen Szene, auch über den eigentlichen Überprüfungszeitraum hinaus. Die Inbesitznahme der Räumlichkeiten durch die Eigentümerin am 22. Juni 2016 löste ein noch anhängiges Privatklageverfahren aus, so dass von etwaigen gewerbe- Seite 3 von 5 rechtlichen Überprüfungen vor der Entscheidung des Zivilgerichtes abgesehen wurde. 8. Wie müssen Gaststätten durch die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht (oder andere) und nach welchen Maßstäben kontrolliert werden? (Aufstellung erbeten.) 9. Wie oft wurden Kontrollen durch die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht in den letzten fünf Jahren in der Kadterschmiede durchgeführt? Wenn keine, warum nicht und ist geplant, diese aufzunehmen ? (Aufstellung erbeten.) Zu 8. und 9.: Die Betriebsstätte „Kadterschmiede“, Rigaer Straße 94, 10247 Berlin, wurde im Zeitraum von März 2016 bis heute von der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht Friedrichshain -Kreuzberg zwecks lebensmittelrechtlicher Kontrollen mehrfach aufgesucht, jedoch wurde die besagte Betriebsstätte stets verschlossen vorgefunden. Gemeinsame Überprüfungen mit dem LKA 333 (Gewerbedelikte) sind angedacht. 10. Wann fand die Räumung der Kadterschmiede in 2016 statt und welchen Grund gab es damals? Zu 10.: Am 22. Juni 2016 führten Beauftragte der Eigentümerin Baumaßnahmen im Objekt Rigaer Str. 94 durch. Hier wurde die Polizei Berlin im Rahmen von Schutzmaßnahmen für die Arbeiter tätig. 11. Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die Räumung durchgeführt? Zu 11.: Der Schutz der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit war durch die Polizei Berlin gefahrenabwehrrechtlich gemäß §§ 1 Abs. 3, 17 Abs. 1 Allgemeines Sicherheits-und Ordnungsgesetz Berlin zulässig. 12. Wie viele Polizeikräfte waren damals direkt vor, während und nach der Räumung vor Ort und wie viele Einsatzstunden wurden insgesamt geleistet? Zu 12.: Während des Einsatzes am 22. Juni 2016 waren rund 300 Einsatzkräfte am Einsatzgeschehen beteiligt. Nur ein kleiner Teil war direkt in der Rigaer Straße eingesetzt. Der Großteil der Einsatzkräfte war im Umfeld beispielsweise mit Raumschutzmaßnahmen und Absperrungen betraut. Darüber hinaus waren vom 22. Juni 2016 – 17. Juli 2016 Einsatzkräfte der Polizei Berlin im Rahmen „Konzeptioneller Ansätze zur stadtweiten Bekämpfung Politisch motivierter Kriminalität - links mit Einsatzanordnung der Direktion Einsatz“ stadtweit im Einsatz. Diese hielten sich nicht ausschließlich am Objekt Rigaer Straße 94 auf, sondern waren mit unterschiedlichen Aufgabenzuweisungen im gesamten geographischen Raum verteilt. Diese Einsatzanordnung sah ein Maßnahmenbündel aus Raumschutz- und Objektschutzmaßnahmen sowie Aufklärungsmaßnahmen im gesamten Stadtgebiet durch Polizeidienstkräfte vor. Die Einsatzkonzeption der Direktion Einsatz hatte vorrangig zum Ziel, Brandstiftungs- und Sachbeschädigungsdelikte sowie Landfriedensbrüche zu verhindern und durch den stadtweiten Kräfteeinsatz an erkannten Brennpunkten frühzeitig Aktionen der Szene entgegenzuwirken. Seite 4 von 5 Insgesamt kann aufgrund der Maßnahmen, die sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckt haben, keine genaue Zuordnung der Kräfte zur Rigaer Straße 94 im Sinne der Fragestellung vorgenommen werden. Für den 22. Juni 2016 fielen folgende Einsatzkräftestunden an: • bis 13:15 Uhr 1843:45 Std./Min • bis 18:00 Uhr 