Drucksache 18 / 12 466 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hugh Bronson (AfD) vom 12. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Oktober 2017) zum Thema: Das Maß des Erträglichen ist erreicht: Berlin im Behördendschungel der Europäischen Kohäsionsfonds und Antwort vom 24. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Dr. Hugh Bronson (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12466 vom 12.10.2017 über Das Maß des Erträglichen ist erreicht: Berlin im Behördendschungel der Europäischen Kohäsionsfonds ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Haben Vertreter der Europäischen Kommission dem Berliner Büro in Brüssel oder anderen Vertretern des Landes Berlin eine Reduzierung des mit ESF und EFRE verbundenen Bürokratieaufwands in Aussicht gestellt? Wenn ja, wann, in welcher Form (schriftlich oder mündlich), und mit welchem genauen Inhalt? Zu 1.: In seinem Antwortschreiben an Herrn Senator Dr. Klaus Lederer zu dem übermittelten Beschluss des Berliner Senats („Verwendung der Fördermittel der EU ab 2020 – Eckpunkte für eine Berliner Position zur EU-Kohäsionspolitik nach 2020“) vom 20. September 2017 betont das für Haushalt zuständige Mitglied der Europäischen Kommission, Günther Oettinger, dass der Rechtsrahmen vereinfacht werden müsse. Damit nimmt er Bezug auf eine der Berliner Kernforderungen nach einer umfassenden Überprüfung und Verschlankung des gesamten Rechtsrahmens, insbesondere der Anforderungen, die von der europäischen Ebene an die Programmierung sowie an die Verwaltungs- und Kontrollsysteme gestellt werden. 2. Sind Zahlungsanträge auf Vorschusszahlungen für ESF und EFRE für das Jahr 2017 gestellt worden ? Zu 2.: Nein, es sind keine Zahlungsanträge auf Vorschusszahlungen für ESF und EFRE für das Jahr 2017 gestellt worden. Gemäß VO 1303/2013 wird der jährliche Vorschuss von der Europäischen Kommission automatisch (ohne Antrag) überwiesen. 2 3. Wird die erstattungsfähige Obergrenze für »Technische Hilfe für die Durchführung von Programmen der EU« voraussichtlich 2018 und/oder 2019 erreicht? Zu 3.: Alle einschlägigen Verwaltungskosten sind erstattungsfähig. Die Erstattungsobergrenze gilt für die gesamte Förderperiode bis 2020/2023 und kann daher in 2018/2019 nicht erreicht werden. 4. Welche Methode wird verwendet, um die Höhe der erstattungsfähigen Verwaltungskosten für ESF und EFRE zu berechnen? Zu 4.: Alle gemäß VO 1303/2013 einschlägigen Verwaltungskosten für ESF und ERFE sind erstattungsfähig und können geltend gemacht werden. Die Frage nach einer Berechnungsmethode stellt sich nicht. 5. Worin bestehen die Tätigkeiten, welche die nicht zu beziffernden, über die »Technische Hilfe für die Durchführung von Programmen der EU« hinausgehenden und im Zusammenhang mit der Programmdurchführung anfallenden allgemeinen Verwaltungskosten verursachen? Warum können diese Kosten nicht beziffert werden? Zu 5.: Die nicht zu beziffernden Tätigkeiten sind solche des allgemeinen Verwaltungshandels , die zwar im Zusammenhang mit der Durchführung von EU-Programmen (z.B. Tätigkeiten der Verbindungsstellen in Zusammenhang mit der Beantwortung Schriftlicher Anfragen) stehen, aber über das unmittelbar programmdurchführende fachspezifische Verwaltungshandeln hinausgehen. 