Drucksache 18 / 12 211 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Mario Czaja (CDU) vom 01. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sep. 2017) zum Thema: Verbesserung der Ersten Hilfe an Berliner Schulen und Antwort vom 15. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Mario Czaja (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12211 vom 01. September 2017 über Verbesserung der Ersten Hilfe an Berliner Schulen ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche sachliche (z.B. Erste-Hilfe-Kästen, Defibrillatoren) und personelle (Ausbildung/Unterweisung von Mitarbeitern an der Schule) Ausstattung für medizinische Notfallmaßnahmen gibt es an den Schulen des Landes Berlin? Zu 1.: In den Schulen muss mindestens ein großer Verbandkasten nach DIN 13 169 „Verbandkasten E“ vorhanden sein. Der Verbandkasten ist im Sanitätsraum oder in der vergleichbaren Einrichtung aufzubewahren. In Räumen oder Einrichtungen der Schule, in denen die Schülerinnen und Schüler einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sein können (naturwissenschaftliche Unterrichtsräume, Werk- oder Technikräume, Lehrküchen, Sporthallen), müssen je nach Bedarf zusätzlich kleine Verbandkästen nach DIN 13 157 „Verbandkasten C“ vorhanden sein. Für die Ausstattung der Sanitätsräume oder vergleichbarer Einrichtungen mit Krankentragen ist die Anschaffung der Einheitskrankentrage nach DIN 13 024 ausreichend. Bei Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes, bei Unterricht in außerhalb des Schulgeländes liegenden Sporthallen und auf entfernt liegenden Sportplätzen soll von der verantwortlichen Dienstkraft eine Sanitätstasche mitgeführt werden, um im Unglücksfall Erste- Hilfe-Maßnahmen einleiten zu können. Deshalb muss pro Jahrgangsstufe eine Sanitätstasche gemäß DIN 13 160 im Sanitätsraum vorgehalten werden. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Dienstkräfte mindestens einmal jährlich über das Verhalten bei Unfällen unterwiesen werden. Darüber hinaus werden für Berliner Lehrkräfte und Schulpersonal Kosten zur Erste-Hilfe-Ausbildung auf Antrag von der Unfallkasse Berlin übernommen (§§ 14 Abs. 1, 21 Abs. 1 Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)). Ne- - - 2 ben Lehrkräften sind auch Verwaltungskräfte in den Sekretariaten sowie Erzieherinnen und Erzieher Ersthelfende. 2. Wie stellt sich die Befähigung von Schülerinnen und Schülern zu Maßnahmen der Ersten Hilfe dar? Zu 2.: Die Verantwortlichen vor Ort haben dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler mindestens einmal jährlich über das Verhalten bei Unfällen unterwiesen werden. Diese Maßnahme erfolgt in den Schulen in Form der allgemeinen und besonderen Sicherheitserziehung (z. B. im Sport und im naturwissenschaftlichen Unterricht) und durch Hinweise an die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch die Dienstkräfte. Das Jugendrotkreuz stellt in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse Berlin der Berliner Grundschule Unterweiserinnen und Unterweiser für Schülerinnen und Schüler in Bezug auf Erste-Hilfe-Maßnahmen, die in erster Linie für die Gesundheit, das Helfen und Hilfe holen sensibilisieren sollen, zur Verfügung. Die entsprechende Unterweisung für einzelne Lerngruppen wird pädagogisch auch durch sogenannte Erste-Hilfe-Fibeln unterstützt. Mit Hilfe der Fibel können innerhalb von drei bis vier Schulstunden die wichtigsten Bereiche der ersten Hilfe einschließlich vieler praktischer Übungen behandelt werden. 3. Mit welchen bereits abgeschlossenen, derzeit laufenden und künftig geplanten Maßnahmen sorgt der Senat für die Umsetzung der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 5./6. Juni 2014, die vorschlägt, an allen Schulen eine Unterweisung in lebensrettenden Maßnahmen vorzunehmen (Herz-Lungen- Wiederbelebung)? Zu 3.: Die Einführung von Reanimationsunterricht in den Schulunterricht der Jahrgangsstufen 7 und 8 gemäß dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom Juni 2014 nimmt in Berlin konkrete Formen an. In einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Charité- Universitätsmedizin Berlin und dem Vivantes-Netzwerk für Gesundheit wurde gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ein praktikables Konzept entwickelt , das aufzeigt, wie Reanimationsunterricht theoretisch, aber vor allem auch praktisch im Schulunterricht vermittelt werden kann. In einer Kooperationsvereinbarung wurden die Rahmenbedingungen festgelegt. Die Charité-Universitätsmedizin Berlin und das Vivantes- Netzwerk für Gesundheit stellen in einer ersten Phase je 6000 € zur Beschaffung von Reanimationspuppen zur Verfügung. Kern des Projekts sind gemeinsame Fortbildungen in Absprache mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Kleine Teams von Lehrkräften, überwiegend aus den Fachbereichen Biologie, erhalten dabei ein praxisorientiertes Training zu Wiederbelebungsmaßnahmen unter der Anleitung erfahrener Notfallmediziner . Den Übungen wird ein kurzer unterrichtsbezogener theoretischer Einstieg vorangestellt . Bei den ersten Unterrichtseinheiten an ihren Schulen werden die Lehrkräfte unterstützt. Auf dieser Grundlage kann der Reanimationsunterricht, dessen Schwerpunkt das praktische Üben der Reanimation durch die Schülerinnen und