Drucksache 18 / 12 436 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 04. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Oktober 2017) zum Thema: Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vom 19.12.2016 – Hilfe für traumatisierte Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Ersthelfer und Antwort vom 23. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Okt. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12436 vom 04. Oktober 2017 über Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vom 19.12.2016- Hilfe für traumatisierte Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Ersthelfer ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Polizeibeamte waren am 19.12.2016 am Anschlagsort am Breitscheidplatz eingesetzt? Zu 1.: Insgesamt waren ca. 390 Dienstkräfte am 19.12.2017 am Anschlagsort eingesetzt. 2. Welche Einsatzhundertschaften und Polizeiabschnitte waren vor Ort? (Aufstellung erbeten.) Zu 2.: Vor Ort waren die Mitarbeitenden der Direktion Einsatz (Dir E) 1. Bereitschaftspolizeiabteilung (BPA) 14. Einsatzhundertschaft (EHu), der Dir E 2. BPA 25. EHu, der Dir E 3. BPA 32. EHu sowie der Polizeiabschnitte 21, 24, 25, 26 und 41. 3. Wie viele Polizeivollzugskräfte hatten unmittelbaren Kontakt zu Opfern des Terroranschlags und haben Erste Hilfe geleistet? Zu 3.: Es hatten etwas über 120 Dienstkräfte unmittelbaren Kontakt vor Ort, zum Beispiel im Rahmen der Opferversorgung, der Tatortarbeit, der Leichenbergung und Asservatenbehandlung . 4. Wie viele Polizeivollzugskräfte erlitten eine Traumatisierung unmittelbar nach dem Anschlag oder meldeten diese im Jahr 2017 dem polizeiärztlichen Dienst? Zu 4.: Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz liegen der Polizei Berlin zurzeit insgesamt 28 Dienstunfallanzeigen von Polizeivollzugsdienstkräften vor. Seite 2 von 6 5. Welche konkrete Unterstützung leistet das Land Berlin für die betroffenen Polizeivollzugskräfte welche eine Traumatisierung erlitten haben? Zu 5.: Die Sozialbetreuung der Polizei Berlin leistet psychosoziale Unterstützung für Dienstkräfte der Polizei Berlin nach potentiell traumatisierenden Ereignissen auf mehreren Ebenen. Dienstkräfte der Sozialbetreuung sind über ein Notfallhandy rund um die Uhr erreichbar , um in akuten Situationen erste Betreuungsmaßnahmen zu leisten. In der Akutphase, unmittelbar an das Ereignis anknüpfend, sollen betroffene Einsatzkräfte stabilisiert werden, um eine schnelle Reduktion der bestehenden Anspannung zu erreichen. Wichtig ist die prozessorientierte Nachsorge, die weitere Gespräche vorsieht. Bei Bedarf werden regelmäßige Gespräche über einen individuellen Zeitraum unter anderem mit der Erarbeitung eines unter Umständen notwendigen externen Unterstützungsangebotes von der Sozialbetreuung angeboten. Im Einzelfall können betroffene Dienstkräfte der Berliner Polizei vorübergehend in eine strukturierte Tagesbetreuung bei der Sozialbetreuung aufgenommen werden, die von zwei psychosozialen Fachkräften geleitet wird. Mitarbeitende der Sozialbetreuung führen innerhalb der Polizei regelmäßig Präventions - und Informationsveranstaltungen zum Thema Traumafolgestörungen durch. Konkret in Bezug auf die Ereignisse vom 19. Dezember 2016 werden darüber hinaus durch die Zentrale Koordinierungsstelle Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement bei der Serviceeinheit Personal C 4 insgesamt sieben dreitägige Seminare (jeweils 10 Teilnehmer) zur Thematik „Umgang mit erlebter posttraumatischer Stressbelastung im Dienst“ angeboten. Diese Seminare werden exklusiv im Rahmen der Für- und Nachsorge für den Personenkreis der am unmittelbaren Tatort eingesetzten Dienstkräfte vom 19. Dezember 2016 durchgeführt. Betroffen sind insbesondere Dienstkräfte der Dir E, der Dir 2 sowie des Landeskriminalamtes. Die Auswahl der insgesamt 70 Teilnehmenden wird durch die jeweiligen Dienststellen erfolgen. Insbesondere die fachliche Unterstützung durch langjährig erfahrene Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorger der Polizei Berlin und externer Krisenberater soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seminars ermöglichen, gezielt Krisenerfahrungen aus dem Einsatz am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 anzusprechen, zu analysieren und auszuwerten. Schwerpunkt dieses Seminares ist es vor allem, dass die Teilnehmenden die belastenden Einsatzsituationen am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 verarbeiten und lernen in Zukunft damit umzugehen. 