Drucksache 18 / 12 223 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Fuchs (LINKE) vom 05. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2017) zum Thema: Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus – gute (Ver)besserung? und Antwort vom 22. September (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Stefanie Fuchs (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12223 vom 05. September 2017 über Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus – gute (Ver)besserung? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welchen Bezirken wurden seit dem 01.01.2016 Assistenzleistungen im Krankenhaus in welcher Höhe in Rechnung gestellt? 2. Welche Bezirke haben die Rechnungen anerkannt und bezahlt? Welche nicht? Zu 1 und 2.: Eine anlässlich dieser Anfrage erfolgte Abfrage bei den Sozialämtern der Bezirke zu 1. und 2. ergab folgendes Ergebnis: - Im Bezirksamt Spandau von Berlin ging ein Antrag auf Übernahme von Assistenzleistungen im Krankenhaus ein, der unter Hinweis auf den geschlossenen Pflegevertrag abgelehnt wurde. - Im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin wurden in einem Fall Assistenzleistungen im Krankenhaus in Rechnung gestellt, die aber nicht anerkannt und daher auch nicht beglichen wurde. - Im Bezirkamt Treptow-Köpenick von Berlin wurde in keinem Leistungsfall Assistenzpflegen während eines Krankenhausaufenthaltes von einem Pflegedienst abgerechnet . - Im Bezirksamt Neukölln von Berlin erfolgt keine statistische Erfassung der angefragten Sachverhalte. Eine händische Durchsicht und Auswertung aller Leistungsakten war nicht möglich. Das Bezirksamt teilte aber im Rahmen der Anfrage mit, dass sofern die Erbringung von Assistenzleistungen im Krankenhaus zwischen Leistungsberechtigten und Pflegedienst vertraglich vereinbart worden sind, im Bezirk Neukölln die Kosten hierfür entsprechend der abgeschlossenen Einzelvereinbarung übernommen werden. - Im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin sowie im Bezirksamt Charlottenburg- Wilmersdorf von Berlin erfolgt keine statistische Erfassung diesbezüglich. - 2 - 2 - Im Bezirksamt Pankow von Berlin konnte ein Fall ermittelt werden, bei dem in 11/2016 insgesamt 24,5 Stunden Assistenz im Krankenhaus im Wert von insgesamt 682,06 € übernommen wurden. - Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin wurden entsprechend den Einzelvereinbarungen (LK 32 mit ambulanten Diensten zu Dienst am anderen Ort) seit dem 1. Januar 2016 für vier Personen fünf Rechnungen mit einer Gesamtsumme von 9.792 € in Rechnung gestellt. Die Rechnungen wurden nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit in voller Höhe beglichen. - Im Bezirksamt Reinickendorf von Berlin wurden diesbezüglich zwei Rechnungen in Höhe von insgesamt 4.580,03 € in Rechnung gestellt. Die Rechnungen wurden anerkannt und bezahlt. - Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin hat in einem Fall Assistenzleistung während Krankenhausaufenthalt in der Zeit 29.08.-21.09.2016 mit einem Kostenvolumen von 6.131,54 € abgelehnt. - Im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin wird eine Statistik über im Krankenhaus begleitende Hilfen nicht geführt. Nach Mitteilung des Bezirksamtes wurden nur in wenigen Einzelfällen, deren Anzahl seit Januar 2016 aber unter zehn liegt, Anträge auf Begleitung bei Krankenhausaufenthalt gestellt. Eingehende Rechnungen werden in angemessenen Umfang anerkannt und ausgeglichen, wenn die antragstellende Person dem Personenkreis der Antragsberechtigten angehört. - Im Bezirksamt Mitte von Berlin wurden seit dem 1. Januar 2016 von Pflegediensten Assistenzleistungen im Krankenhaus in Rechnung gestellt. Eine Bezifferung der Höhe ist aufgrund fehlender Ressourcen nicht möglich, da diese nur händisch möglich wäre. Das Bezirksamt hat bisher gemäß § 63b Abs. 3 SGB XII keine dieser Rechnungen anerkannt, es sei denn, es handelte sich um ein Arbeitgebermodell nach § 63b Abs. 4 SGB XII. 3. Erkennt der Senat an, dass für diesen Personenkreis eine Weitergewährung der Assistenz im Falle eines Krankenhausaufenthaltes unabdingbare Voraussetzung ist, um sowohl den Zugang zu Gesundheitsleistungen als auch eine Versorgung von gleicher Qualität entsprechend der UNBRK zu gewährleisten? 4. Ist eine Fortführung der Berliner Regelung zur Finanzierung der Assistenz bei allen Menschen mit einem festgestellten Assistenzbedarf von mindestens 16 Stunden geplant? 5. Wenn nein, wie lautet die Begründung? 6. Erkennt der Senat von Berlin an, dass Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus einen Mehrbedarf an Assistenz haben können, den sie sonst im Alltag nicht haben? 7. Ist geplant, die Berliner Regelung auch auf andere auf Assistenz angewiesene Personen auszuweiten, um einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen? Zu 3 bis 7.: Aktuell finden Vergütungsverhandlungen mit drei Pflegediensten statt, die Einzelvereinbarungen zur Erbringung des Leistungskomplexes 32 (LK 32) – Persönliche Assistenz – geschlossen haben. Die Verhandlungen finden vor dem Hintergrund der Regelungen in den Pflegestärkungsgesetzen II und III erstmals dreiseitig, d.h. mit Beteiligung und unter Federführung der Pflegekassen statt. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. - 3 - 3 Der krankenversicherungsrechtliche Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst alle Leistungen eines stationären Aufenthalts (ärztliche Leistungen und Krankenpflege), die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten notwendig sind. Als einzige Ausnahme hiervon hat der Gesetzgeber 2009 mit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus für den Personenkreis der Menschen, die ihre Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells sicherstellen, davon abweichende Regelungen , die über die Gesetzliche Krankenversicherung hinaus andere Kostenträger (SGB XI, Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII) in die Pflicht nehmen, getroffen. Für andere Fälle zeitlich umfangreicher Pflegen, in denen Betroffene ihren Assistenzbedarf über Pflegedienste organisieren, hat der Gesetzgeber bisher keine Regelungen getroffen . Dies gilt auch für weitere Personengruppen, die ebenfalls einen spezifischen Unterstützungsbedarf haben könnten, wie z.B. für Menschen mit Demenz oder Menschen mit geistiger Behinderung. Von Betroffenenseite und Teilen der Fachöffentlichkeit wurde seitdem wiederholt auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf hingewiesen. Der Gesetzgeber hat dies bisher nicht aufgegriffen. Mit den zuletzt erfolgten grundlegenden leistungsrechtlichen Weiterentwicklungen (Pflegestärkungsgesetze, BTHG) erfolgten keine Vorgaben über den Personenkreis der Menschen hinaus, die ihre Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells sicherstellen. 8. Wie werden die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen während eines Krankenhausaufenthalts in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten und in der Ausbildung von Pflegenden berücksichtigt? Sind in diese Ausbildung auch Menschen mit Behinderungen eingebunden? Zu 8.: Sowohl in der ärztlichen Ausbildung als auch in der Ausbildung in einem Pflegeberuf wird vermittelt, dass bei der Behandlung und der Pflege einer Patientin oder eines Patienten Bezug auf deren persönliche Ressourcen genommen werden muss. Wie körperliche und/oder geistige Behinderungen mit den verschiedensten Ausprägungen und sich daraus ergebende Einschränkungen oder Unterstützungsbedarfe im Einzelfall bei der Arbeit zu berücksichtigen sind, ist berufsbezogener Bestandteil der Ausbildungen. Im Krankenhaus werden Patientinnen und Patienten mit Behinderungen in die ärztliche und pflegerische Ausbildung einbezogen. Gemäß der aktuellen Fassung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) erstreckt sich die Ausbildung auf die in der KrPflAPrV beigefügten Anlage 1 aufgeführten Inhalte im theoretischen und praktischen Unterricht. Danach sind die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel zu befähigen unter Berücksichtigung der Entstehungsursachen u.a. aus Behinderung den daraus resultierenden Pflegebedarf, den Bedarf an Gesundheitsvorsorge und Beratung festzustellen, den Pflegebedarf unter Berücksichtigung sachlicher, personenbezogener und situativer Erfordernisse zu ermitteln und zu begründen und ihr Pflegehandeln nach dem Pflegeprozess zu gestalten. Weitere Beispiele sind der oben bereits benannten Anlage 1 zu entnehmen. Beispielsweise werden in den Krankenpflegeschulen die verschiedenen Arten von Behinderungen – geistig, seelisch, körperlich; ICF, Inklusion, Schwerbehindertengesetz (SGB IX); eigenes Budget, Mitwirkungspflichten, Rechtsschutz als eigenständiges Modul umfassend vermittelt. - 4 - 4 Des Weiteren können auch Personen mit Behinderungen die Ausbildung zur Gesundheitsund Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger absolvieren bzw. absolvieren sie bereits. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Krankenpflegegesetz müssen die Antragsstellerinnen und Antragssteller zur Führung der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger eine gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufs vorweisen. Für die gesundheitliche Eignung sind die objektiven Anforderungen zu Grunde zu legen, die an eine Berufsausübung im Berufsfeld der Gesundheits - und Krankenpflege bzw. der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege insgesamt gestellt werden. Die Versagung der Erlaubnis ist nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um eine chronische Erkrankung oder dauerhafte Einschränkung handelt, bei der die körperliche oder psychische Leistungsfähigkeit so vermindert ist, dass eine Berufsausübung auch in weniger belastenden Tätigkeitsfeldern nicht mehr möglich erscheint. Diese Voraussetzung ist im neuen Pflegeberufegesetz (§ 2 Nr. 3 Pflegeberufegesetz), welches am 01.01.2020 vollständig in Kraft treten wird, übernommen worden. Berlin, den 22. September 2017 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung S18-12223 S18-12223