Drucksache 18 / 12 240 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 07. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. September 2017) zum Thema: Schießstände bei der Berliner Polizei: Aufklärung und Untersuchungen und Antwort vom 21. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12240 vom 7. September 2017 über Schießstände bei der Berliner Polizei: Aufklärung und Untersuchungen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann sind der Behördenleitung der Berliner Polizei möglicherweise gesundheitsgefährdende Aspekte bei den Schießständen bekannt und wann wurden welche konkreten Maßnahmen zur Aufklärung und Abhilfe veranlasst? 2. Auf welchen Sitzungen der Amts- und Direktionsleiterbesprechungen (ADL-B) gab es einen Tagesordnungspunkt betreffend der Schießstände, im Kontext der in Rede stehenden Probleme oder wann wurde ausweislich von Protokollen (z.B. unter einem TOP "Verschiedenes") über diese Thematik gesprochen? Bitte jeweils um Angabe des Datums und um Inhalt/ Ergebnis der jeweiligen Befassung. Zu 1. und 2.: Die aufgeworfenen Fragen betreffen den Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführten Ermittlungsverfahrens bzw. stehen damit im Zusammenhang. Die Ermittlungen und damit die Klärung des Sachverhaltes und der sich daran anschließenden Rechtsfragen dauern noch an. Die öffentliche Mitteilung etwaiger bereits gewonnener Erkenntnisse würde den strafprozessualen Untersuchungszweck gefährden und kommt deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht. 3. Wann informierte die Berliner Polizei den Senat über möglicherweise gesundheitsgefährdende Aspekte bei den Schießständen und wann wurden welche konkreten Maßnahmen zur Aufklärung und Abhilfe seitens des Senats veranlasst? Zu 3.: Zur Information durch die Polizeibehörde über möglicherweise gesundheitsgefährdende Aspekte wird auf die Antwort zu den Fragestellungen 1 und 2 verwiesen. Zu den veranlassten Maßnahmen wird wie folgt Stellung genommen: Unter anderem im Hinblick auf die im Juli 2013 erfolgte Schließung diverser Schießstände ist durch die Polizei Berlin im Rahmen einer Projektgruppe „Strategische Neuausrichtung des Schießtrainings und effizienter Betrieb der behördlichen Schießstätten“ auf Basis einer Bestandsanalyse ein Bedarfskonzept für das Schießtraining erarbeitet worden. Auf dieser Grundlage konnten für den Haushalt 2016/2017 Mittel für die Sanierung von Schießständen angemeldet werden. In 2017 stehen für diesen Zweck 3 Mio. € zur Verfügung. Darüber 2 hinaus wurde über das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds – SIWANA – bereits im Februar 2015 (SIWA I) als erste Maßnahme 13,1 Millionen € für die Sanierung und Erweiterung des Einsatztrainingszentrums Ruhleben bereitgestellt. 2016 und 2017 wurden weitere Mittel für Schießstände allgemein (SIWA II) bzw. die Beschaffung modularer Raumschießanlagen, den Umbau, die Sanierung und den Ausbau der Einsatztrainingszentren (ETZ) Kruppstraße, Gallwitzallee und Ruppiner Chaussee über das Sondervermögen zugewiesen (SIWANA III). Insgesamt stehen aktuell 61,1 Mio. € für den genannten Zweck zur Verfügung. Unabhängig davon war die Interne Revision der Polizei Berlin vom Polizeipräsidenten am 15. Oktober 2015 mit der umfassenden Untersuchung und Aufklärung der Gesamtumstände der Schießstandproblematik beauftragt worden. Hierzu liegt bislang der beigefügte Zwischenbericht vom 25. Februar 2016 vor, der dem Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung mit Schreiben vom 7. April 2016 zur Verfügung gestellt wurde und auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. 