Drucksache 18 / 12 487 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina König (SPD) und des Abgeordneten Lars Düsterhöft (SPD) vom 19. September 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Oktober 2017) zum Thema: Praktika für geflüchtete Menschen und Antwort vom 01. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Bettina König (SPD) und Herrn Abgeordneten Lars Düsterhöft (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12487 vom 19. September 2017 über Praktika für geflüchtete Menschen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage betrifft überwiegend Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl um eine sachgerechte Antwort bemüht und hat daher die zuständige Regionaldirektion Berlin- Brandenburg (RD BB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) um Stellungnahme gebeten, die bei der Beantwortung der Fragen berücksichtigt ist. 1. Wie erfolgt in Berlin die Vermittlung von geflüchteten Menschen durch die Agentur für Arbeit /die Jobcenter in Praktika? Zu 1.: Jeder Arbeitgeberin und jedem Arbeitgeber steht die Möglichkeit offen, ein Praktikums-Angebot in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu erstellen und somit interessierten Bewerberinnen und Bewerbern (unabhängig von Staatsangehörigkeit, Herkunft oder Aufenthaltsstatus) zugänglich zu machen bzw. selbst gezielt nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern zu suchen. Ist ein Praktikums-Angebot für den Personenkreis der Geflüchteten geeignet bzw. vorgesehen, kann dies entsprechend gekennzeichnet werden. So können interessierte geflüchtete Menschen das Praktikumsangebot einfacher finden. 2 Darüber hinaus kann der Arbeitgeber-Service der BA die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber auf Wunsch bei der Suche nach geeignetem Personal unterstützen (Vermittlungsauftrag). Im Januar 2016 wurde für Berlin der Arbeitgeber-Service Asyl eingerichtet. Dieser ist zentraler Anlaufpunkt für Berliner Unternehmen zum Thema Beschäftigung von geflüchteten Menschen. Bei der Vermittlung von Praktika-Stellen liegt der Fokus auf ausbildungs- oder beschäftigungsvorbereitenden Praktika. Eine Vermittlung auf Praktikumsstellen, die keine Anschlussperspektiven für Arbeit oder Ausbildung bieten, findet im Regelfall nicht statt. 2. Inwiefern werden bei der Vermittlung die Interessen und die Bedürfnisse der geflüchteten Menschen berücksichtigt? Zu 2.: Unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses (Arbeit, Ausbildung, Praktika etc.) werden ausgehend vom Stellenprofil immer Eignung und Neigung der Bewerberinnen und Bewerber abgeglichen. Der Arbeitgeber-Service Asyl nutzt häufig auch die Form der assistierten Vermittlung. Diese folgt dem Grundsatz, dass nur Bewerberinnen und Bewerber bei Unternehmen platziert werden, bei denen in persönlichen Gesprächen das tatsächlich vorhandene Sprachniveau, vorhandene berufliche Kompetenzen, Motivation, Eignung und Neigung vorab abgeklärt wurden. 3. Wie wird sichergestellt, dass die Praktika für geflüchteten Menschen tatsächlich Lernverhältnisse sind, in denen Kenntnisse vermittelt werden, die für die betroffenen Menschen für ihre weitere berufliche Qualifikation einen Mehrwert bieten? Zu 3.: Erteilt der Arbeitgeber der BA einen Vermittlungsauftrag (unabhängig von der Beschäftigungsform), werden wesentliche Aspekte und Rahmenbedingungen der Stelle erhoben, um ein aussagefähiges Profil für die Suche nach Bewerberinnen und Bewerbern erstellen zu können. Eine gezielte Überprüfung der inhaltlichen Ausgestaltung durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber während der Praktikumszeit ist nicht vorgesehen. Das Ergebnis des Praktikums wird nach Ablauf der Beschäftigungszeit mit der Bewerberin bzw. dem Bewerber ausgewertet, um Anknüpfungspunkte für die weiteren Integrationsaktivitäten ableiten zu können. Ergeben sich im Rahmen dieser Auswertung Erkenntnisse, die für nachfolgende Besetzungsaktivitäten für die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber relevant sind, werden diese durch den Arbeitgeber-Service gemeinsam mit der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber ausgewertet. 4. Wie viele geflüchtete Menschen wurden 2016 und 2017 (Stand 31.7.17) durch die Agentur für Arbeit / die Jobcenter in Berlin bereits in Praktika vermittelt? Welche Dauer hat ein derartiges Praktikum durchschnittlich? Zu 4.: Eine derartige Auswertung ist durch den Statistikservice der BA nicht möglich. 3 5. In welche Berliner Firmen wurden die Praktikanten vermittelt? Gibt es im Rahmen der Bereitstellung von Praktikumsplätzen besonders engagierte Firmen in Berlin? Zu 5.: Eine gezielte Auswertung der Vermittlungsaktivitäten der BA differenziert nach Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ist nicht möglich. Neben dem „klassischen“ Praktikum bietet auch die „Maßnahme bei einem Arbeitgeber (MAG)“ – als Instrument der Arbeitsförderung – die Möglichkeit, vorhandene berufsfachliche Kenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber festzustellen und neue berufsfachliche Kenntnisse zu vermitteln. 6. In wie vielen Fällen (absolut und in Prozenten) führte ein absolviertes Praktikum zu einer Anstellung beim praktikumsgebenden Unternehmen? Zu 6.: Eine derartige Auswertung ist durch den Statistikservice der BA nicht möglich. 