Drucksache 18 / 12 620 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Georg Kössler (GRÜNE) vom 01. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. November 2017) zum Thema: Dezentrales Energie- und Wasserrecycling in Berlin und Antwort vom 21. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Georg Kössler (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12620 vom 01.11.2017 über Dezentrales Energie- und Wasserrecycling in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Wasserbetriebe (BWB) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wurde der Beantwortung insoweit zugrunde gelegt. 1. Stimmt die Senatsverwaltung dem zu, dass dezentrales Energierecycling aus Abwasser einen wichtigen Baustein zur Berliner Wärmewende darstellt? Zu 1.: Der Senat hat im dem Abgeordnetenhaus vorgelegten Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030, Umsetzungszeitraum 2017-2021, (BEK) erklärt, dass neben der vermehrten Wärmebereitstellung aus Solarthermie und der Speicherung von Überschussstrom aus erneuerbaren Energien in Form von Wärme, die Identifizierung und Nutzung von vorhandenen Wärmequellen ebenfalls ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele ist. Daher strebt der Senat mit der BEK Maßnahme E-14 „Abwasserwärme-Potenziale heben“ an, lokale Abwasser-Wärmepotentiale zu identifizieren und für die interessierte Öffentlichkeit so aufzubereiten, dass potentielle Zielgruppen für konkrete Umsetzungen gewonnen werden können. Insgesamt wird angestrebt, dass zukünftig Abwasserströme als Wärmequelle für Wärmepumpen genutzt werden und entweder für die dezentrale Versorgung von Quartieren zur Verfügung stehen oder - in einer längerfristigen Perspektive - bei abgesenkten Fernwärmetemperaturen auch in ein anliegendes Netz eingespeist werden. 2. Gibt es in Berlin Förderung für Projekte des dezentralen Energierecyclings aus Abwasser? Wenn ja, wie viele und welche Projekte werden/wurden in welchem Zeitraum gefördert? Bitte auflisten nach Fördersumme und Bezirk. Wenn nein, warum nicht? 2 3. Mit welchen Ergebnissen (Energieeinsparung, CO2-Minderung und Kosten der Maßnahmen) wurden die Projekte zur Wärmerückgewinnung aus Abwasser abgeschlossen? Zu 2. und 3.: Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die für die Umweltförderung zuständig ist, hat hierzu Folgendes mitgeteilt: Im Umweltentlastungsprogramm II (UEP II), ein Umweltförderprogramm Berlins im Rahmen der EFRE-Strukturfondsförderung 2007-2015, wurden zwei Vorhaben mit Maßnahmen zur Abwasserwärmenutzung gefördert und erfolgreich realisiert. 1) Vorhaben „Abwasserwärmerückgewinnungsanlage für die Sporthalle (Neubau) und Jugendfreizeiteinrichtung (Altbau) in der Oderstraße“, Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg von Berlin. Das Projekt wurde im Zeitraum 07.07.2009 bis 30.04.2014 durchgeführt mit Gesamtausgaben von 4.106.967,- €. Die im Förderprogramm zuschussfähigen Ausgaben beliefen sich auf 327.282,- €. Es wurde eine Fördersumme von rd. 287.218,- € ausgezahlt . 2) Vorhaben „Errichtung einer Anlage zur Abwasserwärmenutzung für die Schwimmhalle am Sachsendamm“, Bezirk Tempelhof-Schöneberg von Berlin. Das Projekt wurde im Zeitraum 01.09.2010 bis 19.10.2012 durchgeführt mit Gesamtausgaben von 656.133,- €. Die im Förderprogramm zuschussfähigen Ausgaben beliefen sich auf 462.251,- €. Es wurde eine Fördersumme von rd. 277.351,- € ausgezahlt . Eine Förderung von Anlagen zur Abwasserwärmenutzung ist auch im Nachfolgeprogramm des UEP II, dem Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung - BENE (Förderperiode 2014-2023) möglich. Bisher liegen keine Förderanfragen oder – anträge hierzu vor. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) teilen ergänzend mit, dass die übrigen Projekte zur Wärme-aus-Abwasser-Nutzung ohne Fördermittel realisiert wurden, da sich diese für die BWB und die Investoren wirtschaftlich rechnen. Projektbezeichnung Entzugsleistung in kW CO2 Reduktion in t/a Projekte im Betrieb WAA Schwimmhalle Sachsendamm 68 38 WAA IKEA Lichtenberg 1140 120 WAA Hellweg Baumarkt 85/ 400 (zweiter Anschluss Wohngebiet Bautzenerstraße) 90 WAA Abwasserpumpwerk Rudolfstraße 117 (45) Anlage noch nicht in Betrieb genommen, da BWB Museumsbau noch nicht erfolgt WAA Pumpwerk Schenkendorf des Märkischen Abwasser- und Wasserzweckverband 40 16 WAA Sporthalle Oderstraße 40 10 WAA Vattenfall Pilotanlage Baerwaldstraße 35 3 WAA BMU Stresemannstraße 40 8 WAA Erbverein Moabit Dorotheastraße 350 35 3 WAA Flexim GmbH Boxbergerstraße 225 18 Projekte in Planung WAA Hauptpumpwerk Charlottenburg , Quartier Klausenerplatz 2000 WAA Tempelhofer Damm 1000 WAA Nachnutzung TXL 100 WAA Gewerbegebiet Motzenerstraße 1200 WAA Buckower Felder 1000 WAA Alte Post, Spandauer Ufer (SPU) 1600 WAA Koppenstraße 600 WAA Grüne Aue 80 4. Stimmt die Senatsverwaltung dem zu, dass das häusliche Abwasser eine Ressource für Wasser, Energie und Nährstoffe ist und somit insbesondere in den geplanten Berliner Wohnungsneubauprojekten zunehmend zu integrieren ist? Zu 4.: Dass Abwasser eine Ressource für Wasser, Energie und Nährstoffe ist, steht für den Senat außer Frage. Die Berliner Wasserbetriebe, die zentral für die Bewirtschaftung des in Berlin anfallenden Abwassers zuständig sind, sorgen in den sechs Kläranlagen dafür, dass die bei der Abwasserreinigung anfallenden stofflichen Ressourcen effizient genutzt und das gereinigte Wasser bedenkenlos in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden kann. Für die BWB ist z.B. der dabei gewonnene Klärschlamm eine wichtige Rohstoffquelle zur Energie- und Nährstoffgewinnung. Seit 2008 ist in Berlin das Recycling von Phosphor aus kommunalen Abwässern zur industriellen Marktreife gelangt. Durch ein patentiertes Verfahren wird ein hochwertiger mineralischer Langzeitdünger erzeugt: Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) – das Produkt Berliner Pflanze. Zusätzlich dient das Verfahren der Verhinderung von Inkrustationen in Rohrleitungssystemen. Durch die energetische Nutzung bei der Faulung von Klärschlamm anfallenden Biogases, sowie durch die thermische Verwertung entwässerten Klärschlamms wird zudem Wärme- und mittels eines Turbinengeneratoraggregats Elektroenergie als Eigenstrom erzeugt. Neben der zentralen Bewirtschaftung des Abwassers als Ressource durch die BWB kommt auch der dezentralen Nutzung des Abwassers als Wärmeenergiequelle eine Bedeutung zu, sofern die konkreten Rahmenbedingungen einen wirtschaftlichen Betrieb einer Wärmenutzungsanlage erlauben (vgl. dazu Antwort zu 3.). Ergänzend teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit, dass der Betrachtungsschwerpunkt bei der Abwassernutzung als Ressource in vernetzten Ansätzen zur Umsetzung ökologischer Gesamtkonzepte liegen sollte. Hierzu bieten ggf. öffentliche Gebäude der sozialen Infrastruktur eine gute Voraussetzung. Ob die geplanten Berliner Wohnungsneubauprojekte hierfür die Schwerpunkte der Umsetzung sind, muss je nach Standort und Rahmenbedingungen geprüft werden. 5. Gibt es in Berlin Förderung für Projekte des dezentralen Wasserrecyclings aus Grauwasser? Wenn ja, wie viele Projekte werden / wurden in welchem Zeitraum gefördert? Bitte auflisten nach Fördersumme und Bezirk. Wenn nein, warum nicht? 4 Zu 5.: Hierzu teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit, dass Grauwasserrecycling in Berlin als ein Schwerpunktthema im Rahmen der Projekte des Experimentellen Wohnungs- und Städtebau entwickelt, begleitet und ausgewertet wurde. Zu den Forschungsprojekten gehörten der Block 6 und der Block 103 in Kreuzberg und die Ökohäuser in Berlin-Tiergarten. Die Erkenntnisse aus den Projekten und die Empfehlungen für künftige Projekte wurden in Berichten, Leitfäden und Arbeitshilfen veröffentlicht. Siehe hierzu http://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/oekologisches_bauen/de/download/inde x.shtml Die für die Umweltförderung zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz teilt mit: Maßnahmen zum dezentralen Wasserrecycling waren weder im UEP II noch sind sie in BENE förderfähig. 