4. Wie groß ist der Personenkreis der Betroffenen von problematischen Schießständen, in welchem Umfang und in welcher Form wurden ehemalige und aktuelle Behördenangehörige informiert? Zu 4.: Nach derzeitigem Erkenntnisstand haben sich bei einem Personenkreis von 1.589 Dienstkräften Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Betroffenheit vorliegen könnte. Da derzeit noch nicht absehbar ist, ob und inwieweit darüber hinaus noch weitere Dienstkräfte betroffen sein könnten, ist diese Zahl nicht als abschließend zu betrachten. Die Unterrichtung der betroffenen Dienstkräfte erfolgte in zwei Phasen: In Phase 1 sind 89 Dienstkräfte, bei denen Indizien dafür festgestellt wurden, dass sie infolge von Tätigkeiten auf den Schießstätten Gesundheitsschäden erlitten haben könnten, informiert worden. In der Phase 2 wurden ca. 1.500 Dienstkräfte, die im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit auf den Schießstätten der Polizei Berlin eingesetzt und dabei einer Belastung ausgesetzt waren, die zu einer möglichen gesundheitlichen Schädigung geführt haben könnte, unterrichtet. Neben der Unterrichtung der betroffenen Dienstkräfte sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Berlin per E-Mail am 28. April 2016 über den aktuellen Stand des Verwaltungsverfahrens informiert worden. Im Rahmen einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, der Charité Universitätsmedizin Berlin und der Polizei Berlin am 6. Juli 2016 wurden rund 250 Dienstkräfte der Polizei Berlin in der Charité in Mitte über medizinische Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Inhalation von Schießpulverdampf informiert. Darüber hinaus sind bis zum 21. Juni 2017 insgesamt 13 Mitarbeiterinformationen herausgegeben worden, darunter ein temporärer Blog mit dem Polizeipräsidenten, um zum Thema "Schießstände" zu informieren und Fragen zu beantworten. 5. Wann und welche Informationen und Angebote (z.B. Untersuchungen) haben - jeweils wie viele - ehemalige und aktuelle Behördenangehörige von ihrem Dienstherrn erhalten? Zu 5.: Allen betroffenen Dienstkräften ist eine Vorsorgeuntersuchung angeboten worden. Die aktiven Dienstkräfte der Phase 1 sind am 2. Mai 2016 schriftlich darauf hingewiesen worden, dass sie eine Angebotsvorsorge gem. § 5 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) wahrnehmen und beim Ärztlichen Dienst einen entsprechenden 3 Termin vereinbaren können. Ruhestandsbeamte und ehemalige Tarifbeschäftigte wurden ebenfalls über die o.g. Angebotsvorsorge informiert. In der Phase 2 erhielten ca. 1.500 aktive (mit Datum vom 15. Juni 2016) und ehemals aktive (mit Datum vom 27. Juni 2016) Dienstkräfte ein schriftliches Angebot zu einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung, die kostenfrei und für aktive Dienstkräfte während der Dienstzeit wahrgenommen werden konnte. Für die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung wurde die Wahl der/des Ärztin/Arztes für Arbeitsmedizin freigestellt. Zur Gewährleistung der Kostenfreiheit wurde dem Anschreiben ein personalisierter Kostenübernahmeschein beigefügt. Nachfolgende Vorsorgeuntersuchungen sind allen Betroffenen angeboten worden: G 1.1 „Mineralischer Staub, Teil 1: Quarzhaltiger Staub” G 1.2 „Asbestfaserhaltiger Staub“ G 1.4 „Staubbelastung“ G 2 „Blei oder seine Verbindungen (mit Ausnahme der Bleialkyle)“ G 20 „Lärm“ G 23 „Obstruktive Atemwegserkrankungen“ G 24 „Hauterkrankungen“ (im Ausnahmefall) G 46 „Belastungen des Muskel- und Skelettsystems, einschließlich Vibrationen“ (im Ausnahmefall) Darüber hinaus sind Blutuntersuchungen auf Antimon angeboten worden. 6. In welcher Form werden ehemalige und warum werden aktuell nur aktive Polizeiangehörige für die Studie der Charité einbezogen, bei der es darum geht, den ursächlichen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Schädigungen und der Exposition von Beamtinnen und Beamten gegenüber Schießpulverdämpfen im Rahmen des Schießtrainings in Schießständen der Berliner Polizei aufzuklären? 