Drucksache 18 / 12 593 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 01. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. November 2017) zum Thema: Sogenanntes "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" und dessen Umsetzung in Berlin II und Antwort vom 15. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12593 vom 01. November 2017 über Sogenanntes „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ und dessen Umsetzung in Berlin II _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Am 21. Oktober 2016 wurde das sogenannte „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ verkündet. Seit dem 1.7.2017 sind danach Personen verpflichtet, die der Prostitution nachgehen wollen, dies „vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich diese Tätigkeit aus-geübt werden soll, anzumelden“, § 3 Abs. 1 ProstSchG. Bei der Anmeldung ist ein Nachweis über die ebenfalls durch dieses Gesetz eingeführte gesundheitliche Beratung vorzulegen, § 4 Abs. 3 ProstSchG. Die zuständige Behörde hat dann innerhalb von 5 Werktagen eine Anmeldebescheinigung vorzulegen, § 5 Abs. 1 ProstSchG. Spätestens ab dem 1.1.2018 müssen sich die Betreiber von Prostitutionsgewerben auch von Personen, die schon vor dem 1.7.2017 als Prostituierte tätig waren, die Anmeldebescheinigung sowie eine gültige Bescheinigung über die erfolgte gesundheitliche Beratung vorlegen lassen, § 27 Abs. 2 ProstSchG. Verstöße hiergegen werden mit Geldbußen bis € 5.000,- pro Einzelfall geahndet. Lässt der Betreiber Prostituierte trotz Fehlens der Anmeldebescheinigung bei ihm tätig werden, dann drohen ihm sogar Geldbußen bis zu € 10.000,- in jedem Einzelfall, § 33 Abs. 3 i. V. m Abs. 2 Ziff. 7 i. V. m. § 25 Abs. 1 Ziff. 4 ProstSchG. 1) Der Beantwortung meiner schriftlichen Anfrage (Drucksache 18/12471) zu 2) entnehme ich, dass der Berliner Senat bis heute nicht in der Lage ist, die seit Oktober 2016 bekannte Pflicht zur Gesundheitsberatung für Personen vorzunehmen, die in der Prostitution tätig werden wollen? Falls ja, wann konkret wird das Land Berlin seine gesetzliche Verpflichtung „zum Schutz der in der Prostitution tätigen Personen“ wahrnehmen und die nach § 10 ProstSchG für die Prostituierten zwingend erforderliche gesundheitliche Beratung anbieten können? Zu 1.: Es wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung der gesundheitlichen Beratung im Sinne des § 10 ProstSchG den Bezirken im Rahmen ihrer allgemeinen Zuständigkeit obliegt . Die gesundheitliche Beratung für Prostituierte wird angeboten werden, sobald die strukturellen Voraussetzungen geschaffen sind. - 2 - 2 2) Der Antwort des Senats entnehme ich weiterhin, dass das Land Berlin rechtswidrig immer noch nicht in der Lage ist, die Anmeldung entgegenzunehmen und – wie gesetzlich gefordert – innerhalb von fünf Werktagen eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Stattdessen wird eine „Bescheinigung über den Anmeldeversuch “ ausgestellt. Ist das immer noch der Fall? Falls ja, wann konkret wird das Land Berlin seine gesetzl iche Verpflichtung nachkommen und allen Antragstellern innerhalb von 5 Werktagen die Bescheinigung ausstellen können? Zu 2.: Wie auch für die gesundheitliche Beratung werden derzeit die Strukturen für die Anmeldung finalisiert. Bis alle organisatorischen Maßnahmen getroffen worden sind, wird weiterhin die Bescheinigung über den Anmeldeversuch ausgestellt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen , dass Prostituierte keinen Antrag stellen müssen und mithin - im Unterschied zu den Betreiberinnen und Betreibern eines Prostitutionsgewerbes - keine Antragsteller sind. 3) Was ist der Grund