6. Welche Technologien und Verfahren werden zum Wasser- und Energierecycling in Berlin erprobt? Welche Energie- und Wassereinsparungen lassen sich damit erzielen? Bitte auflisten nach Technologie , Standort und Betreiber. Zu 6.: Hierzu erläutern die Berliner Wasserbetriebe: Im Bereich der öffentlichen Abwassernetze sind Wärmeüberträger in Kanälen und um Abwasserdruckleitungen erprobt . Im Bereich der Abwasserbehandlung erfolgt das Energierecycling überwiegend mittels Biogasproduktion und Wärmenutzung. Zudem wird in einigen Projekten an Wasser- und Energierecycling geforscht. Im Wasserbereich arbeiten die BWB aktuell am Forschungsprojekt „ENERWAG – Energieeffizienz in der Wassergewinnung“. Ziel des Projekts ist es, die Energieeffizienz in der Wassergewinnung unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit in den beteiligten Wasserversorgungsunternehmen nachhaltig zu verbessern. Hierfür werden Energieeinsparpotentiale geprüft und die Steigerung der Energieeffizienz anhand von praktischen Maßnahmen untersucht. Im Abwasserbereich führen die BWB u.a. das Projekt „WindNODE – Das Schaufenster für intelligente Energie aus dem Nordosten Deutschlands“ durch. Über 50 Partner gestalten in neun Arbeitspaketen die Energiewende aktiv mit. Bei den BWB steht das intelligente Lastmanagement mit flexiblen Erzeugern auf Klärwerken im Fokus. Des Weiteren wurde im Forschungsprojekt „CARISMO – Carbon is Money“ ein neues Abwasserreinigungskonzept entwickelt, dass das im Abwasser vorhandene Energiepotenzial nutzt, um optimal Energie zu gewinnen – das Klärwerk wird so zum Kraftwerk . Ein neues Filtersystem holt dafür die energiereichen organischen Stoffe schon im Zulauf der Kläranlage aus dem Abwasser und überführt sie direkt in die Schlammfaulung , wo über den Weg der Biogasgewinnung Strom erzeugt wird. Das Projekt gelangte 2014 unter die TOP 3 des Deutschen Nachhaltigkeitspreises im Bereich Forschung. Wie dabei die Reinigungsleistung – Stickstoffentfernung – sichergestellt werden kann, wird aktuell im EU-Projekt „POWERSTEP – Großtechnische Demonstration von energiepositiven Klärwerksverfahren zur Markteinführung“ untersucht. Ergänzend weist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf das aktuellste Modellvorhaben zum Thema Wasserrecycling hin, das im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes ROOF WATER FARM entwickelt , begleitet und zurzeit weiter dokumentiert und ausgewertet wird. Siehe hierzu http://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/oekologisches_bauen/de/modellvorhabe n/roof_water_farm/index.shtml 5 7. Welche weiteren Förderungsinstrumente und -anreize zur Ausweitung des dezentralen Wasserund Energierecyclings sind geplant? Zu 7.: Über die bestehenden Fördermöglichkeiten im Rahmen der Umweltförderung (vgl. Antwort zu Fragen 2. und 3.) hinausgehende Förderinstrumente sind nicht geplant . Die umfangreichen Ergebnisse und Erkenntnisse, die bereits vorliegen, sollten in Berlin den örtlichen Gegebenheiten entsprechend bei öffentlichen und öffentlich geförderten Baumaßnahmen umgesetzt werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen beteiligt sich ihm Rahmen der Entwicklung, Begleitung und Auswertung an einzelnen Modellvorhaben, die insbesondere über Bundesministerien gefördert werden. Die Ergebnisse werden zeitnah zur Verfügung gestellt, damit sie für neue Projekte genutzt werden können. Berlin, den 21.11.2017 In Vertretung Christian R i c k e r t s ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe S18-12620 S18-12620