7. Wie möchte und kann man konkret den Zusammenhang zwischen Schießstandnutzungen und Erkrankungen feststellen? Inwieweit ist in diesem Zusammenhang der jeweilige Wirkungsgrad von in Rede stehenden Vergiftungen durch die aktuelle Methodik überhaupt feststellbar und sind Untersuchungen - via freiwilligen Probanden - mittels Knochenmarkpunktionen oder Chelat-Therapie vorstellbar? Zu 6. und 7.: Im Jahr 2016 wandten sich insgesamt 148 aktive und ehemalige Beamtinnen und Beamte der Berliner Polizei wegen gesundheitlicher Beschwerden, die die Patientinnen und Patienten auf ihre Exposition gegenüber Schießpulverdämpfen in Schießanlagen der Berliner Polizei zurückführten, an Herrn Prof. Witt, Pneumologe an der Charité. Bei keiner bzw. keinem der Patientinnen und Patienten fanden sich klinische oder laborchemische Hinweise auf eine manifeste Schwermetallvergiftung. In der Gesamtschau der erhobenen Befunde fielen einerseits Atembeschwerden sowie geringe Minderungen der Lungenfunktion und andererseits möglicherweise leicht erhöhte Konzentrationen der Spurenelemente Antimon und gelegentlich von Mangan im Blut auf, deren Ursache unklar blieb. Ein kausaler Zusammenhang mit der Schießpulverdampf-Exposition ließ sich aus diesen Befunden nicht ableiten, da die Untersuchungen an Patientinnen und Patienten durchgeführt wurden und somit eine Kontrollgruppe für den notwendigen Vergleich mit Personen ohne Schießpulverdampf-Exposition fehlte. Aus diesem Grund wird im Rahmen der wissenschaftlichen Studie an der Charité nunmehr untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der beruflich bedingten Schießpulverdampf-Exposition (Schießstandnutzung) und a) der Häufigkeit von Atemwegsbeschwerden/Lungenfunktionsminderungen und b) der Konzentration von Schwermetallen (Blei, Mangan, Antimon) als potenziellen Schadstoff im Blut exponierter Personen gibt. Dazu werden in der Studie drei Personengruppen miteinander verglichen: 4 1. häufig schießende Personen, 2. selten schießende Personen und 3. nie schießende Personen. Die im Rahmen der Studie erhobenen Ergebnisse werden sodann mit den Erkenntnissen aus den Untersuchungen der erkrankten und bei der Charité vorstellig gewordenen, aktiven und bereits pensionierten Dienstkräfte verglichen. Die Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs ist ein erster Schritt zur Überprüfung einer Kausalität der Schießpulverdampf-Exposition für die aufgetretenen Erkrankungen. Den Nachweis eines solchen kausalen Zusammenhangs kann die laufende Studie allein jedoch nicht führen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass es bislang keine anerkannte Berufskrankheit als Folge einer Schießpulverdampf-Exposition gibt und die überwiegende Mehrheit chronischer Krankheiten multifaktoriell ist. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sind Untersuchungen mittels der Chelat- Therapie (Chelat-Provokationstest) nicht für die Diagnostik einer Metallbelastung geeignet. Die Durchführung von Knochenbiopsien und Knochenmarkpunktionen sind für die Patientin und den Patienten belastend und mit dem Risiko unter anderem von Blutungen und Infektionen verbunden. Die Befunde sind hinsichtlich des Krankheitswertes nicht validiert. Der Einsatz dieser Untersuchungsverfahren setzt daher eine klar begründete Indikation voraus. Von einem Einsatz dieser Verfahren zur Untersuchung einer möglichen Anreicherung von Schwermetallen im Knochen nach Schießpulverdampf-Exposition wird daher von medizinischer Seite abgeraten. 8. Haben sich der Senat, die Polizei oder Charité in anderen Bundesländern erkundigt, welche Erfahrungen dort vorliegen und welche Untersuchungen angestellt wurden? Wenn nein, wie bewertet der Senat diesen Umstand mit Blick auf das legitime Aufklärungsinteresse der Betroffenen? Zu 8.: Von Seiten der an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité wurden Gespräche mit Dienststellen der Polizei anderer Bundesländer zu Untersuchungen zur Schießpulverdampf-Exposition geführt. Darüber hinaus wurde in der internationalen Fachliteratur der aktuelle Wissensstand zu gesundheitlichen Aspekten der Schießpulverdampf-Exposition recherchiert. Danach wurden weltweit nur Bleivergiftungen und Hörschäden als chronische Gesundheitsschäden bei Schützen beschrieben. Berichte zu Vergiftungen mit anderen Metallen oder anderen chronischen Krankheiten fanden sich hingegen nicht. In die Planung der wissenschaftlichen Studie wurden ausgewiesene externe Experten (Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin WHO Collaborating Centre for Occupational Health, Klinikum der Universität München) mit einbezogen. 