1002:55 Std./Min. Bei den polizeilichen Maßnahmen nach dem Einsatz am 22. Juni 2016 handelte es sich um ein Maßnahmenbündel im Rahmen „Konzeptioneller Ansätze zur stadtweiten Bekämpfung Politisch motivierter Kriminalität - links mit Einsatzanordnung der Direktion Einsatz“. Daher ist eine Auswertung der Einsatzkräftestunden nicht möglich. Darüber hinaus kann abschließend noch keine Aufstellung über die angefallenen Einsatzkräftestunden für die Polizeien der Länder und des Bundes vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die entstandenen Einsatzkräftestunden erst mit zeitlichem Verzug durch die entsprechenden Bundesländer erhoben und dem Land Berlin zur Verfügung gestellt werden. 13. Wann wird mit einem rechtskräftigen Urteil zu einer möglichen weiteren Räumung der Kadterschmiede gerechnet? Zu 13.: Dem Senat liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 14. Hat der Senat Kenntnis von Bedrohungen gegenüber dem Anwalt des Eigentümers und wenn ja, in welcher Form und Häufigkeit? Zu 14.: Bei der Polizei Berlin sind in den letzten Jahren verschiedenste Straftaten und Sachverhalte zur Anzeige gebracht worden, bei denen aufgrund der Begehungsweise beziehungsweise der Tatörtlichkeit in Betracht zu ziehen war, dass diese gegen die Rechtbeistände der Eigentümerinnen beziehungsweise Eigentümer des Objekts Rigaer Straße 94 gerichtet waren und möglicherweise als Einschüchterungsversuche fungieren sollten. Die Eigentümerinnen und Eigentümer sowie somit auch die Rechtsbeistände haben in den letzten Jahren mehrfach gewechselt. Die genauen Daten können automatisiert nicht ermittelt werden. 15. Was kann und wird gegen Bedrohungen von Anwälten in diesem Verfahren unternommen? Zu 15.: Bei Bekanntwerden von Gefährdungserkenntnissen zum Nachteil von Rechtsbeiständen , werden diese umgehend beim Polizeilichen Staatsschutz im LKA Berlin bewertet, um gegebenenfalls im Anschluss mit einem angemessenen Aufwand alle Maßnahmen zur Prävention, zur Erkenntnisverdichtung und zur Festnahme möglicher Täterinnen und Täter durch die Polizei Berlin zu ermöglichen. Seite 5 von 5 Zu allen der Polizei Berlin in der Vergangenheit bekannt gewordenen und künftig bekannt werdenden Straftaten zum Nachteil von Rechtsbeiständen wurden und werden Ermittlungsverfahren eingeleitet, die bei dem zuständigen Fachkommissariat des Polizeilichen Staatsschutzes im LKA Berlin bearbeitet werden. 16. Gibt es konkrete Ermittlungsergebnisse seitens des Landeskriminalamtes zum Diebstahl in der Anwaltskanzlei, welche den Eigentümer vertritt? Wenn ja, welche? Zu 16.: Siehe Antwort zu Frage 14. 17. Fanden in diesem Zusammenhang Hausdurchsuchungen bei bekannten Personen aus der linksextremistischen Szene statt? Zu 17.: Die Polizei Berlin hat in diesem Zusammenhang keine Hausdurchsuchungen durchgeführt . 18. Sind über diesen Sachverhalt hinaus weitere Fälle in den letzten zehn Jahre bekannt, in denen Anwälte massiv bedroht und/oder bestohlen wurden? Zu 18.: Eine statistische Erfassung der Berufsgruppe „Rechtsanwalt/-anwältin“ erfolgt in den polizeilichen Datensystemen nicht. Eine Auswertung wäre nur über die geschädigte Institution „Rechtsanwaltskanzlei“ möglich. Da jedoch die Eingabe der betroffenen Institution nicht zwingend erfolgen muss, sind keine validen Daten zu ermitteln. Berlin, den 5. September 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12150 S18-12150