Drucksache 18 / 12 504 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 16. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Oktober 2017) zum Thema: Versiegelte Flächen in Lichtenberg und Antwort vom 30. Oktober 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Danny Freymark (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12504 vom 16. Oktober 2017 über Versiegelte Flächen in Lichtenberg Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher das Bezirksamt Lichenberg um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: Worin besteht der Vorteil einer entsiegelten Fläche gegenüber einer versiegelten Fläche? Antwort zu 1: Die Versiegelung von natürlichen Böden durch Überbauung und Bedeckung mit undurchlässigem Material hat eine Vielzahl von negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt, das Mikroklima in der Stadt und den Lebensraum des Menschen. Die Auswirkungen der Versiegelung sind vor allem in Großstädten und Ballungsräumen wie Berlin zu spüren, wo ein hoher Anteil der gesamten Fläche versiegelt ist. Die vollständige Versiegelung von Böden führt zum Verlust der natürlichen Bodenfunktionen, in diesem Zusammenhang zur Isolierung der Bodenlebewesen und Abtötung der schwer regenerierbaren Pilz- und Bakterienvorkommen und auch zum Verlust der Archivfunktion. Durch Versiegelung und Verdichtung wird die pflanzenverfügbare Wasserspeicherleistung des Bodens sowie seine Puffer- und Filterleistung stark beeinträchtigt. Außerdem gehen 2 mit der Versiegelung des Bodens durch den Verlust von Verdunstungs- und Versickerungsflächen für Niederschläge auch Veränderungen im Wasserhaushalt und der Wasserbeschaffenheit einher. Die Folge sind unter anderem Beeinträchtigungen der Qualität der Gewässer sowie Probleme im Zusammenhang mit Starkregenereignissen. Die vollständige Versiegelung des Bodens bewirkt in der Folge den gänzlichen Verlust von Flora und Fauna sowie Veränderungen des Mikroklimas. Unversiegelte Böden haben dank ihrer Wasserspeicherfähigkeit und als Wasserlieferanten für Pflanzen einen wichtigen Einfluss auf das Stadtklima. Die Verdunstung durch die Pflanzen und von der unversiegelten Bodenoberfläche führen zur Abkühlung der Luft und der Erhöhung der Luftfeuchtigkeit. Neben den oben beschriebenen Folgen auf den Naturhaushalt hat der Grad der Versiegelung eines Stadtgebietes auch eine unmittelbare Auswirkung auf den Lebensraum des Menschen. So ist eine hohe Versiegelung meist gepaart mit einem Missverhältnis zwischen Einwohnerzahl und Freiflächenangebot. Durch die Entsiegelung und die Wiederherstellung der Bodenfunktionen können die negativen Auswirkungen der Versiegelung zum großen Teil wieder rückgängig gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass nach einer Entsiegelungsmaßnahme eine fachgerechte Wiederherstellung der Bodenfunktionen und standortangepasste Rekultivierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Vergleiche Umweltatlas Berlin, Begleittext zur Karte Versiegelung. Weiteres ist dem nachfolgenden Link zu entnehmen: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/dd102_01.htm#A1 Frage 2: Wie sind die jeweiligen Begriffe „versiegelt“ und „entsiegelt“ aus Sicht des Senates definiert? Antwort zu 2: In der Kartenbeschreibung zur Karte „Versiegelung“ des Umweltatlas Berlin (Karte 01.02) findet sich eine Definition des Begriffes Versiegelung, die in Berlin Anwendung findet. Danach wird unter Versiegelung die Bedeckung des Bodens mit festen Materialien verstanden. Dabei lassen sich versiegelte Flächen in bebaut versiegelte Flächen, also Gebäude aller Art und unbebaut versiegelte Flächen, also Fahrbahnen, Parkplätze, befestigte Wege usw. unterscheiden. Neben baulichen Anlagen und mit Asphalt oder Beton vollständig versiegelten Oberflächen werden auch durchlässigere Beläge als versiegelt betrachtet, obwohl diese zum Teil sehr unterschiedliche ökologische Eigenschaften aufweisen. Rasengittersteine oder breitfugiges Pflaster z.B. erlauben noch ein reduziertes Pflanzenwachstum, sind teilweise wasserdurchlässig oder weisen ein wesentlich günstigeres Mikroklima auf als vollständig versiegelte Flächen. 