Drucksache 18 / 12 166 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gunnar Lindemann (AfD) vom 27. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2017) zum Thema: Zugverbindung Berlin - Kaliningrad und Antwort vom 08. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Gunnar Lindemann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 12 166 vom 27. August 2017 über Zugverbindung Berlin - Kaliningrad Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Warum wurde die Zugverbindung mittels Kurswagen zwischen Berlin und Kaliningrad eingestellt? Antwort zu 1: Die Einstellung der Zugverbindung Berlin – Kaliningrad (Königsberg) im Jahr 2014 erfolgte vor dem Hintergrund der Annexion der Krim durch Russland und der Beschlüsse der Europäischen Union zu Embargo-Maßnahmen (EU-VO 833/2014). Die Folgen waren eine Sanktionsliste für ein Verbot der Ein- und Durchreise von bestimmten natürlichen oder juristischen russischen Personen in und durch die EU, Einschränkungen der wirtschaftlichen Kooperation mit russischen Unternehmen und eine Abwertung des russischen Rubels als Reaktion der Finanzmärkte. Die Gegenreaktion waren unberechenbare Kontrollprozeduren der russischen Grenzorgane bei der Einreise von EU- Bürgern auf dem Landweg nach Russland, die den älteren Berlinern aus der Zeit des „Kalten Krieges“ bekannt sind. All diese Faktoren führten zu einem schnellen Rückgang der Nachfrage im Tourismus und im Geschäftsreiseverkehr von und nach Kaliningrad. Eine Zugverbindung wäre unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch unwirtschaftlich. Dies gilt auch für viele Zugverbindungen von Litauen und Estland nach Russland, die ebenfalls 2014/2015 eingestellt wurden. 2 Frage 2: Was hat der Senat damals dagegen unternommen? Wenn nichts, warum nicht? Antwort zu 2: Eine Initiative des Senats für eine kurzfristige Wiederinbetriebnahme der Kurswagen- Verbindung wäre nicht sinnvoll gewesen, da diese seit 2014 eisenbahntechnisch nicht realisierbar ist. Die Kurswagen Berlin – Kaliningrad wurden zwischen Tczew (Dirschau, Polen) und Kaliningrad von einem Regionalexpress befördert, der von der polnischen Regierung bestellt und bezuschusst wurde. Dieser war für den „kleinen Grenzverkehr“ bestimmt. Die Sonderregelung von Visa-Erleichterungen für die Bewohner der grenznahen Gebiete an der polnisch-russischen Grenze wurde durch die polnische Regierung vor dem Hintergrund der Annexion der Krim aufgehoben. Mit der Abschaffung des kleinen Grenzverkehrs wurde auch der gesamte grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehr zwischen Polen und Kaliningrad eingestellt, so dass es auch keine Möglichkeit gibt, Kurswagen zu befördern. Mit Ausnahme der zwischen Weißrussland und Kaliningrad verkehrenden Transitzüge sind alle Eisenbahnübergänge von der Europäischen Union zum Kaliningrader Gebiet für den Personenverkehr geschlossen. Die Transitzüge zwischen Kaliningrad und Weißrussland über das Territorium der Europäischen Union sind für den litauischen Binnenverkehr und für Bürger der Europäischen Union gesperrt. Frage 3: Was plant der Senat zur Wiederherstellung einer Zugverbindung zwischen Berlin und Kaliningrad, wenigstens mittels Kurswagen? Falls nichts geplant ist, warum nicht? Antwort zu 3: Langfristiges Ziel des Berliner Senats ist die Revitalisierung und Modernisierung des Bahnverkehrs von Berlin nach Kaliningrad auf einen Standard, der bereits zwischen Helsinki und St. Petersburg Realität ist. Während die neuen Hochgeschwindigkeitszüge für die 416 km lange Strecke von Helsinki nach St. Petersburg einschließlich aller Kontrollen nur 3:26 Stunden benötigen, betrug die Fahrzeit für den letzten zwischen Berlin und dem nur 590 km entfernten Kaliningrad verkehrenden Zug im Jahr 2013 17:17 Stunden. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass Finnland wegen der Nichtzugehörigkeit zur NATO von Russland formal als „blockfreier Staat“ behandelt wird Derzeit ist leider eine Verschärfung der Krise im Bahnverkehr zwischen Berlin und Russland zu beobachten, die aufzeigt, dass Voraussetzung für weitere Fortschritte ein Auslaufen der Sanktionen ist. So hat das Auswärtige Amt kürzlich vor einer Einreise mit der Bahn nach Russland abgeraten, da zahlreiche Reisende, die keine russische oder weißrussische Staatsbürgerschaft haben, sogar in den Direktzügen Berlin – Moskau an den russischen Grenzbahnhöfen abgewiesen wurden. Deswegen sollte die in den Fahrplanmedien der Deutschen Bahn AG angebotene Umsteigeverbindung Berlin – Kaliningrad über Minsk unter Nutzung der Transitzüge vorerst nicht von deutschen Staatsbürgern genutzt werden. Vorrang vor einer Zugverbindung nach Kaliningrad hat für den Berliner Senat die Revitalisierung des Bahnverkehrs in die Baltischen Staaten. Daher engagierte sich das Land Berlin in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission im INTERREG-Projekt „Rail Baltica“ bzw. im Nachfolgeprojekt „Nordsee-Baltikum-Korridor (NSB CoRe)“. Gemeinsames Ziel ist eine moderne elektrifizierte Schnellfahrstrecke von Berlin über 3 Warschau, Eŀk (Lyck, Masuren), Kaunas, Riga und Tallinn in europäischer Spurweite bis 2030 mit langfristiger Verlängerung nach Helsinki unter Umgehung des Kaliningrader Gebietes und Weißrussland. Berlin ist in dem EU-Projekt für die Probleme und die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten im Schienenpersonenverkehr östlich von Berlin zuständig. Der Berliner Senat nutzt dieses Projekt auch, um bereits für die Zeit einer Entspannung zwischen der Europäischen Union und Russland Lösungen eine moderne Bahnanbindung von Kaliningrad über einen Abzweig der „Rail Baltica“ zu diskutieren und sucht den interregionalen Dialog zur Region Kaliningrad und zur russischen Regierung. Die Senatsverkehrsverwaltung hat 2013 Kontakte zur Kaliningrader Region geknüpft. Es gelang, die russische Stadt Tschernjachowsk (Insterburg, schon im 19. Jahrhundert ein wichtiger Eisenbahnknoten im damaligen Ostpreußens) für das EU-Projekt zu interessieren. Berlin hat einen „Letter of Intent“ der Stadt Tschernjachowsk bei der EU- Kommission unterstützt, in den „Rail Baltica“-bezogenen EU-Projekten als assoziierter Partner teilzunehmen. Die Stadt Tschernjachowsk hat uns darauf hingewiesen, dass sie auch über eine Schienenanbindung in europäischer Normalspur aus Polen und von der „Rail Baltica“ verfügt. Leider hatte der Vertreter der Stadt Tschernjachowsk (vermutlich aufgrund politischer Vorgabe der russischen Regierung) auf einer Tagung der „Ostbahn-Initiative“ in Seelow im Herbst 2016 mit Hinweis auf die Nutzung der „Rail Baltica“ durch Militärtransporte der US- Armee bei Militärmanövern der NATO erklärt, dass unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen eine Zusammenarbeit zur Verbesserung der Bahnverbindungen in das Oblast Kaliningrad nicht möglich ist. Der Senat wird weiterhin alle Kontaktmöglichkeiten nutzen und den Dialog fortsetzen. Er arbeitet auch in der „Ostbahn-Initiative“ mit, in der deutsche und polnische Städte, Landkreise und Wirtschaftskammern längs der früheren historischen Bahnverbindung Berlin – Königsberg zum gemeinsamen Lobbying für die Revitalisierung des Bahnverkehr zusammengeschlossen sind. Berlin, den 08.09.2017 In Vertretung Kirchner ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr Und Klimaschutz S18-12166 S18-12166a