6. Wie viele Feuerwehrkräfte (Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr) am 19.12.2016 am Anschlagsort am Breitscheidplatz eingesetzt? Zu 6.: Von der Berufsfeuerwehr waren 154 Kräfte vor Ort. An der Einsatzstelle war ein Löschhilfeleistungsfahrzeug (LHF) der Freiwilligen Feuerwehr 3301 (Suarez) mit 6 Kameraden und Kameradinnen am Breitscheidplatz im Einsatz. Von den Hilfsorganisationen und der Bundeswehr, die Rettungswagen besetzten, waren 10 Einsatzkräfte am Anschlagsort eingesetzt. Der Landkreis Teltow-Fläming stellt einen Rettungswagen mit 2 Einsatzkräften. Seite 3 von 6 7. Welche Berufsfeuerwehren und Freiwillige Feuerwehren waren vor Ort im Einsatz? (Aufstellung erbeten.) Zu 7.: Eingesetzte Kräfte ab 20:07 Uhr Feuerwache Fahrzeug Besatzung FW Zehlendorf 4199 ELW LBD 2 FW Marienfelde 4792 ELW LBD V 2 FW Weißensee 6319 ELW A 2 FW Urban 1518 ELW B 2 FW Charlottenburg-Nord 3618 ELW B 2 FW Suarez 3317 ELW1-OrgL RD 2 FW Tempelhof 4317 ELW C 2 FW Charlottenburg-Nord 3600 ELW 3 /FmeW 6 FW Charlottenburg-Nord 3600 ELW1-ZV 1 TD2 FW Marzahn 6139 RW 3 4 TD2 FW Marzahn 6139 FWK-30 2 TD1 Charlottenburg-Nord 3639 MTF 3 1 FW Tempelhof 4300 GW San 6 FW Mitte 1100 GW San 6 FW Moabit 1400 LHF 6 FW Wilmersdorf 3500 LHF 6 FW Tiergarten 1700 LHF 6 FW Wilmersdorf 3400 LHF 6 FW Charlotten-Nord 3600 LHF 6 FW Urban 1500 LHF 6 FW Suarez 3300 LHF 6 FW Schöneberg 4400 LHF 6 FF Suarez 3301 LHF 6 FW Tegel 2405 NEF 2 FW Buckow 5205 NEF 2 FW Suarez 3305 NEF 2 FW Mitte 1110/2 RTW 2 FW Moabit 1400 RTW 2 FW Hermsdorf 1300 RTW 2 FW Urban 1500 RTW 2 FW Schillerpark 2100/2 RTW 2 FW Suarez 3300 RTW 2 FW Suarez 3304 RTW 2 FW Wilmersdorf 3400 RTW 2 FW Ranke 3500 RTW 2 FW Zehlendorf 4100 RTW 2 FW Steglitz 4200 RTW 2 FW Schöneberg 4400 RTW 2 FW Köpenick 5400 RTW 2 FW Marzahn 6100 RTW 2 Seite 4 von 6 FW Hellersdorf 6200 RTW 2 FW Lichtenberg 6400 RTW 2 FW Schillerpark 2100 RTW DRK 2 FW Wilmersdorf DRK 3490 RTW-DRK 2 FW Suarez MHD 3390 RTW-MHD 2 FW Suarez JUH 3300 RTW-JUH 2 Bundeswehr 1100 RTW-BW 2 Teltow-Fläming 9723 RTW-TF Mahlow 2 138 Ablösungen ab ca. 23:00 Uhr FW Schillerpark 2100 LHF 6 FW Neukölln 5100 LHF 6 FW Spandau-Süd 3200/1 LHF 6 FW Spandau-Süd 3200/2 LHF 6 FW Spandau-Süd 3200 RTW 3200 2 TD1 Charlottenburg-Nord 3639 RW 3 4 FW Friedrichshain 1217 ELW C 2 FW Friedrichshain 1200 RTW 2 34 Legende „Fahrzeuge“: ELW Einsatzleitwagen ELW LBD Einsatzleitwagen Landesbranddirektor ELW LBD V Einsatzleitwagen Landesbranddirektor ELW LBD A/B Einsatzleitwagen höherer Dienst ELW1-OrgL RD Einsatzleitwagen Organisatorischer Leiter Rettungsdienst ELW C Einsatzleitwagen gehobener Dienst ELW 3/FmeW Fernmeldeeinsatzwagen ELW 1-ZV Einsatzleitwagen – Zentrale Versorgung RW Rüstwagen / Rettungswache FWK Feuerwehrkran MTF Mannschaftstransportfahrzeug GW San Gerätewagen Sanität LHF Löschhilfeleistungsfahrzeug NEF Notarzteinsatzfahrzeug RTW Rettungswagen 8. Wie viele Feuerwehrkräfte hatten unmittelbaren Kontakt zu Opfern des Terroranschlags und haben Erste Hilfe geleistet? Zu 8.: Die Folgen des Anschlages wurden von allen Einsatzkräften wahrgenommen, unabhängig davon, ob sie in der Technischen Hilfe oder in der Menschenrettung eingesetzt waren. Eine Erhebung, inwiefern unmittelbar Kontakt zu Opfern oder Verletzten bestand, wurde nicht erstellt. Seite 5 von 6 9. Wie viele Feuerwehrkräfte erlitten eine Traumatisierung unmittelbar nach dem Anschlag oder meldeten diese im Jahr 2017? Zu 9.: In Folge des Anschlages auf dem Breitscheidplatz gingen insgesamt 64 Unfallanzeigen im Fachbereich Arbeits- und Gesundheitsschutz ein. 10. Welche konkrete Unterstützung leistet das Land Berlin für die betroffenen Feuerwehrleute welche eine Traumatisierung erlitten haben? Zu 10.: Für die Einsatzkräfte