3 Flächen mit solchen Oberflächen gelten als „versiegelt“. Als „entsiegelt“ gelten dementsprechend Flächen, die versiegelt waren, auf denen aber die künstlichen Oberflächen wieder entfernt wurden. Frage 3: Wie hoch ist der Anteil der versiegelten Flächen im Bezirk Lichtenberg? Antwort zu 3: Die versiegelten Flächen werden für den Umweltatlas Berlin regelmäßig kartiert. Die Karten und Auswertungen aus dem Datenbestand werden im Umweltatlas veröffentlicht, letztmalig mit Stand der Daten von 2016, veröffentlicht 2017 als Karte „Versiegelung“ (01.02) des Umweltatlas http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/id102.htm. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 17/11529 vom 06.02.2013 verwiesen. Abb. 7 des Begleittextes zeigt die bezirksweisen Versiegelungsgrade. Danach ist der Bezirk Lichtenberg zu 42,8 % versiegelt. 13,1 % sind durch Gebäude versiegelt und 18,7 % sind unbebaut versiegelte Flächen (Parkplätze, Wege, Zufahrten usw.). 10,9 % der Bezirksfläche sind versiegelte Straßen (Angaben ohne Berücksichtigung der Gewässer). Frage 4: Welchen Anteil an versiegelten Flächen ergibt sich für Grundstücke in öffentlicher Hand? Antwort zu 4: Zum Versiegelungsgrad von Grundstücken in öffentlicher Hand liegen dem Senat keine Angaben vor. Frage 5: Welche Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen in öffentlicher Hand sind in den kommenden Jahren bis 2020 geplant? Antwort zu 5: Für die Entsiegelung von Flächen in öffentlicher Hand sind in den kommenden Jahren bis 2020 keine Maßnahmen geplant. Grundsätzlich steht mit dem Projekt „Entsiegelungspotenziale in Berlin“ im Umweltatlas ein gesamtstädtisches Kataster mit aktuell 238 Flächen zur Verfügung, die in absehbarer Zukunft dauerhaft entsiegelt werden können. Das Kataster wird kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt (www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/d116_01.htm). Frage 6: Wie wird die Flächenentsiegelung finanziert? 4 Antwort zu 6: Finanzierungsmöglichkeiten im Land Berlin bestehen im Rahmen der Eingriffsregelung mittels des Verfahrens zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen in Natur und Landschaft und des Berliner Programms für Nachhaltige Entwicklung (BENE). Weitere Informationen sind den nachfolgenden Links zu entnehmen: https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/landschaftsplanung/bbe/index.shtml https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/landschaftsplanung/bbe/download/bbe_leitfaden.pdf https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/foerderprogramme/bene/ Frage 7: Welche Rolle spielt die Flächenentsiegelung im Zusammenhang mit der Genehmigung neuer Bauanträge und Planverfahren? Antwort zu 7: Nach § 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) müssen die nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Grundstücke wasseraufnahmefähig hergestellt werden. Im Baugenehmigungsfahren durchgesetzt wird diese Pflicht durch Auflagen in der Baugenehmigung. Voraussetzung für diese Auflage ist aber ein Bauantrag des Bauherrn. Im Bebauungsplanverfahren soll nach § 1a Absatz 2 Baugesetzbuch (BauGB) mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden. Dabei sind unter anderem die Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Dieser Grundsatz ist in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 BauGB zu berücksichtigen. Zur Berücksichtigung dieses Belangs können nach § 9 Absatz 1 Nummer 10 BauGB „Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung“ festgesetzt werden. Als festzusetzende Nutzungen kommen insbesondere in Frage: öffentliche und private