Drucksache 18 / 12 418 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) vom 04. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Oktober 2017) zum Thema: Ablauf, Folgen und Konsequenzen der Besetzung der Volksbühne und Antwort vom 23. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Okt. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 8 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 12418 vom 4. Oktober 2017 über Ablauf, Folgen und Konsequenzen der Besetzung der Volksbühne Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche materiellen Schäden (aufgelistet nach Raum, Art der Beschädigung, Kosten für Reparatur bzw. Ersetzung) durch die Besetzung der Volksbühne durch das Künstlerkollektiv „Staub zu Glitzer“ entstanden? Zu 1.: Folgende materielle Schäden sind durch die Besetzung der Volksbühne durch das Künstlerkollektiv „Staub zu Glitzer“ entstanden: lfd. Pos. Raum/Bereich Art der Beschädigung Bemerkung 1 Roter Salon Hof Verschmutzung und Restmüll Ein Müllcontainer konnte auf Grund der Verschmutzung und des Restmülls nicht abgeholt werden. 2 Roter Salon Hof Kamera abgeklebt 3 Roter Salon Hof (Einfahrt) Poller demontiert 4 Roter Salon Treppenhaus Außenkamera abgeklebt Seite 2 von 8 lfd. Pos. Raum/Bereich Art der Beschädigung Bemerkung 5 Roter Salon Treppenhaus Fenstergitter aus Wand gerissen 6 Roter Salon Treppenhaus Graffiti 7 Roter Salon Hof (Tor) Graffiti 8 Grüner Salon Hof (Einfahrt) Poller beschädigt 9 Pavillon Graffiti Säuberung abgeschlossen. 10 Grüner Salon Hof (Einfahrt) Außenkamera abgeklebt und abgerissen 11 Treppenhaus H Wandbeschädigung durch Aufkleber 12 Kassenhalle Eingangstür (Mitte) Graffiti 13 Kassenhalle Fluchtwegpiktogramme mit Klebeband verklebt Klebeband am 05.10.2017 entfernt . 14 Kassenhalle Decke Rote Masse an Decke 15 Kassenhalle Linearmelder mit Plastiktüten umhüllt Entfernung der Tüten am 25.09.2017. 16 Kassenhalle Marmorboden stumpf 17 Foyer Umgang Marmorfarbe (hellblau) verfärbt 18 Erdgeschoss Vorderhaus diverse Aufkleber 19 Erdgeschoss Vorderhaus Beschädigung Marmor 20 Parkett links Heizungsgitter verbogen 21 Erdgeschoss Vorderhaus Glasabdeckung Druckknopfmelder zerstört Reparatur im Zeitraum der Besetzung . 22 Erdgeschoss Herren-WC Graffiti 23 Parkett rechts Beschädigung Holzvertäfelung durch unsachgemäße Graffitientfernung 24 Saaltür rechts Graffiti Seite 3 von 8 lfd. Pos. Raum/Bereich Art der Beschädigung Bemerkung 25 Erdgeschoss Damen-WC Graffiti 26 Erdgeschoss Behinderten-WC Graffiti 27 Roter Salon Pendeltür Holz gespalten 28 Roter Salon Pendeltür Schloss zerstört Reparatur am 28.09.2017. 29 Roter Salon Riefen und Kratzer im Parkettfußboden Gereinigt und versiegelt am 02.10.2017. 30 Roter Salon Mobiliar verunreinigt 31 Roter Salon Vorraum Lackbeschädigung an Tür, Farbbeschädigungen an Wand 32 Roter Salon Umgang zum Haus Garderobentür abgerissen 33 Sternfoyer Teppichfläche Teppiche durch Essens -, Getränke- und verschiedene Flüssigkeitsreste verunreinigt Beseitigung durch hauseigene Reinigungskräfte. 34 Sternfoyer Herren-WC Graffiti 35 Sternfoyer Herren-WC (Vorraum ) Aufkleber, abgeklebter Rauchmelder Wiederherstellung Funktionsfähigkeit Rauchmelder erfolgt. 36 Sternfoyer Marmorboden stumpf Boden wurde im Sommer 2017 frisch versiegelt. 37 Sternfoyer Damen-WC Desinfektionsspender aus Wänden gerissen 38 Treppenhaus I Graffiti 39 Umgang Rang Mitte Wandfarbe beschädigt 40 Rang rechts und links Gerüche Teppiche 41 Vorderhaus komplett Glas und Spiegelflächen verschmutzt Beseitigung durch hauseigene Reinigungskräfte. 42 Kassenhalle Loch in der Decke Seite 4 von 8 Die Kosten zur Behebung der Schäden lassen sich derzeit nur als Gesamtkosten bestimmen und betragen in Abstimmung mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) nach ersten Schätzungen ca. 10.000 EUR. In diesem Betrag sind Folgearbeiten einkalkuliert. 2. Welche Einbußen sind der Volksbühne durch die Besetzung wodurch entstanden? Zu 2.: Einbußen sind der Volksbühne durch die Besetzung nicht entstanden. 