Drucksache 18 / 12 461 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 10. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Oktober 2017) zum Thema: Erkenntnisse aus Funkzellenabfragen und Antwort vom 30. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12461 vom 10. Oktober 2017 über Erkenntnisse aus Funkzellenabfragen -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die sogenannte „Funkzellenmatrix“ wird über das Programm InfReq100 der Firma Dialogika vom Berliner Landeskriminalamt (LKA 72) allein auf der Basis von Daten erstellt, die bei der Polizei eingegeben worden sind. Ein Datenaustausch zwischen dem staatsanwaltschaftlichen System MESTA (Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation) und diesen polizeilichen Dateien findet nicht statt. Ein Vergleich zwischen den von der Polizei als Funkzellenabfragen erfassten Verfahren und den in MESTA mit der Nebenverfahrensklasse "FZA" (Funkzellenabfrage) erfassten Verfahren findet nur stichprobenartig statt und stößt insbesondere in den Fällen auf Probleme, in denen das Verfahren nach der Erfassung durch die Polizei, möglicherweise gerade aufgrund des Erfolgs der Funkzellenabfrage , von einem UJs- zu einem Js-Verfahren wurde oder das Verfahren aus sonstigen Gründen, abgetrennt, verbunden oder abgegeben wurde. Der von der IT-Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin durchgeführte Aktenzeichenabgleich ergab, dass sieben von der Polizei genannte Aktenzeichen in MESTA nie existiert haben. In zwei Fällen handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler im Aktenzeichen und in den anderen Fällen ist nicht klar, ob es sich um einen Schreibfehler oder das Aktenzeichen einer auswärtigen Staatsanwaltschaft handelt. Sämtliche statistische Angaben beziehen sich daher auf 426 Verfahren. 1. Wie viele der 432 Ermittlungsverfahren, in denen im Jahr 2016 insgesamt 491 Funkzellenabfragen gerichtlich angeordnete wurden, führten zu der Erhebung der öffentlichen Klage? Zu 1.: Anklage zum Schwurgericht : 4 Anklage zur großen Strafkammer : 10 Anklage zur Jugendkammer : 1 Anklage zum Schöffengericht : 5 Anklage zum Jugendschöffengericht : 2 Gesamt : 22 2 2. Sofern die unter Frage 1.) genannten Fälle rechtskräftig abgeschlossen sind: welche Tatbestände wurden angeklagt und welche Strafen wurden verhängt? Zu 2.: Diese Angaben sind weder in polizeilichen Dateien noch in MESTA enthalten. Eine händische Aktenauswertung bei der Staatsanwaltschaft Berlin hat hierzu Folgendes ergeben (Abkürzungen: StGB = Strafgesetzbuch, BtmG = Betäubungsmittelgesetz, StVG = Straßenverkehrsgesetz, JGG = Jugendgerichtsgesetz): Ermittlungsrichterliches Aktenzeichen in der Funkzellenmatrix Angeklagte Delikte Verhängte Strafen 351 Gs 1101/16 §§ 250 Abs. 2, 249 Abs. 1 StGB, schwerer Raub, §§ 224 Abs. 1 Nr. 1, 2, 223 Abs. 1 StGB, gefährliche Körperverletzung § 239 Abs. 1 StGB, Freiheitsberaubung 4 Jahre 10 Monate Freiheitsstrafe , Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 351 Gs 788/16 §§ 242, 243, 25 StGB, gemeinschaftlicher Diebstahl in besonders schwerem Fall 4 Wochen Dauerarrest §§ 242, 243, 25 StGB, gemeinschaftlicher Diebstahl in besonders schwerem Fall Freispruch 350 Gs 1671/16 § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge 1 Jahr 2 Monate Freiheitsstrafe , Bewährung § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge 1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe , Bewährung 351 Gs 652/16 § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge § 21 StVG, Fahren ohne Fahrerlaubnis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 27 StGB, Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge § 267 StGB, Urkundenfälschung § 21 StVG, Fahren ohne Fahrerlaubnis 3 Jahre Freiheitsstrafe 352 Gs 1174/16 §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB, Diebstahl in besonders schwerem Fall 4 Wochen Dauerarrest §§ 242, 244a StGB, schwerer Bandendiebstahl Freispruch 3 § 242, 244a StGB, schwerer Bandendiebstahl §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Diebstahl in besonders schwerem Fall § 263 StGB, Betrug § 267 StGB, Urkundenfälschung 2 Jahre Jugendstrafe, Aussetzung zur Bewährung vorbehalten, § 57 JGG §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, Bandendiebstahl §§ 242, 244a StGB, schwerer Bandendiebstahl §§ 242, 243 StGB, Diebstahl in besonders schwerem Fall § 263 StGB, Betrug § 267 StGB, Urkundenfälschung § 142 StGB, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 3 Jahre 8 Monate Freiheitsstrafe §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Diebstahl in besonders schwerem Fall 10 Monate Freiheitsstrafe, Bewährung 349 Gs 4028/15 §§ 223, 223 StGB, gefährliche Körperverletzung §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Nr. 1 StGB, schwerer Raub §§ 253, 255 StGB, schwere räuberische Erpressung § 267 Abs. 1 StGB, Urkundenfälschung 3 Jahre Jugendstrafe §§ 223, 