9. Wann und durch wen fanden seit 2001 Betriebsbegehungen und Arbeitsplatzbesichtigungen in den Berliner Schießständen statt und in welchem Abstand haben diese auf welcher rechtlichen Grundlage stattzufinden? Bitte unter Angabe der Örtlichkeit und des Datums der durchgeführten Begehungen und Besichtigungen. Zu 9.: Für Betriebsbegehungen und Arbeitsplatzbesichtigungen ist die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) zuständig. Die BIM wird von der Landeskoordination Schießstätten der Polizei Berlin auf Missstände und Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Intervalle zur Prüfung und Überwachung hingewiesen. Eine Speicherung der Begehungsdaten erfolgt bei der Polizei Berlin nicht. Nach aktuellem Stand sind folgende Normen Grundlage für die Begehungen: § 4 der Verordnung über Arbeitsstätten – ArbStättV – (Besondere Anforderungen an 5 das Betreiben von Arbeitsstätten), §§ 2 und 3 Betriebsverordnung - BetrVO Berlin – (Technische Anlagen und Einrichtungen, Raumlufttechnische Anlagen), Technische Regeln für Arbeitsstätten – ASR – (1.7 Türen und Tore, 6 Raumlufttechnische Anlagen), DIN EN 50172 (Sicherheitsbeleuchtungsanlagen), DIN 14406 (Prüfung von Feuerlöschern), Regelungen Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV – (Elektrische Anlagen und Betriebsmittel, Winden, Hub- und Zuggeräte, Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz), Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (§ 14 BetrSichV): § 16 Wiederkehrende Prüfung. Folgende Überprüfungsintervalle sind vorgesehen: 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre Klimaanlage Sicherheitsbeleuchtung Signalanlagen Elektr. Anlagen Winden, Hub- und Zuggeräte Brandschutzklappen Brandmeldeanlagen Feuerlöscher Lastenaufzug Fahrstuhl Lüftungsanlage Rauch- und Wärmeabzugsanlage Brandmelde- und Alarmierungsanlage Sicherheitsstromversorgung Sicherheitsbeleuchtung Elektrische Anlage Quelle: Polizei Berlin 10. Welche wesentlichen Maßnahmen wurden laut vorliegender Berichte zu 9., z.B. vom AMD TÜV Rheinland, gefordert und in welchem Umfang wurden diese ergriffen? Zu 10.: Wie in der Beantwortung zu Frage 9 dargestellt, obliegt der BIM die Überprüfung der Schießstände. Maßnahmen werden von dort beauftragt. Darüber hinaus hat die Polizei Berlin unabhängige Institute mit unterschiedlichen Untersuchungen der Schießstätten beauftragt: Datum Ort der Schießstätte Auftrag 28.05.2013 Alemannenstraße Beurteilung Lärm 19.08.2013 Ruhleben 18-1 Untersuchung Baustoff 19.11.2013 Ruhleben 18-1 Bewertung Schadstoffmessung 15.04.2014 Bernauer Straße Halle 5 Sanierungsempfehlung 07.07.2015 Wannsee Bewertung Schadstoffe 15.09.2015 Wannsee Beurteilung der Gefährdung Juli – Dez. 2016 Bernauer Straße Ruhleben 18-3 Ruhleben Haus 4 Kruppstraße Bewertung Schadstoffe 6 11. Inwiefern stellt die aktuelle "Ablehnung der Durchführung von Untersuchungen unter den alten Bedingungen aus ethischen Gründen" ein Beleg des kausalen Zusammenhangs zwischen Schießstandnutzungen und gesundheitlichen Schäden dar und wie bewertet der Senat diesen Umstand? Zu 11.: Fast alle betroffenen Beamtinnen und Beamten berichteten über akute Reizungen der oberen und unteren Atemwege nach längerem Training in schlecht belüfteten Schießständen. Diese Symptome während und nach dem Schießen sind glaubwürdig und dokumentiert. Sie belegen aber keinen chronischen gesundheitlichen Schaden. Eine Häufung chronischer Atemwegskrankheiten als gesundheitlicher Schaden in Folge wiederkehrender Schießpulverdampf-Exposition kann nur im Vergleich zu nicht exponierten Personen nachgewiesen werden. Eine erneute Untersuchung unter den „alten Bedingungen“ brächte