6. Betrachtet der Senat es als aus fachpolitischer Sicht zweckmäßig und als Beitrag zur Erreichung der spezifischen Ziele des von der Europäischen Kommission genehmigten Operationellen Programms , im Rahmen des ESF geförderte Vorhaben zu genehmigen, die Mittel aus Instrument 19 »Förderung der beruflichen Orientierung und Qualifikation von Migranten/innen sowie der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut von Neuzuwanderern einschließlich Roma und Flüchtlinge« in der Förderperiode 2014 - 2020 in Anspruch nehmen, sofern diese vorrangig oder teilweise der beruflichen Orientierung und Qualifikation von... a. Angehörigen von Nicht-EU-Staaten b. Ausreisepflichtigen c. vollziehbar Ausreisepflichtigen d. Menschen mit Duldung e. Menschen mit Aufenthaltsgestattung f. Menschen ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder Gestattung ...dienen? Zu 6.: Der Senat hält es aus integrationspolitischer Sicht für zweckmäßig, Menschen mit Migrationshintergrund – einschließlich Geflüchteter und anderer Neuzuwanderer aus Drittstaaten – bei der Berufsorientierung und -vorbereitung und der sozialen Eingliederung , insbesondere in den Arbeitsmarkt, zu unterstützen. Gerade diese Gruppen sind oftmals durch Diskriminierungen sowie sprachliche oder schulische Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt beeinträchtigt. 3 Das steht in Übereinstimmung mit den Zielen des Operationellen Programms des Landes Berlin für den Europäischen Sozialfonds in der Förderperiode 2014 – 2020. Das Programm betont auf S. 69, 2.C.4.2.1: „Neben den genannten Maßnahmen sollen im Rahmen des ESF OP weitere Angebote gefördert werden, die ebenfalls auf eine bessere Vorbereitung von jungen Menschen auf den Berufseinstieg durch eine ergänzende und weiterführende Qualifizierung hinwirken. Dazu zählen die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, sowie die Förderung der beruflichen Orientierung und Qualifizierung von Migrant/innen sowie der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut von Neuzuwanderern einschließlich Roma und Flüchtlinge.“ Weiter wird am angegebenen Ort betont: „Neben dieser Maßnahme tragen auch die anderen Maßnahmen des spezifischen Ziels C.1 zum bereichsübergreifenden Grundsatz der Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung bei. Einen unmittelbaren Beitrag dazu leistet die Maßnahme zur Förderung der beruflichen Orientierung und Qualifizierung von Migrant/innen, indem junge Menschen unter 25 Jahren mit Migrationshintergrund mit zielgruppenspezifischen Angeboten zur Orientierung und Weiterbildung am deutschen Arbeitsmarkt unterstützt werden. Darüber hinaus leisten auch die anderen Maßnahmen des spezifischen Ziels einen Beitrag zur Nichtdiskriminierung , indem insbesondere junge Menschen mit Migrationshintergrund durch die Angebote zur Berufsorientierung und vorbereitenden Qualifizierung angesprochen werden. Die jungen Migrant/innen stellen für alle Maßnahmen des spezifischen Ziels eine wichtige Zielgruppe dar, da gerade sie aufgrund ihres Migrationshintergrundes nach wie vor Diskriminierungen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ausgesetzt sind. Häufig sind sie zudem mit weiteren Benachteiligungen konfrontiert, die ihren Berufseinstieg erschweren, wie sprachliche oder schulische Probleme.“ 7. Ist der Senat der Auffassung, dass »eine erfolgreiche EU-Kohäsionspolitik« bei einer Absenkung von 30% beim Kohäsionsfonds weiterhin »wie kaum ein anderer Politikbereich dazu geeignet« wäre, »den Mehrwert europäischer Zusammenarbeit und Solidarität sichtbar zu machen? Zu 7.: Eine Absenkung von 30 % würde Berlin nicht nachteilig tangieren, da der Kohäsionsfonds nicht Regionen, sondern ausschließlich Mitgliedstaaten fördert, deren nationales Pro-Kopf-Einkommen unter 90 % des EU-Durchschnitts liegt. Sollten mit der Frage die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds gemeint sein, ist der Senat weiterhin der Auffassung, dass eine erfolgreiche EU-Kohäsionspolitik geeignet ist, den Mehrwert europäischer Zusammenarbeit und Solidarität sichtbar zu machen. In der Überzeugung, dass die Kohäsionspolitik als größtes Investitionsprogramm in der Europäischen Union unverzichtbar ist, um den wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und territorialen Zusammenhalt EU-weit zu stärken, setzt er sich mit Nachdruck für eine angemessene Finanzausstattung ein. An Spekulationen über Absenkungen in der genannten Größenordnung beteiligt sich der Senat nicht. 