Schüler ist, ein fester Bestandteil der Schulinternen Curricula der Berliner Schulen mit Bezug zum neuen Rahmenlehrplan werden. Es sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt 35 Schulen aus allen Regionen Berlins im Projekt vertreten. Im Schuljahr 2016/2017 wurden 70 Kolleginnen und Kollegen fortgebildet. - - 3 4. Wann ist – ausgehend vom bisherigen Umfang und den bisherigen Erfahrungen bei entsprechenden Maßnahmen – mit einem flächendeckenden Unterrichtsprogramm zu rechnen? Zu 4.: Das Konzept zur Einführung des Reanimationsunterrichts in den Schulunterricht der Jahrgangsstufen 7 und 8 hat sich in den Schuljahren 2015 bis 2017 bewährt. Die Kooperationsvereinbarung zwischen der Charité-Universitätsmedizin Berlin, dem Vivantes-Netzwerk für Gesundheit und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wurde um ein Jahr verlängert. Damit können die Bereitstellung weiterer Reanimationspuppen und der Fortgang der Fortbildungsveranstaltungen gesichert werden. Langfristig sollen die bezirklichen Fortbildungszentren, ausgewählte Schwerpunktschulen sowie die iMINT-Akademie mit Reanimationspuppen ausgestattet werden, auf die dann prinzipiell alle weiterführenden Schulen zugreifen können. Mindestens jede vierte weiterführende Schule soll in den nächsten drei Jahren Reanimationsunterricht anbieten können, in der Zukunft soll es jede weiterführende Berliner Schule sein. 5. Ist der Senat der Auffassung, darüber hinaus den Umgang mit Defibrillatoren, die Bewältigung lebensbedrohlicher Situationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall oder anderer lebensbedrohlicher Ereignisse als Inhalt einer theoretischen und praktischen Unterweisung für möglichst viele Schüler vorzuschreiben oder anzuregen ? Zu 5.: Ja. Es ist vorgesehen, langfristig Lehrkräfte aller weiterführenden Schulen zu befähigen, entsprechende Unterrichtsinhalte in der Doppeljahrgangsstufe 7/8 zu unterrichten. Ziel ist es, jeder Schülerin und jedem Schüler eine entsprechende Unterweisung als Teil des Biologieunterrichtes zukommen zu lassen. Entsprechend der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen beschränkt sich das Projekt auf die Herz-Druck-Massage. Der Umgang mit dem Defibrillator wird nicht geschult. 6. Welche sachlichen und personellen Bedingungen müssen mithilfe welchen Aufwands gegeben sein, um Maßnahmen im Sinne der Fragen 3 und 5 in den Schulunterricht einzuführen? Zu 6.: Die Kooperationsvereinbarung zwischen der Charité-Universitätsmedizin Berlin, dem Vivantes-Netzwerk für Gesundheit und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie legt die sachlichen und personellen Rahmenbedingungen für das kommende Schuljahr fest. Weitere Reanimationspuppen können angeschafft werden. Die Fortbildungen werden von den Kooperationspartnern in Abstimmung mit der regionalen Fortbildung in allen Regionen Berlin fortgeführt. Als Referenten fungieren Ärzte der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin. Das Projekt wird in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie von einer Lehrkraft mit zwei Abordnungsstunden koordiniert. 7. Welche pädagogisch-didaktische Konzeption wird sich nach ihrer Einschätzung empfehlen, um Maßnahmen im Sinne der Fragen 3 und 5 im Schulunterricht umzusetzen und ihren Erfolg bei den Schülerinnen und Schülern für den Ernstfall längerfristig zu sichern? - - 4 Zu 7.: Zur längerfristigen Sicherung ist die Implementierung einer Unterrichtseinheit zur Reanimation in den Unterricht der 7. und 8. Jahrgangsstufe im Fach Biologie zu empfehlen . Mit der Einführung des neuen Rahmenlehrplans 2017/2018 in Berlin sollte diese fachspezifische Festlegung in den Biologie-Fachbereichen erfolgen. 8. Hält der Senat es für erforderlich, bei Planung und Durchführung mit externen Institutionen (Ärzteverbände , Rettungsorganisationen) zusammenzuarbeiten? Zu 8.: Ja. Die Einführung des Reanimationsunterrichts in den Schulunterricht der Jahrgangsstufen 7 und 8 wird in enger Abstimmung mit Kooperationsvereinbarung zwischen der Charité-Universitätsmedizin Berlin und Vivantes-Netzwerk durchgeführt. 9. Welche unmittelbaren und mittelbaren Effekte erwartet der Senat, wenn die hier erörterten Maßnahmen flächendeckend eingeführt sind? Zu 9.: Langfristiges Ziel ist die Erhöhung der Ersthelferrate in Berlin. Sie liegt hier, wie auch deutschlandweit, bei rund 30 Prozent. In Ländern, in denen der Reanimationsunterricht verpflichtend ist, wie beispielsweise in Schweden, liegt sie bei 70 Prozent. Es ist nachgewiesen , dass damit auch die Sterblichkeit bei Notfällen zurückgeht. Das Projekt wird bezüglich seiner Wirksamkeit wissenschaftlich evaluiert. 10. Sind dem Senat nationale oder internationale Untersuchungen bekannt, in denen schulische und/oder außerschulische systematische Laienunterrichtung für Erste-Hilfe-Maßnahmen, insbesondere solche lebensrettender Art, dargestellt werden, ggf. mit welchen Effekten in der Rettungskette und bezüglich der Reduzierung von Todesfällen? Zu 10.: Ja, es sind sowohl internationale als auch nationale Studien bekannt, die diese Zusammenhänge signifikant aufzeigen. Sie sind beispielsweise auch der Ausgangspunkt für den KMK-Beschluss. Berlin, den 15. September 2017 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-12211 S18-12211