Drucksache 18 / 12 248 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 11. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. September 2017) zum Thema: Entwicklung der Prostitution in Berlin und Antwort vom 22. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Sep. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe . . . Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 248 vom 11. September 2017 über Entwicklung der Prostitution in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Gewerbeanmeldungen für bordellartige Einrichtungen lagen in den Jahren 2006 bis 2016 in Berlin, geordnet nach Bezirken, vor? Zu 1.: Eine Erhebung der Anzahl der in Berlin in den erfragten Jahren gewerberechtlich angemeldeten Prostitutionsbetriebe ist nicht möglich, da diese Betriebsart bisher nicht in der Wirtschaftszweigsystematik des Statistischen Bundesamtes enthalten ist. Das bedeutet, dass für die Gewerbeanzeige bordellartiger Einrichtungen nicht die Angabe einer bestimmten Bezeichnung für diese Art der gewerblichen Betätigung (z. B. "Bordellbetrieb " oder "Prostitutionsstätte") vorgesehen ist. Die Anzeigenden wählten somit selbst eine Bezeichnung für die Art des ausgeübten Gewerbes, so dass eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe verwendet wurde, die eine aussagekräftige statistische Auswertung nicht ermöglichen. Durch die mit dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) zum 01.07.2017 eingeführte Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe und die nunmehr geregelten Betriebsarten (Prostitutionsstätte, Prostitutionsveranstaltung , Prostitutionsfahrzeug und Prostitutionsvermittlung) wird die Erkenntnislage ab 2018 eindeutiger sein. 2. Wie viele selbstständige sexuelle Dienstleisterinnen und Dienstleister waren in den Jahren 2011 bis 2016 bei in Berlin behördlich erfasst? 3. Wie viele nichtselbstständige sexuelle Dienstleisterinnen und Dienstleister waren in den Jahren 2011 bis 2016 bei in Berlin behördlich erfasst? Zu 2. und 3.: Eine systematische „Erfassung“ aller selbständigen und nichtselbständigen sexuellen Dienstleisterinnen und Dienstleistern ist in Berlin in den genannten Jahren nicht erfolgt . Hierzu hat weder eine rechtliche Möglichkeit noch eine Verpflichtung bestanden . - 2 - Insbesondere fand keine Gewerbeanmeldung von selbständigen sexuellen Dienstleisterinnen bei den Gewerbeämtern statt; sie wird auch künftig nicht stattfinden. Die Gewerbeämter nehmen ausschließlich Gewerbeanzeigen für die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten im Sinne der Gewerbeordnung (GewO) entgegen. Bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen handelt es sich – anders als bei dem Betreiben etwa von Prostitutionsstätten - nicht um gewerbliche Tätigkeiten im Sinne der Gewerbeordnung . Eine Gewerbeanmeldung für die Erbringung sexueller Dienstleistungen selbst ist daher nicht vorgesehen. Diese bereits in den abgefragten Jahren bestehende Rechtslage wurde mit dem Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen in § 6 Absatz 1 Satz 1 GewO auch für die Zukunft klargestellt. Die Gewerbeanmeldung findet demnach auch künftig keine Anwendung auf die Tätigkeit der Prostituierten selbst. Die Berliner Steuerverwaltung erfasst Unternehmerinnen und Unternehmer mit der von ihnen beim Finanzamt angemeldeten Tätigkeit. Dieser Tätigkeit wird eine sogenannte Gewerbekennzahl aus dem vom Bundesfinanzministerium herausgegebenen „Verzeichnis der Wirtschaftszweige/GKZ“ zugeordnet. Auch selbständige Prostituierte werden auf diese Art und Weise steuerlich erfasst. Die Anzahl der in den Jahren 2011 bis 2016 unter der für diese Tätigkeit vorgesehenen Gewerbekennzahl erfassten Unternehmerinnen und Unternehmer ist in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt: Jahr Anzahl der unter der vorgesehen Gewerbekennzahl erfassten Prostituierten 2011 770 2012 855 2013 849 2014 812 2015 724 2016 655 Parallel dazu hat die Berliner Steuerverwaltung Anfang 2007 das sog. Düsseldorfer Verfahren eingeführt. Das Düsseldorfer Verfahren kann von den Prostituierten auf freiwilliger Basis genutzt werden und dient der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Es sieht die Erhebung einer pauschalen Zahlung ähnlich einer Vorauszahlung vor. Die Anzahl der Prostituierten, die pro Jahr durchschnittlich am Verfahren teilgenommen haben, ist in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt: Jahr Durchschnittliche Anzahl der am Düsseldorfer Verfahren teilnehmenden Prostituierten 2011 189 2012 221 2013 252 2014 277 2015 315 2016 363 - 3 - 4. Nach welchen konkreten Vorschriften nehmen Senat und nachgelagerte Behörden und Einrichtungen die Differenzierung zwischen selbstständiger und nichtselbständiger Tätigkeit im Bereich der sexuellen Dienstleistungen vor? Zu 4.: Für die Frage, ob sexuelle Dienstleisterinnen und Dienstleister steuerrechtlich selbständig oder nichtselbständig tätig sind, kommt es nicht allein auf die vertragliche Bezeichnung, die Art der Tätigkeit oder die Form der Entlohnung an. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Gemäß § 19 Einkommensteuergesetz in Verbindung mit § 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) ist Arbeitnehmer, wer im öffentlichen oder privaten Dienst dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, Arbeitslohn bezieht, in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit zu folgen verpflichtet ist. Die für oder gegen die nichtselbständige Arbeit sprechenden Merkmale sind ihrer Bedeutung entsprechend gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung kann nur einzelfallbezogen erfolgen. Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist dabei unbeachtlich (Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.12.1998, BStBl 1999 II S. 534). Aus arbeitsrechtlicher Sicht erfolgt die Differenzierung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit im Bereich sexueller Dienstleistungen nach der mit Wirkung der zum 1. April 2017 neu eingeführten Bestimmung des § 611a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach wird ein Arbeitsverhältnis in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit unter Einbeziehung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wie folgt definiert: „Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet . Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung , ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen . Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“ Maßgebliche Anknüpfungspunkte für die Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit sind somit die Weisungsgebundenheit und die persönliche Abhängigkeit, die das Arbeitsverhältnis auszeichnen. Die Rechtsprechung hat dabei auch dem Grad der Eingliederung in die betrieblichen Arbeitsabläufe eine Indizwirkung zuerkannt. Entscheidend für die Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände . Es ist höchstrichterlich anerkannt, dass diese Kriterien im Allgemeinen auch für die Unterscheidung zwischen selbstständiger und nichtselbständiger Tätigkeit im Bereich sexueller Dienstleistungen gelten können, sofern sie bei dieser Art der Arbeit von Bedeutung sind (vgl. nur Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18. Februar 2005 – VI B 86/04). Dabei ist auch von Relevanz, dass zwar nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I - 4 - S. 3983) (Prostitutionsgesetz – ProstG) Weisungen, die das Ob, die Art oder das Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen vorschreiben, unzulässig sind, dass nach § 3 Abs. 2 ProstG jedoch dieses eingeschränkte Weisungsrecht im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit von Prostituierten einer Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht entgegen steht. Berlin, den 22.09.2017 In Vertretung Christian R i c k e r t s ...................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe S18-12248 S18-12248