Grünflächen, Flächen für Wald, Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft, Flächen zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft nach § 1a Absatz 3 BauGB. Für diese Nutzungen müssen die Flächen gegebenenfalls entsiegelt werden. Für die Festsetzung von selbständigen Entsiegelungsmaßnahmen fehlt in § 9 BauGB eine Ermächtigungsgrundlage. Auf gesamtstädtischer Ebene formuliert das Landschaftsprogramm für Siedlungsgebiete und besonders für Siedlungsgebiete mit dem Schwerpunkt Anpassung an den Klimawandel das Ziel u.a. durch Flächenentsiegelung die naturhaushaltswirksamen Flächen zu erhöhen. Im Rahmen von Bebauungsplänen, bei Planfeststellungsverfahren und anderweitigen Vorhaben können Entsiegelungsmaßnahmen als Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des Bundesnaturschutzgesetz festgelegt werden. Frage zu 8: Welche Regelungen die privaten und öffentlichen Bauherren zur Bodenentsiegelung verpflichten zu können bestehen derzeit? 5 Antwort zu 8: Private oder öffentliche Bauherren können im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens durch Auflagen zur Bodenentsiegelung verpflichtet werden. Bei genehmigungsfreien Bauvorhaben kann die Durchsetzung der Anforderungen des § 8 Absatz 1 BauO Bln aufgrund der allgemeinen ordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 17 Absatz 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Bln) in Verbindung mit § 8 Absatz 1 BauO Bln erfolgen. Frage zu 9: Was ist mit dem ehemaligen Polizeigelände Margaretenhöhe geplant und wann wird diese Fläche endlich entsiegelt? Antwort zu 9: Das ehemalige Polizeigelände Margaretenhöhe ist im Flächennutzungsplan (FNP) als Wohnbaufläche W4 mit landschaftlicher Prägung dargestellt. Aufgrund des dringenden Wohnraumbedarfs kann nach Auffassung des Senats auf die Bauflächendarstellung nicht verzichtet werden. Eine Änderung des FNP käme nur im Zusammenhang mit der Entwicklung von Bauflächen an anderer Stelle und den dafür erforderlichen Ausgleichsund Ersatzflächen in Betracht. Gegenwärtig zeichnet sich bereits ab, dass es für solche A+E-Maßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Stadtquartiere wie z.B. Blankenburger Süden einen großen Bedarf geben wird. Erst im Kontext dazu kann auf Grundlage eines entsprechenden landschaftsplanerischen Konzeptes eine Bewertung des Flächenpotenzials an der Margarethenhöhe erfolgen. Im Fachbereich Naturschutz- und Landschaftsplanung des Bezirksamtes Lichtenberg liegen hingegen Konzepte zur Entsiegelung und Nutzung des ehemaligen Polizeigeländes Margaretenhöhe vor. Ebenso gab es bereits Anfragen des Liegenschaftsfonds, dort Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. Eine Realisierung ist derzeit jedoch aus den bereits erläuterten rechtlichen Gründen nicht möglich. Das Bezirksamt vertritt die Auffassung, dass es vor dem Hintergrund der Altlastensituation, der Lärmbelastung, fehlender Infrastruktur und der dezentralen Lage keine Nachfrage für die Entwicklung als Standort für Einfamilienhäuser gibt bzw. geben wird. Das B-Planverfahren des Bezirksamtes wurde Ende 2012 mit Zustimmung der zuständigen Senatsverwaltung und der Gemeinsamen Landesplanung eingestellt. In dem 2014 fortgeschriebenen Landschaftsrahmenplan werden die Renaturierung der Flächen und die Flächenentsiegelung mit dem Ziel der Entwicklung von Grünflächen benannt. Von Seiten des Bezirksamtes Lichtenberg wurde am 28.04.2016 ein entsprechender Änderungsantrag für den FNP an SenStadtUm gestellt. Diese entgegenstehenden Positionen sind bisher nicht aufgelöst. Frage zu 10: Warum dauert es so lange, eine Fläche wie das ehemalige Polizeigelände in Hohenschönhausen zu entsiegeln und damit der Allgemeinheit wieder zur Verfügung zu stellen? 6 Antwort zu 10: Siehe Antwort zu Frage 9. Berlin, den 30.10.17 In Vertretung Kirchner ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-12504 S18-12504