keinen Erkenntnisgewinn, würde aber die oben beschriebenen akuten gesundheitlichen Beschwerden induzieren. Es ist aus ärztlicher Sicht daher nicht vertretbar, Personen einer potenziell gesundheitsschädigenden Belastung ohne wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auszusetzen. Aus diesen ethnischen Gründen wurde dieser Studienansatz verworfen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass einmalige Messungen einer akuten Belastung unter den früheren Bedingungen im Hinblick auf die chronischen Folgen der Exposition nicht aussagekräftig sind. 12. Wie lautete der konkrete Auftrag des Senats an die Charité zur Untersuchung, wann und mit welchen jeweiligen Begründungen wurde der Auftrag verändert? Bitte jeweils unter Angabe des Datums. Zu 12.: Die Charité wurde im November 2016 mit der Durchführung einer Studie zur Feststellung der gesundheitlichen Auswirkungen einer langjährigen Schießpulverdampfinhalation im Rahmen des Schießtrainings beauftragt. 13. In welcher Höhe wurden Finanzmittel für die Untersuchung veranschlagt, bisher verausgabt und werden voraussichtlich noch notwendig sein? Zu 13.: Der Auftragswert der Charité-Studie beträgt 245.083,- €. In zwei Raten wurden bislang insgesamt 220.574,50 € an die Charité überwiesen. 14. Welche Stoffe a) wurden und b) werden in welchem Umfang bei der Schussabgabe in Schießständen freigesetzt und können hierbei vom Körper aufgenommen werden und wie hoch sind dem gegenüber die zulässigen Grenzwerte? Welche Krankheitsbilder betrachtet die Charité in diesem Zusammenhang durch die aktuellen Untersuchungen? Zu 14.: Nach dem Stand der internationalen Fachliteratur zählen Antimon, Blei, Mangan, Kupfer, Quecksilber und Chrom zu den potenziell freigesetzten Stoffen, die in den Körper aufgenommen werden können. Auf Grund der Ergebnisse der Untersuchungen aus dem Jahr 2016 bei 148 überwiegend stark einer Schießpulverdampf-Exposition ausgesetzten Personen werden in der laufenden Studie die Blut- und Urinwerte nach Antimon, Mangan und Blei analysiert und insbesondere Atemwegsbeschwerden und Änderungen der Lungenfunktion genau untersucht. 15. Inwieweit ist es möglich, unter Schutzbedingungen, an den alten Schießständen mit der damaligen Munition Untersuchungen vorzunehmen? 7 Zu 15.: An den Schießständen werden bis zur Freigabe durch die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft keine baulichen Veränderungen durchgeführt. Ob und in welchem Umfang überhaupt noch Munition aus den vergangenen Jahren vorhanden ist, befindet sich aktuell in der Prüfung. Grundsätzlich muss aber davon ausgegangen werden, dass die älteren Munitionsbestände bereits aufgebraucht wurden. 16. Welche - etwa baulichen - Veränderungen wurden an jenen Standorten vorgenommen, an denen und bevor die Staatsanwaltschaft Beweismittel erhoben hat? 17. An welchen Standorten und ggf. vor welchen Hintergründen wurden vor der Beweissicherung durch die Staatsanwaltschaft Wandverkleidungen abgenommen oder erneuert oder gereinigt oder Wände verfugt o.Ä.? Zu 16. bis 17.: Hierzu wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/11785 über „Sicherung von Beweismitteln an Berliner Schießständen“ verwiesen.“ 18. Für die Studie sollen drei Personengruppen verglichen werden: häufig, selten und nie schießende Personen - wie werden diese Personengruppen jeweils hinsichtlich der Schussanzahl definiert, hierbei z.B. auch sehr häufige Schießstandnutzungen für Beamtinnen und Beamte von Spezialeinheiten oder Schießtrainer differenziert betrachtet? Zu 18.: Die Exposition der Untersuchungsgruppen wurde wie folgt definiert: stark exponiert (häufiges Schießen): Personen im aktiven Schießtraining, die mindestens dreimal pro Woche und mindestens 40 Wochen im Jahr ein Schießtraining absolvieren. Die letzte Exposition sollte nicht länger als eine Woche zurückliegen, wenig exponiert (seltenes Schießen): Personen mit seltenem Schießtraining, die maximal einmal pro Jahr trainieren und deren Training mindestens vier Wochen zurückliegt, nicht exponiert: Personen, die nie schießen. 