Drucksache 18 / 12 500 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 13. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Oktober 2017) zum Thema: Zivilcourage erwünscht – Zeugenschutz auch? und Antwort vom 27. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Danny Freymark (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 500 vom 13. Oktober 2017 über Zivilcourage erwünscht – Zeugenschutz auch? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie definiert der Senat Zivilcourage? Zu 1.: Der Senat hat keine Definition für Zivilcourage festgelegt. 2. Sind dem Senat Unterschiede zwischen der unter Frage 1.) genannten Definition von Zivilcourage und dem in der Allgemeinheit verbreiteten Verständnis davon bekannt und wenn ja, welche? Zu 2.: Entfällt. 3. Welche Form der Anerkennung gibt es in Berlin für Menschen mit Zivilcourage? Zu 3.: Auszeichnungen für Zivilcourage werden sowohl von der öffentlichen Verwaltung als auch von Vereinen und Organisationen vergeben. So loben einzelne Senatsressorts und die ihnen nachgeordneten Einrichtungen als auch einzelne Verwaltungsbezirke Anerkennungen für besonders herausragende Einätze aus. Die Formen der Anerkennungen reichen von Urkunden, über Medaillen bis zu Geldbeträgen. 4. Was tut der Senat, um Zivilcourage zu fördern und zu unterstützen? Zu 4.: Siehe hierzu die Antworten zu den Fragen 1 und 3 der Schriftlichen Anfrage 18/11238. Seite 2 von 5 5. Was tut der Senat, wenn die Zivilcourage einen offensichtlichen Nachteil für die helfende Person nach sich zieht? Zu 5.: Siehe hierzu die Antwort auf Frage 2 der Schriftlichen Anfrage 18/11238. 6. Welche Programme zum Schutz von Menschen mit Zivilcourage gibt es in Berlin? Zu 6.: Im Rahmen des Landesprogramms „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ werden verschiedene Maßnahmen gefördert, die Zivilcourage in Fällen von Gruppenbezogener Menschenverachtung thematisieren. So wird „Zivilcourage“ sowohl in den bildungsbezogenen Maßnahmen, z.B. im Rahmen des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angesprochen als auch in den Beratungsangeboten des „Vereins für demokratische Kultur (VDK) e.V.“ und der „Stiftung SPI“. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) des VDK e.V. hat z.B. in enger Kooperation mit bezirklichen Registerstellen den „Taschenratgeber - aktiv gegen Rechtsextremismus“ entwickelt, der konkrete Hinweise und Empfehlungen für zivilcouragiertes Handeln vermittelt. Die MBR bietet außerdem allgemein Beratung zu Möglichkeiten und Grenzen der Zivilcourage in Fällen von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Personen, die bei rassistischen, rechtsextremen und antisemitischen Vorfällen Zivilcourage gezeigt haben und selber zu Opfern von Gewalt und Bedrohung wurden, können sich an die Opferberatung „ReachOut“ des Vereins Ariba e.V. wenden. ReachOut bietet u.a. Unterstützung bei der Suche nach Rechtsbeistand, Begleitung zu Polizei, Behörden, Gerichtsterminen, Beratung über finanzielle Unterstützung (Prozesskostenhilfe, Entschädigungszahlungen nach dem Opferentschädigungsgesetzt (OEG) etc.), psychosoziale Beratung und Vermittlung von therapeutischen Angeboten. Für seine Arbeit erhält „ReachOut“ Zuwendungsmittel aus dem Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ in Höhe von 512.113,42 € (2017). Die Polizei Berlin bietet Veranstaltungen für Erwachsene zum Umgang mit Aggression und Gewalt im öffentlichen Raum an, die aufzeigen, wie richtig geholfen werden kann, ohne sich oder andere in Gefahr zu bringen. Ein Fokus liegt dabei auf deeskalierendem Verhalten. Die Entwicklung und das Üben von Handlungsmustern zur Vermeidung von Gewalteskalation sowie zum Erlernen sinnvollen Hilfeverhaltens in Gewaltsituationen ist auch Inhalt der Anti-Gewalt-Veranstaltungen an Schulen, die von der Polizei Berlin angeboten werden. Über das Medienportal http://www.polizei-beratung.de der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) werden verschiedene Verhaltenstipps und Medien zum Thema Zivilcourage bereitgestellt. Über ProPK können auch Unterrichtsfilme mit Begleitheft zur Förderung von Zivilcourage bei Schülerinnen und Schülern ab 10 Jahren angefordert werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei Berlin sind verpflichtet, alle Opfer einer Straftat auf ihre speziellen Rechte und die sich hieraus ergebenden rechtlichen Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz hinzuweisen. Seite 3 von 5 Zu diesem Zweck wird ein Opferschutzmerkblatt ausgehändigt und ausführlich über Beratungsstellen zum Opferschutz informiert. Darüber hinaus verfügt jede Polizeidirektion über speziell geschulte Opferschutzbeauftragte, die zusätzlich umfassend beraten können und über langjährige bestehende Kontakte zu den Opferschutzorganisationen sowie zur Trauma-Ambulanz verfügen. 