8. Wie entwickeln sich die Bemühungen Berlins, ihre Position gegenüber den Institutionen der Europäischen Union zu vertreten, dass die »entwickelten« Regionen nicht von den europäischen Kohäsionsfonds herausgenommen werden sollten? Zu 8.: Das am 9. Mai 2017 durch den Senat beschlossene Positionspapier wurde breit kommuniziert und in den Meinungsbildungsprozess auf innerstaatlicher sowie EU- Ebene eingespeist. Die Berliner Forderung nach einer angemessenen Förderung 4 aller Regionen, also auch der stärker entwickelten, hat Eingang in die gemeinsame Bund-Länder-Stellungnahme vom 20. Juni 2017 gefunden, die der Europäischen Kommission zugeleitet wurde. Sie findet sich auch in dem Beschluss der Europaministerkonferenz vom 28. September 2017 wieder und wurde vom Berliner Senat anlässlich seiner auswärtigen Sitzung am 05. September 2017 in den Gesprächen mit EU-Kommissar Günther Oettinger und Generaldirektor Marc Lemaitre (GD Regionalpolitik) vorgetragen. Weiterhin hat auch der Berliner Staatssekretär für Europa im Rahmen der Hauptstadtbürgermeisterkonferenz die Berliner Position gegenüber den Kommissionsmitgliedern Corina Cretu (Regionalpolitik) und Maros Sefcovic (Energie) vertreten. Außerdem ist die Berliner Forderung in eine Reihe von Stellungnahmen und Positionspapieren verschiedener multinationaler Netzwerke wie Eurocities und dem Capital Cities Regions Network eingeflossen. Die Berliner Position findet zunehmend Gehör, so hat sich beispielsweise EU-Kommissar Günther Oettinger kürzlich in der Plenarsitzung des Ausschusses der Regionen für eine Beibehaltung der Förderung in allen Regionen ausgesprochen. 9. Welche Beanstandungen wurden im Zusammenhang mit der laufenden Förderperiode seitens der EU bislang gegenüber Berlin erhoben? Wann war das jeweils und in welchen Dokumenten war es niedergelegt? Konnten diese Beanstandungen seither ausgeräumt werden? Durch welche Maßnahmen ? Zu 9.: Seitens der Europäischen Kommission wurden bisher keine Beanstandungen erhoben . 10. Kann der Senat die Berechnung nachvollziehen, wonach die Summe der Ansätze für »Technische Hilfe für die Durchführung von Programmen der EU« als Prozent der summierten »Einnahmen von Zuschüssen der EU« von ca. 1,2 % im Jahr 2011 auf ca. 4,1 % für 2019 im Haushaltsentwurf für 2018/19 gestiegen ist? Zu 10.: Der Senat kann die Berechnung nachvollziehen und verweist auf seine Beantwortung der Frage 12 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/11 497. 11. Sieht der Senat Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltungskosten für ESF und EFRE als Prozent der Summe der Einnahmen aus selbigen Programmen steigen, fallen oder gleich bleiben werden in der nächsten Förderperiode? Zu 11.: Zur Entwicklung der Verwaltungskosten in der Förderperiode nach 2020 kann derzeit keine verlässliche Aussage getroffen werden. 12. Besteht eine gesetzliche Regelung bezüglich der Zinskosten für Zahlungen aus den europäischen Kohäsionsfonds an das Land Berlin, die (teilweise erst Jahre) nach den dazugehörigen Ausgaben erfolgen? Verfügt der Senat über einen Mechanismus, um diese Kosten einzuschätzen? Zu 12.: Es gibt keine gesetzlichen Regelungen bezüglich der Zinskosten für Zahlungen aus den europäischen Kohäsionsfonds an das Land Berlin. Zur Erleichterung der (Vor-) 5 Finanzierung der von der Europäischen Kommission zu erstattenden Ausgaben erhält das Land Berlin von der Kommission die Vorschusszahlungen gemäß VO 1303/2013, die ihrerseits unverzinslich sind. Berlin, den 24. Oktober 2017 In Vertretung Henner B u n d e ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe S18-12466 S18-12466