Drucksache 18 / 12 321 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Statzkowski (CDU) vom 19. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. September 2017) zum Thema: Öffentliche Toiletten und kein Ende und Antwort vom 29. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Okt. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Andreas Statzkowski (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 12 321 vom 19. September 2017 über Öffentliche Toiletten und kein Ende Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf welcher rechtlichen Grundlage besteht die negative Einschätzung zum Kopplungsgeschäft mit der Wall AG bezüglich öffentlicher Toiletten bzw. inwieweit hat der Berliner Senat ein Rechtsgutachten zu der Frage erstellt, ggf. mit welchem Inhalt bzw. warum nicht? Antwort zu 1: Aufgrund eines von der Firma Wall an den Regierenden Bürgermeister übersandten Gutachtens von Prof. Dr. M. „Zur Vereinbarkeit des Geschäftsmodells Außenwerbung mit dem verwaltungsrechtlichen Koppelungsverbot“ hat der Senat eine rechtliche Stellungnahme der Kanzlei Redeker Sellner Dahs eingeholt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass für einen Vertrag, mit dem ein Unternehmen verpflichtet werden soll, Toilettenanlagen zu errichten und zu betreiben, die Anforderungen des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff. GWB) gelten, die auch nicht durch eine Verknüpfung mit dem Betrieb von Werbeanlagen unterlaufen werden können. Danach sind unterschiedliche Ausschreibungsgegenstände getrennt auszuschreiben, wenn nicht technische oder wirtschaftliche Gründe eine Kopplung zwingend erfordern. Eine Zusammenfassung darf insbesondere nicht dazu führen, dass eine an sich mögliche getrennte Vergabe an mehrere Bieter mit dem Ergebnis unterbleibt, dass nur noch ein einziger Bieter in Betracht kommt. Das wäre hier bei einer Kopplung des Toilettenbetriebs mit dem Recht zur Außenwerbung der Fall (vgl. hierzu Antwort zu Frage 5.) Darüber hinaus würde eine derartige Kopplung aufgrund der damit verbundenden Marktabschottung auch gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1 GWB, Art. 101 Absatz 1 AEUV) und das Missbrauchsverbot (§ 19 GWB, Art. 102 AEUV) verstoßen mit der Folge der Gefahr der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge. Zu guter Letzt birgt eine Kopplung des Toilettenbetriebs an die Vergabe von Werberechten auch ein gewisses 2 beihilferechtliches Risiko, wenn durch das gewählte Vergabeverfahren nicht sichergestellt werden kann, dass der wirtschaftliche Wert der Werberechte dem Wert des Toilettenbetriebs entspricht. Unabhängig von dieser rechtlichen Einschätzung hat sich der Senat aber insbesondere auch aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Koppelung mit der Werbung entschieden und daher die Werberechte gesondert ausgeschrieben. Frage 2: Wie kommt der Berliner Senat zu der Einschätzung, dass offenbar 29 bestehende Standorte wegen „mangelnder Nutzung“ in „bessere“ Standorte verändert werden sollen? Frage 3: Welche „Bedarfsquellen“ wurden zur Ermittlung dieser Einschätzung herangezogen bzw. inwieweit gab es eine Rückkoppelung mit Nutzern und Nutzerinnen bzw. deren Vertretern in Verbänden und Beauftragten (z.B. Behindertenbeauftragten der Bezirke)? Antwort zu 2 und 3: Wie im Toilettenkonzept für Berlin, Drs. 18/0489, dargelegt, wurden alle bestehenden Standorte bewertet und der Bedarf an neuen Standorten unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Bedarfsquellen ermittelt. Die Vorgehensweise zu den Standortoptimierungen für die 29 gering genutzten Toiletten (weniger als 10 Personen pro Tag) und die Entwicklung der Standortszenarien ist auf den Seiten 20 ff. des Toilettenkonzepts ausführlich beschrieben. Als Bedarfsquellen sind – wie im Toilettenkonzept für Berlin, Drs. 18/0489, auf S. 13 und 68 im Einzelnen ausgeführt – Bahnhöfe, touristische Ziele, öffentliche Märkte, städtische Zentren, Nachtleben, Badestellen, Parks, Spielplätze und Friedhöfe berücksichtigt worden. Die einzelnen Standorte wurden bis Juli 2017 in enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Bedarfsgruppen wie den Bezirksämtern, den Seniorenvertretungen, den Behinderten- und Tourismusverbänden und anderen Interessengruppen in einem breit angelegten partizipativen Prozess erarbeitet; mit diesen Gruppen wurde darüber hinaus eine gemeinsame Bedarfsplanung für die Bereitstellung öffentlicher Toiletten und die Anforderungen an eine moderne Toiletteninfrastruktur entwickelt. Frage 4: Welche Schritte hat der Berliner Senat im Rahmen der Aufstellung der öffentliche Haushalte 2018/2019 unternommen, um das Versprechen zu einer „verbesserten Versorgung“ und einem Ausbau von bis zu 366 Standorten zu erfüllen? Antwort zu 4: Wie aus der Drs. 18/0489 hervorgeht, ist beabsichtigt, den Aufbau der Toiletteninfrastruktur schrittweise vorzunehmen. Innerhalb des Zeitraums der im laufenden Toilettenvertrag vorgesehenen Abbau- bzw. Umbauphase von zwei Jahren (2019 – 2020) soll die Grundversorgung von insgesamt 257 Toiletten gewährleistet werden. Im zweiten Schritt soll innerhalb von weiteren zwei Jahren (2021 – 2022) die verbesserte Versorgung mit 109 zusätzlichen Toiletten umgesetzt werden. Dem Haushaltsansatz für die Haushaltjahre 2018/2019 liegt vor diesem Hintergrund eine Schätzung der Kosten für den Betrieb und die Anschaffung der öffentlichen Toiletten lediglich für die Grundversorgung zugrunde. Der Aufwuchs für die verbesserte Versorgung betrifft erst die Haushalte ab dem Jahr 2021, in denen die entsprechenden Ansätze dann zu berücksichtigen sind. 3 Frage 5: Welche Erkenntnisse hat der Berliner Senat über die bundesweite Bewerberlage von möglichen qualifizierten Betreibern von öffentlichen Toiletten? Antwort zu 5: Im Rahmen der Erarbeitung des Toilettenkonzept fand auch eine Einschätzung der Marktsituation statt. Diese hat ergeben, dass es bundesweit nur einen Anbieter gibt, der neben dem Betrieb von öffentlichen Toiletten auch Außenwerbung betreibt. Demgegenüber sind auf dem Markt eine Vielzahl von Unternehmen tätig, die auf die Herstellung und den Betrieb von Toiletten spezialisiert sind, aber keine Außenwerbung durchführen. Frage 6: Wie bewertet der Berliner Senat Aussagen von Behindertenbeauftragten, dass weiterhin und verstärkt der Eindruck entsteht, dass man die Frage des Betreibens der öffentlichen Toilettenanlagen in Berlin verstärkt zu Lasten der Menschen betreibt, die auf öffentliche Toiletten angewiesen sind? Antwort zu 6: Dem Senat sind solche Aussagen nicht bekannt. Aufgrund der geplanten qualitativen und quanitativen Verbesserungen der Toiletteninfrastruktur, die gerade denjenigen Menschen zugute kommt, die auf öffentliche Toiletten angewiesen sind, und der hierfür durchgeführten Beteiligung aller relevanten Interessengruppen wären derartige Aussagen auch nicht nachvollziehbar. Berlin, den 29.09.17 In Vertretung Kirchner ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-12321 S18-12321