für den gesetzeswidrigen Zustand? Davon ausgehend, das dem Land Berlin das am 21.10.2016 verkündete Gesetz und die ihm damit spätestens am 1.7.2017 entstehenden Pflichten bekannt waren, weshalb gibt es aktuell diese Defizite? Zu 3.: Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen wurde am 27. Oktober 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet . Der Zeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes wurde vom Bund sehr knapp gewählt. Im Hinblick auf die Gesetzesverkündung muss zudem berücksichtigt werden, dass im Land Berlin zunächst die Umbildung des Senats zu erfolgen hatte. Von einem gesetzeswidrigen Zustand kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden. Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass gemäß Artikel 84 des Grundgesetzes die Bundesregierung die Aufsicht darüber ausübt, dass die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen. Der in der Anfrage erhobene Vorwurf der Gesetzeswidrigkeit ist seitens der Bundesregierung gegenüber dem Land Berlin nicht geäußert worden. 4) Spätestens ab dem 1.1.2018 brauchen alle Prostituierte einen Nachweis über die Gesundheitliche Beratung gem. § 10 ProstSchG und über die Anmeldung. Der Antwort des Senats (Drucksache 18/12471) entnehme ich, dass erst 72 Anmeldeversuche erfolgten und noch überhaupt keine gesundheitliche Beratung stattgefunden hat. Der Antwort des Senats vom 22.09.2017 auf meine Anfrage vom 11.09.2017 (Drucksache 18/12248) entnehme ich, dass der Senat schlicht keine Ahnung hat, wie viele Prostituierte in Berlin ihrer Tätigkeit nachgehen. Öffentlich werden bis zu 10.000 Prostituierte genannt. Wie will der Senat mit dem zu erwartenden Ansturm nach Verstreichen lassen der langen Übergangszeit fertigwerden? Zu 4.: Das Anmeldeverfahren im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes wird in Berlin durch eine geregelte Terminvergabe koordiniert werden. - 3 - 3 5) Der Antwort des Senats vom 25.10.2017 auf meine Anfrage vom 12.10.2017 (Drucksache 18/12471) entnehme ich, dass die „Bescheinigung über den Anmeldeversuch“ die Prostituierten zwar nicht von der Pflicht zur Anmeldung entbinden soll, sie dienten „vielmehr dem Rechtssicherheitsinteresse der Prostituierten“. Wie und wann hat der Senat das rechtlich verbindlich geregelt? Was ist die Rechtsgrundlage dafür? Zu 5.: Die Dokumentation der Anmeldeversuche ergibt sich aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen und bedarf daher keiner speziellen Rechtsgrundlage . 6) Für den Fall, dass sich der Senat lediglich auf das ordnungsrechtliche Opportunitätsprinzip gem. § 47 OWiG verlässt, muss klargestellt werden, dass die Tätigkeit der Prostituierten ohne Anmeldebescheinigung trotzdem rechtswidrig bleibt, das Rechtssicherheitsinteresse der Prostituierten hierdurch tatsächlich also nicht vollständig hergestellt werden kann. Eine rechtswidrige Tat, die ordnungsrechtlich ungeahndet bleibt, ist dadurch schließlich nicht weniger rechtswidrig. Wie schützt sich der Berliner Senat vor eventuellen Schadensersatzforderungen von Prostituierten oder auch Betreibern, die aufgrund der – gezwungenermaßen - rechtswidrig ausgeübten Prostitution sonstige rechtliche Nachteile außerhalb der Verfolgung als Ordnungswidrigkeit erleiden? Zu 6.: Klarzustellen ist, dass Verstöße gegen das ProstSchG entsprechend des ordnungsrechtlichen Opportunitätsprinzips geahndet werden können und nicht wie vom Fragesteller in der Vorbemerkung dargestellt, geahndet werden. Hinsichtlich der Tätigkeit der Prostituierten ohne Anmeldebescheinigung dürfte ein Absehen von Verfolgung allerdings nicht aufgrund des ordnungsrechtlichen Opportunitätsprinzips , sondern bereits aufgrund der fehlenden Verfolgungsvoraussetzungen erfolgen. Eine Tat kann nur dann geahndet werden, wenn eine Person auch vorwerfbar im Sinne des § 1 Absatz 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes handelt. Prostituierten kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich in Berlin derzeit lediglich einen Anmeldeversuch bescheinigen lassen können. Die in der Fragestellung angenommenen rechtlichen Nachteile sind daher nicht nachvollziehbar. 