3. Welche Anweisungen bestanden für Mitarbeiter der Volksbühne im Zeitraum der Besetzung? Zu 3.: Folgende Anweisungen bestanden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksbühne im Zeitraum der Besetzung: Sämtliche Türen innerhalb des Hauses, die in den Zuschauerraum und in das Bühnenhaus führen (inklusive 3. Stock und Grüner Salon), geschlossen halten. Schließung der Außentüren vom Treppenaufgang in das Kassenfoyer, nachdem die Innentüren von den Besetzerinnen und Besetzern mit Vorhängeschlössern versehen worden waren. Regelmäßige Rundgänge der Bühnenmeister und der Direktion durch die besetzten Räumlichkeiten (Foyers, Roter Salon, Treppenhäuser), um im Rahmen der aufgrund der Besetzung eingeschränkten Möglichkeiten, soweit sie über die Inaugenscheinnahme und Kommunikation mit Teilen der Besetzerszene gegeben waren, Gefahren für Sachen und Personen zu erkennen und auf Abhilfe hinzuwirken . Vorbereitetes Schreiben „Anzeige Hausfriedensbruch“ mit Unterschrift des Intendanten wurde beim Bühnenpförtner hinterlegt, dazu Mitteilung an das Leitungsteam und Anweisung an die Bühnenpförtnerinnen und Bühnenpförtner. 4. Welche Auswirkungen hatte die Besetzung auf den Probebetrieb im Vorfeld des Spielbeginns am 10. November? Zu 4.: Die Besetzung hatte folgende Auswirkungen auf den Probenbetrieb der Volksbühne im Vorfeld des Spielbeginns am 10.11.2017. Freitag, 22.09.17: Abbruch der von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal, Absage der von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten Probe von Tino Sehgal in den Foyers, Absage der von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von Samuel Beckett im großen Saal. Seite 5 von 8 Samstag, 23.09.17: Absage der von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal, Absage der von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten Probe von Tino Sehgal in den Foyers, Absage der von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von Samuel Beckett im großen Saal. Sonntag, 24.09.17: Da keine Proben angesetzt waren, wurde der Probenbetrieb nicht beeinträchtigt. Montag, 25.09.17: Absage der von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr angesetzten Beleuchtungsprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal, Absage der von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von Samuel Beckett im großen Saal. Dienstag, 26.09.17: Absage der von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr angesetzten Beleuchtungsprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal, Absage der von 19.00 bis 22.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von Samuel Beckett im großen Saal. Mittwoch, 27.09.17: Absage der von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr angesetzten Tonprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal, Absage der von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr angesetzten technischen Probe von Samuel Beckett im großen Saal. Donnerstag, 28.09.17: Absage der von 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr angesetzten Bühnenprobe von Samuel Beckett im großen Saal, Absage der von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr angesetzten Tonprobe von „Women in Trouble“ im großen Saal. 5. Welche Gespräche gab es wann und in welcher Form während der Zeit der Besetzung a) zwischen Kultursenator Klaus Lederer und Intendant Chris Dercon bzw. Mitarbeiter der Volksbühne, b) zwischen Kultursenator Klaus Lederer und Besetzern, c) zwischen Kultursenator Klaus Lederer und der Innenverwaltung , d) zwischen Kultursenator Klaus Lederer und der Berliner Polizei? Zu 5.: Während der gesamten Besetzungszeit stand der Senator für Kultur und Europa in ständigem Austausch und in Abstimmung mit dem Intendanten Chris Dercon, beginnend am 22.09.2017 und endend mit der Räumung und einer abschließenden Personalvollversammlung . Seite 6 von 8 Ebenso befand sich der Senator für Kultur und Europa in direktem Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksbühne, ergänzt um die vom zuständigen Staatssekretär abgehaltenen Personalvollversammlungen der Volksbühnenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Von Beginn der Besetzung an hatte der Senator für Kultur und Europa sowohl Kontakt auf politischer Ebene mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als auch mit der Polizei. 