7. Welche inhaltlichen und strukturellen Vorgaben macht die Agentur für Arbeit/die Jobcenter Unternehmen, in die Praktikanten aus dem genannten Personenkreis vermittelt werden? Wie wird die Einhaltung dieser Kriterien überprüft? Zu 7.: Wesentlich für die Einstellung einer Praktikantin bzw. eines Praktikanten aus dem Personenkreis der Geflüchteten ist der individuelle Arbeitsmarktzugang. Bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie bei Geduldeten muss vor Antritt die Erlaubnis der Ausländerbehörde beantragt werden. Einzelne Praktika sind vom Zustimmungserfordernis der BA ausgenommen. Anerkannte Flüchtlinge wiederum haben einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang. Weiterhin ist der Vermittlungsgrundsatz der BA (§ 36 Abs. 1 SGB III) zu beachten. Demnach darf die BA nicht vermitteln, sofern ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis begründet werden soll, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Vorgaben zur inhaltlichen bzw. strukturellen Ausgestaltung des Praktikums sind nicht vorgesehen, können aber in Abstimmung zwischen Arbeitgeber-Service, Bewerberin bzw. Bewerber und Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber vereinbart werden. Es empfiehlt sich, dabei die Verbesserung der individuellen Einmündungschancen der Bewerberin bzw. des Bewerbers dabei in den Fokus zu stellen. Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auf das „klassische“ Praktikum, welches dazu dient, die erworbenen oder noch zu erwerbenden Kenntnisse in praktischer Anwendung in einem Unternehmen zur Vorbereitung auf eine künftige berufliche Tätigkeit oder Ausbildung zu vertiefen. Mit einem Praktikumsverhältnis ist grundsätzlich ein Mindestmaß an Eingliederung in den Betriebsablauf verbunden. Insofern handelt es sich bei einem Praktikum um ein Beschäftigungsverhältnis. Grundsätzlich gelten damit auch die Regelungen zum Mindestlohn; ausgenommen davon sind u. a. ausbildungsbegleitende Praktika bzw. Praktika zur Berufsorientierung mit einer Dauer bis zu 3 Monaten. 4 Mit dem oben bereits genannten Instrument der MAG sollen individuelle Vermittlungshemmnisse der Bewerberinnen und Bewerber in einem betrieblichen Umfeld erkannt und beseitigt werden. Hier kann u. a. die Erprobung für eine konkrete Tätigkeit bei einer Arbeitgeberin bzw. einem Arbeitgeber mit dem Ziel der Einmündung in ein Beschäftigungsverhältnis gefördert werden. Für die Dauer der MAG wird kein Beschäftigungsverhältnis begründet. Die MAG unterliegt den Regelungen des SGB II und III (Anspruchsvoraussetzungen, Maßnahmenumfang, Inhalte, Qualitätssicherung etc.) und deren Umsetzung ist vorab durch die BA zu prüfen und zu genehmigen. 8. Wie bewerten die Senatsverwaltung und die Agentur für Arbeit die Qualität eines Praktikum, in dem ein geflüchteter Mensch zwei Wochen lang ohne jeglichen Kontakt zu Kollegen ausschließlich zur Reinigung von Toiletten und des Treppenhauses eingesetzt wurde im Hinblick auf das ursprünglichen Ziel des Praktikums, die Deutschkenntnisse zu verbessern? 9. Praktika sollen fachliche Kenntnisse vermitteln und der beruflichen Orientierung dienen. Wie bewerten die Senatsverwaltung und die Agentur für Arbeit Praktika, in denen Praktikanten als zusätzliche kostenlose Arbeitskraft missbraucht werden und es sich also nur um ein Scheinpraktikum handelt? Was wird dagegen unternommen, dass geflüchtete Menschen in solche Praktika vermittelt werden? Zu 8. und 9.: Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 Mindestlohngesetz ist Praktikantin oder Praktikant unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Missbräuchlich lediglich als Praktikum bezeichnete Rechtsverhältnisse, bei denen eine für die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung im Vordergrund steht, sind nach Ansicht des Senats daher rechtlich nicht als Praktikum einzuordnen. Sie stellen vielmehr tatsächlich Arbeitsverhältnisse dar, für die die zum Schutz der Beschäftigten geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen umfassend Anwendung finden müssen. Um zu verhindern, dass geflüchtete Menschen in Scheinpraktika vermittelt werden, ist zudem eine arbeitsrechtliche Sensibilisierung für die Personen selbst erforderlich. Ein hilfreicher Ansatz ist das vom Integrationsbeauftragten des Senats veröffentlichte Informationspaket für Geflüchtete, welches neben der Kurzdarstellung von Arbeitsrechten auch nützliche Kontakte zu Beratungsstellen aufweist, die Geflüchtete über ihre Arbeitsrechte aufklären, um Arbeitsausbeutung zu vermeiden. Die BA darf nach dem Vermittlungsgrundsatz (§36 Abs. 1 SGB III) nicht vermitteln, sofern das begründete Arbeitsverhältnis gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Verstöße werden in den Systemdaten der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers vermerkt, um zukünftig die Rechtmäßigkeit sicherzustellen. Dazu erfolgt eine entsprechende Beratung der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers. Bei einer MAG erfolgt im Vorfeld die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchführung. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber füllt einen entsprechenden Erhebungsbogen aus, in dem die Inhalte und Rahmenbedingungen durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber zu beschreiben sind. Stellt die Vermittlungsfachkraft einen missbräuchlichen Einsatz 5 fest, führt dies im Vorfeld zu einer Ablehnung der Maßnahme. Bei einer MAG wird die Erreichung der mit der MAG verbundenen Ziele im Rahmen des Absolventenmanagements überprüft. Wird im Nachgang festgestellt, dass ein nicht entsprechender Einsatz erfolgte, werden die Verstöße gleichfalls in den Systemdaten der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers vermerkt und die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber entsprechend beraten. Berlin, den 01. November 2017 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-12487 S18-12487