der Feuerwehr wurde noch am selben Abend eine zentrale Nachbereitung durch das Einsatznachsorgeteam auf der Feuerwache Moabit eingerichtet . Am 21.12.2016 bot das Einsatznachsorgeteam (ENT) Berlin unter Zuhilfenahme des ENT Brandenburg und des ENT Hamburg eine durch die Behördenleitung unterstützte Veranstaltung zur Aufarbeitung des Einsatzgeschehens an, die von den Einsatzkräften auch gut angenommen wurde. Auch wurden und werden die Angebote der Seelsorge und des arbeitspsychologischen Dienstes in Anspruch genommen. Auf den Wachen selbst gab es ebenfalls Gesprächsrunden mit direkt Betroffenen, ihren Kolleginnen und Kollegen und den Führungskräften. Am 22.03.2017 fand für die Einsatzkräfte eine Nachbereitung des Einsatzablaufes statt, zu welcher die Behördenleitung eingeladen hatte. Hier wurde das Einsatzgeschehen insgesamt ausgewertet. Im Rahmen dieser Veranstaltung wies die Behördenleitung erneut auf die Unterstützungs- und Hilfsangebote hin. Für eine künftige Präventionsarbeit zur Bewältigung von schwierigen Einsatzlagen plant die Berliner Feuerwehr eine Beteiligung am Projekt Charly BOS. Die Bundeswehr etablierte ein computerbasiertes, einsatzvorbereitendes Training, genannt CHARLY, welches sich damit des Blended Learning-Ansatzes bedient. Dabei handelt es sich um eine interaktive Trainingsplattform zur psychosozialen Unterstützung . Mit den Lerneinheiten und begleiteten Feedback soll erreicht werden, dass sich posttraumatische Belastungsstörungen im besten Fall verhindern lassen oder diese zumindest zu mildern. Die Berliner Feuerwehr strebt die Übernahme dieser Trainingsplattform für ihre Einsatzkräfte an. Dazu muss die Software auf die Einsatzszenarien und Gegebenheiten der Berliner Feuerwehr angepasst werden. 11. Wie viele Ersthelfer waren am 19.12.2016 am Anschlagsort am Breitscheidplatz und leisteten Erste Hilfe für die Betroffenen bzw. Opfer des Terroranschlags? Zu 11.: Privatpersonen, die vor Ort Erste Hilfe geleistet haben, sind nicht erfasst. Für die erste seelsorgerische Hilfe waren 25 Kräfte der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) am 19.12.2016 im Einsatz. 12. Wie viele Ersthelfer erlitten eine Traumatisierung? Zu 12.: Dazu liegen keine Erkenntnisse vor. 13. Welche konkrete Unterstützung gab und gibt es für die Ersthelfer und welche Verbesserungsbedarfe wurden hierbei festgestellt? Seite 6 von 6 Zu 13.: Die Kräfte der Psychosozialen Notfallversorgung, die bei dem Anschlag im Einsatz waren, wurden von den Seelsorgeeinrichtungen nachbetreut. Die Nachbetreuung wird in Gruppensuperversionen durchgeführt, bei Bedarf ist eine Einzelsuperversion möglich. Nach dem Anschlag vom 19.12.2016 wurden sofort die Traumaambulanzen geöffnet , bereits am Anschlagsort wurden Flyer des Berliner Krisendienstes verteilt. Der Berliner Krisendienst war über eine zentrale Telefonnummer erreichbar, die in der Presse bekannt gegeben worden ist. Die Landeskommission gegen Gewalt hat eine Sonderausgabe „Adressen für Opfer und Angehörige“ zusammengestellt und auf ihrer Homepage veröffentlicht, in denen die Träger der Notfallseelsorge / Krisenintervention aufgeführt sind, an die sich Betroffene wenden können. Das Netzwerk der Notfallseelsorge / Krisenintervention hat in der Akutphase gut funktioniert. Einzelne, erforderliche Nachbesserungen in der Zusammenarbeit und in der Kommunikation werden aufgearbeitet. 14. Welche Konsequenzen hat das Land Berlin gezogen, um den traumatisierten Menschen vom 19.12.2016 (Einsatzkräfte, Ersthelfer/innen sowie Bürger/innen) zu helfen bzw. sie im Nachgang zu unterstützen? (Aufstellung der Maßnahmen erbeten.) Zu 14.: Die Maßnahmen hinsichtlich der Unterstützung der Einsatzkräfte sind in den Antworten zu 5. und 10. aufgeführt. Bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wird eine Zentrale Anlaufstelle für Opfer und Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen eingerichtet. Hier sollen alle Informationen zusammengeführt werden, um Betroffenen schnell und konkret zu helfen. Berlin, den 23. Oktober 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12436 S18-12436