6. Welche Personal-, Einsatz und Materialkosten sind der Berliner Polizei während der Zeit der Besetzung bis zur finalen Räumung entstanden? Zu 6.: Ausgaben für Polizeieinsätze sind durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt und werden deshalb nicht gesondert erhoben . 7. Wie viele Überstunden sind für wie viele Beamte der Berliner Polizei während der Zeit der Besetzung bis zur finalen Räumung entstanden? Zu 7.: Insgesamt wurden 303,44 Überstunden für 102 Mitarbeitende geleistet. 8. Welche personellen und verwaltungsbedingten Entscheidungen führten in welcher zeitlichen Abfolge zu einer Räumung der besetzen Volksbühne am 28. September? Zu 8.: Die Entscheidung zur Räumung fiel in enger Abstimmung mit der Polizeiführung am 27. September 2017 nach Nichtzustimmung des von den Besetzerinnen und Besetzern abendlich einberufenen Plenums zum Angebot der Volksbühne, den Grünen Salon und den Pavillon in der Weydingerstraße zur Verfügung zu stellen bei gleichzeitiger sofortiger Räumung des Bühnenhauses. Dieses Angebot der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Intendanz der Volksbühne wurde von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa aktiv unterstützt mit dem Ziel, die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit der Volksbühne wiederherzustellen. Das von den Besetzerinnen und Besetzern betriebene Auf-Zeit-Spielen konnte nicht länger hingenommen werden. 9. Welche politischen Überzeugungen bzw. Gründe führten dazu, die Besetzung der Berliner Volksbühne für fast eine Woche zu tolerieren und nicht vom Hausrecht Gebrauch zu machen? Zu 9.: Ein Stadttheater ist ein verletzbarer sozialer und technischer Organismus und per Definition ein öffentliches und offenes Haus. Vor diesem Hintergrund war eine Beendigung der Besetzung auf dem Weg der Konfliktlösung durch Verhandlungen einer polizeilichen Räumung vorzuziehen. Als sich abzeichnete, dass der erste Weg keinen Erfolg verspricht, blieb als ultima ratio nur der zweite Weg. Seite 7 von 8 Die Verhandlungen unter Tolerierung der Besetzung für fast eine Woche waren auch zuletzt von Sicherheitsüberlegungen getragen. In den ersten Tagen der Besetzung hielten sich regelmäßig mehrere hundert Menschen, teilweise eine vierstellige Zahl von Menschen, im Gebäude auf. Eine Räumung durch die Polizei wäre nicht ohne Gefährdung von Leib und Leben und die Kumulation erheblicher Risiken möglich gewesen. Ziel war es im gesamten Zeitraum, die Besetzung gewaltfrei und ohne Schaden an Leib und Leben zu beenden. 10. Welche Bedeutung misst der Senat dem eigenen Handeln bzw. dem politischen Agieren von Kultursenator zur Eskalation der anhaltenden Debatte um Volksbühne-Intendant Chris Dercon bei? Zu 10.: Der Senat hat stets zur Deeskalation und Versachlichung der Debatte beigetragen. 11. Welche Konsequenzen zieht der Senat bzw. Kultursenator Klaus Lederer a) um eine Befriedung der Situation an der Volksbühne zu erreichen, b) einen Image-Schaden für den Kulturstandort Berlin abzuwenden, c) weitere unrechtmäßigen Besetzungen von Einrichtungen der Berliner Kulturlandschaft zu verhindern sowie d) das Vertrauensverhältnis zu Volksbühne-Intendant Chris Dercon wiederherzustellen ? Zu 11.: Mit Beendigung der Besetzung der Volksbühne konnte die daraus entstandene Situation befriedet und die Sicherheit und Arbeitsfähigkeit in der Volksbühne wiederhergestellt werden, eine Wiederaufnahme des Probenbetriebs eingeleitet und die begonnene Spielzeit ohne Beeinträchtigung fortgesetzt werden. Von Anbeginn ist politisch verdeutlicht worden, dass die angemaßte Inbesitznahme bedeutender kultureller Freiräume und die Behinderung der dort arbeitenden Kulturschaffenden in Berlin nicht akzeptabel ist. Es ist anzumerken, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Senator für Kultur und Europa und Chris Dercon in enger Abstimmung erfolgte. 12. Welche Konsequenzen hat die Besetzung für die rund 100 Personen, die die Volksbühne besetzt hielten? Zu 12.: Es wurden gegen 21 Personen Strafanzeigen wegen Verdachts des Hausfriedensbruchs gefertigt. Die Ermittlungen dazu dauern noch an. Seite 8 von 8 13. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die Besetzer vor? Zu 13.: Über die Besetzerinnen und Besetzer liegen keine polizeilichen Erkenntnisse vor. Berlin, den 23.10.2017 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa S18-12418 S18-12418