224 StGB, gefährliche Körperverletzung §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Nr. 1 StGB, schwerer Raub §§ 253, 255 StGB, schwere räuberische Erpressung § 267 Abs. 1 StGB, Urkundenfälschung § 263 StGB, Betrug 2 Jahre 11 Monate Jugendstrafe §§ 223, 224 StGB, gefährliche Körperverletzung §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Nr. 1 StGB, schwerer Raub §§ 253, 255 StGB, schwere räuberische Erpressung § 267 Abs. 1 StGB, Urkundenfälschung 2 Jahre 5 Monate Jugendstrafe 351 Gs 2078/16 §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB, Diebstahl in besonders schwerem Fall Freispruch §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB, Diebstahl in besonders schwerem Fall 4 Jahre Freiheitsstrafe 353 Gs 1140/16 § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, schwere Brandstiftung 1 Jahr 3 Monate Freiheitsstrafe , Bewährung 4 3. Wie viele der unter Frage 1.) genannten Verfahren wurden aus welchen Gründen eingestellt oder führten nicht zu einer Anklageerhebung? Zu 3.: Einstellungen: a) gemäß § 170 Abs. 2 i.V.m. § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO): 1 1) b) gemäß § 170 Abs. 2 StPO (Js-Verfahren): 245 (27 Js-, 218 UJs-Verfahren) c) gemäß § 170 Abs. 2 StPO (Verfahrenshindernis, z. B. Verjährung oder Strafunmündigkeit): 2 d) gemäß § 153 Abs. 1 StPO: 1 2) e) gemäß § 31a Abs. 1 BtMG: 1 3) f) gemäß § 154f StPO: 4 Sonstige nicht zur Anklageerhebung führende Gründe: Verfahrensabgaben: 121 Noch nicht abgeschlossene Verfahren: Js-Verfahren: 8 UJs-Verfahren: 21 4. Wie viele der unter Frage 1.) genannten Verfahren führten zu weiteren Ermittlungsansätzen außerhalb der unter Frage 1.) genannten Ermittlungsverfahren? Zu 4.: Dies wird weder in polizeilichen Dateien noch im System MESTA erfasst. 5. Welche Kosten sind im Jahr 2016 für die Funkzellenabfragen entstanden (bitte gesondert nach den Kosten für das Programm, die Abfrage bei den Providern, sonstigen Programmkosten sowie den Personalkosten darstellen)? Zu 5.: Kosten für nichtindividualisierte Funkzellenabfragen entstehen sowohl im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als auch im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Die Kostensätze für eine Funkzellenabfrage betragen gemäß § 23 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen und Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen und ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen und Zeugen sowie Dritten (JVEG) entsprechend der Anlage 3: 1 Eine Nachprüfung in den Verfahrensakten ergab, dass zu dem genannten Verfahren die Erhebung von Funkzellendaten weder angeregt, noch beantragt und solche auch sonst nicht erhoben wurden. 2 siehe Fn. 1 3 Das Ermittlungsverfahren wurde wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Heroin) eingeleitet und später gegen mehrere Beschuldigte geführt. Dieser Verdacht konnte im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht bestätigt werden; im Zuge einer Durchsuchung wurden lediglich bei einem Beschuldigten geringe Mengen Marihuana sichergestellt. Dies hatte die Einstellung des Verfahrens gemäß § 31a BtMG zur Konsequenz. 5 Auskunft über gespeicherte Verkehrsdaten für eine von der Strafverfolgungsbehörde benannte Funkzelle (Ziff. 306): 30,00 € Auskunft über gespeicherte Verkehrsdaten für mehr als eine (jede weitere) von der Strafverfolgungsbehörde benannte Funkzelle (Ziff. 308): 4,00 € Auskunft über gespeicherte Verkehrsdaten in Fällen, in denen lediglich Ort und Zeitraum bekannt sind (Ziff. 310): 60,00 € Im Jahr 2016 betrug die Rechnungssumme für derartige Leistungen insgesamt 703.522 €. Es wurden 1.862 Rechnungsvorgänge bearbeitet, wobei die Rechnungen zumeist mehrere Teilleistungen umfassen. Eine Statistik zu den Rechnungen nach Funkzellenauswertungen , um diese dann nach Providern aufzuschlüsseln, liegt nicht vor. Ferner sind im Jahr 2016 für das Programm „InFreq 100“ der Firma Dialogika, welches die Polizei Berlin zum Umsetzen der Auskunftsersuchen von Verkehrsdaten gegenüber den Telekommunikationsdienstleistern einsetzt, investive Ausgaben für die Anpassung der Benutzeroberfläche in Höhe von 10.115 € und konsumtive Ausgaben für einen Wartungsvertrag in Höhe von 48.902,18 € angefallen. Gesonderte Personalkosten für die Funkzellenauswertung fallen für die Innenverwaltung nicht an, da diese durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt sind. Den Strafverfolgungsbehörden entstehen durch die Funkzellenabfragen bei der Strafverfolgung keine Programm-, Programmier- oder Personalkosten. Der zeitliche Aufwand für die Auswertung der Funkzellenabfrage wird nicht erfasst. Für die Funkzellenmatrix sind Kosten in Höhe von 18.445 € für die einmalige Programmerweiterung entstanden. Hinzu kommen für den Justizhaushalt jährliche Pflegekosten in Höhe von 3.688,96 €. Berlin, den 30. Oktober 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-12461 S18-12461