7) Die Anmeldebescheinigungen gelten bundesweit, müssen aber dort beantragt werden, wo eine Person vornehmlich der Prostitution nachzugehen beabsichtigt. Während also eine Prostituierte, die sich beispielsweise in Schleswig-Holstein angemeldet hat, in Berlin tätig werden darf, fehlt einer Berliner Prostituierten mangels Anmeldebescheinigung die Möglichkeit, in Schleswig-Holstein tätig zu werden. Wie stellt die Berliner Verwaltung sicher, dass eine Person, die vornehmlich in Berlin tätig werden will, jedoch auch in anderen Bundesländern, was das ProstSchG eindeutig zu-lässt, dort nicht ordnungsrechtlich verfolgt wird? Falls das nicht sichergestellt werden kann, wie rechtfertigt der Berliner Senat die Ungleichbehandlung der vornehmlich in Berlin tätigen und damit anmeldepflichtigen Prostituierten. Zu 7.: Der Berliner Senat kann keine Verantwortung für das (Verwaltungs-)handeln in anderen Ländern übernehmen. Der föderalen Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder nach Art. 83 des Grundgesetzes ist geschuldet, dass unterschiedliche Umsetzungsstände vorherrschen können. Eine Ungleichbehandlung von in Berlin tätigen Prostituierten ist damit nicht verbunden. - 4 - 4 8) Der Senat hat am 25.10.2017 auf meine Anfrage vom 12.10.2017 erklärt – dort letzter Absatz -, dass Prostituierte, die den „Versuch einer Anmeldung unternommen haben [….] keine Beschränkung in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu befürchten“ haben. Eine Erklärung, die Betreibern von Prostitutionsgewerben Rechtssicherheit geben kann, fehlt jedoch ganz. Tatsächlich werden Berliner Betreiber von Bordellbetrieben ab dem 1.1.2018 deshalb nur noch Prostituierte aus anderen Bundesländern arbeiten lassen können, die über die entsprechenden Nachweise verfügen, wollen Sie keine Bußgelder in Höhe von bis zu € 10.000,- im Einzelfall und sogar die Versagung der Erlaubniserteilung gem. § 12 ProstSchG riskieren. Berliner Prostituierte werden damit trotz der Bescheinigung über den Versuch einer Anmeldung“ auf den Straßenstrich gedrängt, wo sie regelmäßig schutzlos ihrer Tätigkeit nachgehen müssen. Was beabsichtigt der Berliner Senat in den wenigen verbleibenden Tagen zu unternehmen, um zu verhindern, dass vornehmlich in Berlin tätige und damit anmeldepflichtige Prostituierte auf diese Weise auf den Straßenstrich gedrängt werden, da Berliner Bordellbetreiber nach aktueller Rechtslage sie ab dem 1.1.2018 nicht mehr in ihren Betrieben arbeiten lassen können? Zu 8.: Für Betreiberinnen und Betreiber dürfte aus der derzeitigen Übergangsregelung folgen, dass sie von Berliner Prostituierten auch nur die Bescheinigung eines Anmeldeversuchs verlangen können. Ein Nachteil entstünde ihnen hierdurch nicht. Folglich ist auch für Betreiberinnen und Betreiber Rechtssicherheit gewährleistet und eine Verdrängung der Berliner Prostituierten auf den „Straßenstrich“ muss nicht befürchtet werden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass auch Prostituierte, die auf dem „Straßenstrich“ tätig sind, der Anmeldepflicht unterliegen. Berlin, den 15. November 2017 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung S18-12593 S18-12593