Drucksache 18 / 12 169 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 28. August 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. August 2017) zum Thema: Grundsätzliche Fragen zur Neuausweisung von Überschwemmungsgebieten in Berlin und Antwort vom 08. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12169 vom 28.08.2017 über Grundsätzliche Fragen zur Neuausweisung von Überschwemmungsgebieten in Berlin Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Vor welchen historischen, rechtlichen und sachlichen Hintergründen hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz das Ziel, die Bereiche Müggelspree/Gosener Wiesen, Erpe, Panke, Tegeler Fließ und Untere Havel/Untere Spree über entsprechende Verordnungen als Überschwemmungsgebiete festzusetzen (bitte um individuelle Begründungen für die angegebenen Gebiete)? Antwort zu 1: Die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten ist eine auf Bundesgesetz beruhende Verpflichtung, die alle Bundesländer gleichermaßen betrifft und zu der es keine Dispensmöglichkeit gibt. § 76 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) verpflichtet die Landesregierung eines jeden Bundeslandes dazu, innerhalb der Hochwasserrisikogebiete mindestens die Gebiete als Überschwemmungsgebiete durch Rechtsverordnung festzusetzen, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in hundert Jahren zu erwarten ist (hundertjährliches Hochwasser). Hochwasserrisiko ist nach § 73 Absatz 1 Satz 2 WHG die Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses, mit den möglichen nachteiligen Hochwasserfolgen für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe, wirtschaftliche Tätigkeiten und erhebliche Sachwerte. Bis Ende 2011 wurde die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos vorgenommen und ist danach alle sechs Jahre zu überprüfen und erforderlichenfalls zu aktualisieren. Für die Risikobewertung in Berlin wurden zurückliegende Hochwassersituationen analysiert und geographische sowie meteorologische Informationen über die Einzugsgebiete zusammengestellt. Die vorläufige Hochwasserrisikobewertung hat ergeben, dass für die oben genannten Gebiete ein potenziell signifikantes Hochwasserrisiko besteht. 2 Für diejenigen Gewässer, bei denen ein potenzielles Hochwasserrisiko besteht, wurden nach §74 WHG bis Ende 2013 detaillierte Gefahren- und Risikokarten erstellt. Die Hochwassergefahrenkarten stellen die räumliche Ausbreitung der Überflutung sowie die Wassertiefe für Hochwasserszenarien mit hoher, mittlerer und niedriger Wahrscheinlichkeit dar. Die Hochwassergefahrenkarten sind die Grundlage für die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten (§76 WHG). Mit der Verfügung vom 11.01.2013 wurden im Land Berlin gelegene Überschwemmungsgebiete vorläufig gesichert. Es erfolgte eine Überprüfung der vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete und mit der Festsetzung der Überschwemmungsgebiete sollen die vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete abgelöst werden. Das maßgebende 100-jährliche Hochwasserereignis wurde basierend auf gekoppelten hydrologisch-hydraulischen Berechnungen, auf instationären hydrodynamischen Modellen in Kombination mit der Entwicklung von Steuerungsszenarien oder auf Pegelstatistik abgeleitet. Die Überflutungsflächen ergeben sich durch Verschnitt der berechneten Wasserspiegellage und dem aktuellen digitalen Geländemodell. Diese rechtlichen Voraussetzungen und fachlichen Grundlagen betreffen alle fünf derzeit vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiete in gleicher Weise, so dass diesbezüglich keine individuellen Unterschiede bestehen. Frage 2: In welcher Art und Weise wurden die Anwohnerinnen und Anwohner bisher einbezogen und in welcher Form soll dies ggf. noch stattfinden (bitte hierbei auf jeden unter 1. genannten Bereich gesondert eingehen)? Antwort zu 2: Im Rahmen der vorläufigen Sicherung wurde auf zwei Informationsveranstaltungen umfassend über die vorläufige Sicherung der Überschwemmungsgebiete in Berlin informiert. Zusätzlich hat sich die Senatsverwaltung mit zwei Bürgerinformationsschreiben an die Betroffenen gewandt. Nach § 76 Absatz 4 Satz 1 WHG ist die Öffentlichkeit über die vorgesehene Festsetzung von Überschwemmungsgebieten zu informieren und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies dient dem Zweck, dass dem Bürger Gelegenheit gegeben wird, selbst eine Einschätzung der eigenen Gefährdung und die Vorbereitung geeigneter Schutzvorkehrungen zu treffen. Die Art der Öffentlichkeitsbeteiligung richtet sich nach den landesrechtlichen Verfahrensbestimmungen. In Berlin werden die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angewandt, hier die Vorschriften über das Anhörungsverfahren im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 73 VwVfG). Danach sind die Pläne, hier die Entwürfe der Überschwemmungsgebietsverordnungen, innerhalb eines Monats zur Einsicht auszulegen (§ 73 Absatz 3 Satz 1 VwVfG). Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde Einwendungen gegen die Planung erheben (§ 73 Absatz 4 Satz 1 VwVfG). Mit Bekanntmachung vom 12.06.2017, die sowohl im Amtsblatt von Berlin als auch in drei Berliner Tageszeitungen veröffentlicht worden ist, wurde bekannt gegeben, dass die Entwürfe der fünf Überschwemmungsgebietsverordnungen einschließlich der dazugehörigen Karten in der Zeit vom 11. Juli bis einschließlich 11. August 2017 sowohl in den Räumen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zur Einsicht ausgelegt als auch für jeden zugänglich im Internet eingestellt werden würden. Als Frist für die Abgabe von Stellungnahmen und Einwendungen gegenüber der bezeichneten Senatsverwaltung wurde der 25. August 2017 bekanntgegeben. Die Vielzahl der innerhalb 3 dieser Frist eingegangenen Anfragen und Stellungnahme belegt, dass die Verordnungsentwürfe und dazugehörigen Karten von einer großen Zahl betroffener Anwohnerinnen und Anwohner zur Kenntnis genommen und im Hinblick auf ihre eigene Betroffenheit ausgewertet wurden. Frage 3: Von welchen Auswirkungen geht der Senat hinsichtlich der Entwertung von Eigentum aus, wie viele Haushalte sind betroffen und inwieweit sind Ausgleichsmaßnahmen beabsichtigt (bitte hierbei auf jeden unter 1. genannten Bereich gesondert eingehen)? Antwort zu 3: Hinsichtlich durch Rechtsverordnung festgesetzter wie auch im Vorfeld vorläufig gesicherter Überschwemmungsgebiete ergeben sich die auf den in das Überschwemmungsgebiet ganz oder teilweise einbezogenen Grundstücken geltenden Beschränkungen unmittelbar aus dem Bundesrecht, § 78 Absatz 1 WHG. Hierbei gilt ein Bestandsschutz für zum Zeitpunkt der vorläufigen Sicherung bzw. Festsetzung des Überschwemmungsgebiets in diesem bereits bestehende legale Nutzungen, wie vorhandene bauliche Anlagen u.a. Die Einschränkungen des § 78 Absatz 1 WHG betreffen nur nach vorläufiger Sicherung bzw. Festsetzung geplante neue Nutzungen. Das Bundesgesetz sieht aber unter bestimmten Voraussetzungen auch die Erteilung von Ausnahmezulassungen oder Befreiungen von den Einschränkungen vor. Soweit dennoch auf einzelnen Grundstücken keine uneingeschränkte Planung mehr möglich ist, handelt es sich hierbei um durch Gesetz bestimmte Inhalte und Schranken des Eigentums (Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes) und nicht um eine Entwertung des Eigentums, für welche Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden müssten. Frage 4: In welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen wurde das teilweise hiervon ebenso betroffene Bundesland Brandenburg einbezogen? Antwort zu 4: Die koordinierte Umsetzung der europäischen Hochwasserrisikomanagementrichtlinie erfolgt innerhalb der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) nach den Empfehlungen der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA). In beiden Gremien stimmen die Länder gemeinsam die Vorgehensweise zur Bewertung der Hochwasserrisiken und zur Erstellung der Hochwassergefahren- und –risikokarten ab, die die Grundlage für die Überschwemmungsgebiete darstellen. In beiden Gremien sind die Länder Brandenburg und Berlin vertreten. Darüber hinaus stehen die Länder Brandenburg und Berlin in bilateraler Abstimmung, um für Gewässerabschnitte mit gemeinsamer Landesgrenze einen abgestimmten und harmonisierten methodischen Ansatz zur Erarbeitung von Hochwassergefahren- und - risikokarten zu gewährleisten. Frage 5: Welche Veränderungen würden diese Verordnungen hinsichtlich bisher ausgewiesener Landschafts- und Trinkwasserschutzgebiete sowie der Pflanzen- und Tiervielfalt bewirken? Antwort zu 5: Die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten hat keine Auswirkung auf bisher ausgewiesener Landschafts- und Trinkwasserschutzgebiete sowie der Pflanzen- und Tiervielfalt. 4 Frage 6: Zu welchem Zeitpunkt sollen die Verordnungen voraussichtlich in Kraft treten? Antwort zu 6. Nach Abschluss der Auswertung, Bearbeitung und Beantwortung der zahlreichen eingegangenen Stellungnahmen im Herbst d.J. wird zügig das Verordnungsgebungsverfahren weiter betrieben. Da dieses von zahlreichen Imponderabilien (Unwägbarkeiten) wie bevorstehenden Abstimmungen usw. abhängt, kann kein genauer Zeitpunkt für ein voraussichtliches Inkrafttreten der Verordnungen genannt werden. Berlin, den 08.09.2017 In Vertretung Tidow ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-12169 S18-12169a