19. Wann und mit welchen Ergebnissen wurden Boden(platten)proben in den Schießständen genommen? 20. Inwiefern wurden bei gemachten Untersuchungen der Abstand zwischen Lüftung und Zielscheibe, Gerätestandorte und Bleiaufkommen berücksichtigt? Zu 19. und 20.: Etwaige Inhalte und Ergebnisse von zur Beweissicherung vorgenommenen Untersuchungen sind Bestandteile des staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsverfahrens. Insoweit wird auf die Beantwortung der Fragestellungen zu 1. und 2. verwiesen. 21. Wie ist der Sachstand der gegenwärtigen Untersuchungen (Studie, Staatsanwaltschaft und innerbehördlich) und wann sollen diese abgeschlossen sein? Zu 21.: Die Charité-Studie, die im März dieses Jahres angelaufen ist, befindet sich aktuell in der Rekrutierungsphase. Parallel dazu erfolgen die Untersuchungen der bereits registrierten Studienteilnehmende. Erste Ergebnisse sind nach Ablauf eines Jahres zu erwarten. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern noch an. 22. Führt die Charité-Studie mangels Probanden oder aus anderen Gründen nicht zur Nachweisbarkeit des Zusammenhangs von Erkrankungen und dem Schießtraining, welche Möglichkeiten sieht der Senat, 8 anderweitig zu entsprechenden Feststellungen zu kommen und wie wird den betroffenen Polizeiangehörigen in diesem Zusammenhang im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Unterstützung angeboten? Zu 22.: Sollte sich herausstellen, dass die derzeitigen Teilnahmekriterien zu eng sind, sähe das Studiendesign – wie bei solchen Studien üblich – eine Anpassung der Teilnahmekriterien vor, dies wäre durch die Charité zu prüfen. Über den weiteren Fortgang der Angelegenheit wird erst nach dem Ablauf der Studie zu entscheiden sein. In Ausgestaltung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird derzeit geprüft, in welcher Form und Höhe durch mängelbehaftete Schießstände mutmaßlich geschädigte Polizeivollzugskräfte durch finanzielle Zuwendungen unterstützt werden können. 23. Ist dem Senat bekannt, dass sich der Charité Polizeiangehörige zu Untersuchungen angeboten oder Ärzte mit Krankheitsbildern ihrer Patienten, mit der Bitte um Prüfung von Zusammenhängen, erfolglos (ohne Rückmeldung) an die Charité gewandt haben sollen und wie wird dieser mir dargestellte Umstand bewertet oder kann dem künftig abgeholfen werden? Zu 23.: Mit Ausnahme der Polizeidienstkräfte, die wegen der für wissenschaftliche Studien vorgegebenen Randomisierung der Teilnehmer (computergesteuertes Zufallsverfahren) nicht für die Studie berücksichtigt werden konnten (jeder dritte Bewerber), sind - auch der Charité - keine weiteren Fälle bekannt, in denen sich Polizeiangehörige erfolglos an die Charité gewandt haben sollen. Dienstkräften, die aus gesundheitlichen Gründen (z.B. wegen medikamentös behandelter Leber-, Nieren- oder Lungenerkrankungen) von der Teilnahme an der Studie ausgeschlossen werden mussten, wurde seitens der Charité angeboten, ihre Werte ebenfalls erfassen und mit den Studienergebnissen vergleichen zu lassen. 24. An welche unabhängige Stelle können sich Betroffene zwecks Informationen und zur Beratung wenden? Zu 24.: Als unabhängige, mit der Thematik vertraute Stelle kann neben dem Arbeitsbereich ambulante Pneumologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin auch das Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin WHO Collaborating Centre for Occupational Health im Klinikum der Universität München fungieren. 25. Gilt bei der Berliner Polizei für alle Angehörigen sämtlicher Laufbahnen dieser Behörde gleichermaßen der Grundsatz, dass während staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen oder laufender Disziplinarverfahren keine Beförderungen möglich sind? Zu 25.: Nein, erforderlich ist jeweils eine Prüfung im Einzelfall. Berlin, den 21. September 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12240 S18-12240