7. Gibt es Möglichkeiten der Unterstützung und Beratung für Menschen, die durch ihre Zivilcourage selber Opfer einer Straftat werden? Zu 7.: Personen, die bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher Gefahr für seine Gesundheit retten, sind bei der Unfallkasse Berlin gesetzlich unfallversichert. Das gleiche gilt für Personen, die sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen. Erleiden diese Personen bei ihrer Hilfsaktion einen Körperschaden, hat die gesetzliche Unfallversicherung den gesetzlichen Auftrag, ihre Gesundheit mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben sowie am Leben in der Gemeinschaft zu sichern bzw. wieder zu ermöglichen. Wenn die Erwerbsfähigkeit durch den Versicherungsfall länger als ein halbes Jahr um mindestens 20 % gemindert ist, zahlt die Unfallkasse eine Verletztenrente. Den Nothilfe Leistenden und den bei der Verfolgung von Straftätern Hilfe Leistenden ersetzt die gesetzliche Unfallversicherung anders als sonst auch Sachschäden. Außerdem erhalten diese Personen im Versicherungsfall zusätzliche finanzielle Leistungen (sogenannte Mehrleistungen), auf die andere Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Anspruch haben. Subsidiär bestehen Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz. Die Landeskommission Berlin gegen Gewalt beschäftigt sich als zentrales Berliner Präventionsgremium auch mit dem Themenschwerpunkt Opferschutz. Der Opferbeauftragte des Landes Berlin ist zudem ständiges Mitglied der Landeskommission. Mit seiner Unterstützung und dem WEISSEN RING wurde der Opferschutz im letzten Jahr beim Berliner Präventionstag „Wenn Menschen Opfer werden“ thematisiert. Hier wurden Projekte und ehrenamtliche Initiativen mit dem Berliner Präventionspreis 2017 für ihr Engagement in der Präventionsarbeit für Opfer geehrt. Daneben gab die Veranstaltung mit verschiedenen Vorträgen fachliche und wissenschaftliche Impulse zum Thema Opferschutz und diente dem Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 der Schriftlichen Anfrage 18/11238 verwiesen. 8. Wie werden die helfenden Personen über den weiteren Ausgang einer Straftat, zu deren Aufklärung sie beigetragen haben, informiert? Zu 8.: Ob und unter welchen Voraussetzungen Informationen über ein Strafverfahren an eine Person übermittelt werden dürfen, hängt von der prozessualen Stellung dieser Person im Verfahren ab. Relevant ist auch, ob die Erteilung der Auskunft auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen soll. Seite 4 von 5 Die verletzte Person selbst wird gemäß § 406i der Strafprozessordnung (StPO) über ihre Rechte im Strafverfahren belehrt und erhält auf ihren Antrag – nicht von Amts wegen – die in § 406d StPO geregelten Informationen. Die helfende Person kann sich indes nur auf § 406d StPO berufen, wenn sie im Zuge ihrer Hilfe selbst Opfer wird. Hat die helfende Person zur Aufklärung der Straftat beigetragen, dürfte es sich bei ihr regelmäßig um eine Zeugin und damit eine Verfahrensbeteiligte handeln. Die StPO enthält keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Erteilung von Auskünften an Zeugen; der Bundesgerichtshof (NStZ-RR 2010, 246) wendet insoweit die für Nichtverfahrensbeteiligte geltenden Vorschriften an. Nichtverfahrensbeteiligte Privatpersonen erhalten auf Antrag Auskunft, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen (§ 475 Abs. 1 Satz 1 StPO) und der hiervon Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung der Auskunft hat (§ 475 Abs. 1 Satz 2 StPO). Wurde das Verfahren eingestellt, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, der Angeklagte freigesprochen oder wird die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen und sind seit der Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre verstrichen, dürfen Auskünfte an nichtverfahrensbeteiligte Personen nur erteilt werden, wenn diese ein rechtliches Interesse glaubhaft machen und der frühere Beschuldigte kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung der Auskunft hat (§ 477 Abs. 3 StPO). Auskünfte an nichtverfahrensbeteiligte Personen sind ferner zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafverfahrens, auch die Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren, oder besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 Satz 1 StPO). Bei Auskunftsersuchen von Zeugen besteht besonderer Grund zur Prüfung, ob der Erteilung der Auskunft Zwecke des Verfahrens entgegenstehen. Um die Neutralität von Zeugen zu sichern, sollen diese z.B. nach §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 2 Satz 1 StPO nur einzeln in Abwesenheit der anderen Zeugen vernommen werden. Informationen dürften daher regelmäßig zu versagen sein, wenn zu befürchten ist, dass sie die Aussage beeinflussen. Da alle vorgenannten Vorschriften einen Antrag voraussetzen und Mitteilungen von Amts im Übrigen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) nur an öffentliche Stellen des Bundes und der Länder und nicht an Privatpersonen ergehen dürfen, werden an Privatpersonen grundsätzlich keine Auskünfte von Amts wegen erteilt. 9. Existiert bei der Berliner Polizei ein spezieller Leitfaden, wie mit Menschen, die offensichtlich Zivilcourage gezeigt haben, umzugehen ist, insbesondere wenn diese Person wünscht, nicht in einen Fall „hineingezogen“ zu werden? Zu 9.: Einen derartigen Leitfaden oder eine andere Form der Vorschrift gibt es in der Polizei Berlin nicht. In einem rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahren gelten für alle Zeugen, auch für solche, die Zivilcourage gezeigt haben, die gleichen Regeln und Rechte. Gemäß § 68 Strafprozessordnung (StPO) – Vernehmung zur Person; Beschränkung von Angaben, Zeugenschutz – wird der Schutz der Identität unter bestimmten Voraussetzungen gewahrt, sofern ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, Seite 5 von 5 dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird. In dem Fall kann gestattet werden, dass Angaben zur Person nicht gemacht oder zum Beispiel eine andere ladungsfähige Anschrift angegeben wird. Berlin, den 27. Oktober 2017 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12500 S18-12500 S18-12500 S18-12500