Drucksache 18 / 12 627 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 06. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. November 2017) zum Thema: Interkulturelle Kompetenz als Einfallstor für Probleme an der Polizeiakademie und Antwort vom 21. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12627 vom 6. November 2017 über Interkulturelle Kompetenz als Einfallstor für Probleme an der Polizeiakademie ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie und anhand welcher Kriterien wird die sog. „interkulturelle Kompetenz“ aus § 4 Abs. 3 des Partizipations- und Integrationsgesetz des Landes Berlin (PartInG) bei der Einstellung von Polizeianwärtern und Polizeianwärtinnen überprüft? 2. Welche in § 4 Abs. 3 PartInG geforderten „Kenntnisse kulturell geprägten Regeln, Normen, Wertehaltungen und Symbole“ führen zu einer gesteigerten Annahme einer interkulturellen Kompetenz? 3. Wird eine Fremdsprachenkompetenz als „Interkulturelle Kompetenz“ gewertet? Wenn ja, welche Fremdsprachen fallen darunter? Zählen Englisch und Französisch dazu? Wenn nein, warum nicht? Zu 1.- 3.: Im Auswahlverfahren ist an unterschiedlichen Stellen die Prüfung von Aspekten interkulturellen Wissens enthalten. In den Bewerbungsanforderungen etwa, die als Grundlage für die Nachwuchskräfteauswahl entwickelt wurden, ist im Komplex „adressaten - und kundenorientiertes Verhalten“ unter dem Aspekt des situationsgerechten Auftretens folgende Anforderung mit der Gewichtung „stark ausgeprägt“ enthalten : „Akzeptiert die Verschiedenartigkeit der Kulturen, Religionen, Traditionen und Lebensweisen sowie soziale Unterschiede und verhält sich ihnen gegenüber neutral und sachlich.“ Beispielsweise wird im Eignungstest ein Sprachtest mit den wichtigsten Bedarfssprachen der Polizei Berlin (Englisch, Türkisch, Polnisch, Arabisch, Russisch, Spanisch, Französisch) durchgeführt und im Testteil „Politik und Gesellschaft“ neben Fragen zum deutschen Staatssystem und der deutschen Kultur auch Fragen zu anderen Kulturkreisen gestellt. Fortgesetzt wird dieser Ansatz in dem halbstandardisierten Einzelinterview von rund 30 Minuten – der sogenannten „Persönlichen Vorstellung“ –, das ebenfalls Fragen zur interkulturellen Kompetenz enthält. Interkulturelle Kompetenz wird als ein Baustein persönlicher Eignung betrachtet, der gleichberechtigt neben einer Vielzahl anderer steht und in der Gesamtheit ein Bild der Eignung ergibt. Eine isolierte Erfassung und Auswertung festgestellter interkultureller Kompetenz erfolgt nicht. Seite 2 von 6 4. Was sind die derzeitigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen für die Einstellung als Polizeianwärter oder Polizeianwärterin an der Polizeiakademie? Wurden die Auswahlkriterien im vergangenen Jahrzehnt nach unten angepasst? Wenn ja, warum? Zu 4.: An der Polizeiakademie Berlin findet die theoretische und praktische Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst statt. Das Studium für den gehobenen Polizeivollzugsdienst wird an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) absolviert. Nur die praktischen Ausbildungsanteile werden an der Polizeiakademie durchgeführt. Gemäß § 7 Absatz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) darf in das Beamtenverhältnis berufen werden, wer 1. Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Drittstaates, dem Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Anspruch auf Anerkennung von Berufsqualifikationen eingeräumt haben, besitzt, 2. die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten und 3. die nach Landesrecht vorgeschriebene Befähigung besitzt. Bewerberinnen und Bewerber ohne eine der genannten Staatsangehörigkeiten können zunächst ohne Verbeamtung mit Ausbildungsvertrag eingestellt werden, sofern bereits ein Einbürgerungsantrag gestellt worden ist. Die Einbürgerung muss bis spätestens zum Ende der Ausbildung erfolgen. Für die Einstellung der Polizei Berlin müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Mindestgröße: Frauen 160 cm, Männer 165 cm Besitz einer Fahrerlaubnis für Personenkraftwagen mit Schaltgetriebe (muss in der Ausbildung bis zum Ende des 3. Semesters bzw. im Studium bis zum Ende des 2. Semesters nachgereicht werden) die Fähigkeit besitzt, eine Strecke von mindestens 200 m ohne Unterbrechung schwimmen zu können und einen entsprechenden Schwimmfähigkeitsnachweis erbringt (z. B. Schwimmabzeichen “Bronze”) vollzugsdiensttauglich nach polizeiärztlicher Untersuchung nach ihrer/seiner Persönlichkeit für den Polizeivollzugsdienst geeignet ist (einwandfreier Leumund) Für den mittleren Dienst kommt hinzu: Alter: 16 – 29 Jahre (die Einstellung lebensälterer Bewerberinnen und Bewerber bis 39 Jahre ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich) Schulabschluss: mindestens erweiterte Berufsbildungsreife Für den gehobenen Dienst kommt hinzu: mindestens Fachhochschulreife oder ein gleichwertig anerkannter Bildungsstand Höchstalter 31 Jahre zum angestrebten Einstellungstermin Seite 3 von 6 Die letzte wesentliche Änderung der formalen Einstellungsvoraussetzungen für den Polizeivollzugsdienst erfolgte mit dem Erlass der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes (Pol-LVO) mit Wirkung vom 1. Januar 2013. Die vormals für die regulären Einstellungen in den mittleren Dienst der Schutzpolizei gültige maximale Altersgrenze wurde von ehemals 24 Jahre auf 29 Jahre (§18 Pol-LVO) angehoben und die Altersgrenzen für die Einstellung lebensälterer Bewerberinnen und Bewerber entsprechend angepasst , so dass diese bei einer Einstellung seither zwischen 30 und 39 Jahre alt sein müssen (§ 23 Pol-LVO). Zudem wurde der Mindestnotendurchschnitt als Bewerbungsvoraussetzung und Vorauswahlkriterium abgeschafft. Darüber hinaus hat die Polizei Berlin im Sommer 2010 (beginnend für das Einstellungsjahr 2011) ihr gesamtes Einstellungsverfahren hinsichtlich des Ablaufes und der Inhalte neu konzipiert, um die Abläufe effizienter zu gestalten und die teilweise 40 Jahre alten Tests zu modernisieren. Folgende wesentliche Verfahrensänderungen wurden umgesetzt: Einführung einer Online-Bewerbung Vorselektion anstelle des Mindestnotendurchschnitt über einen Online-Vortest als Zulassungsvoraussetzung für den späteren Eignungstest Einführung eines PC-gestützten Eignungstests Das gesamte Verfahren wurde, von drei auf zwei Testtage reduziert. Dabei wird am ersten Tag der PC- und Sporttest durchgeführt. Am zweiten Tag folgen die Polizeiärztliche Untersuchung und ein mündliches Gespräch. Seit Einführung des neuen Einstellungsverfahrens im Sommer 2010 wurden keine Veränderungen der erforderlichen Grenzwerte vorgenommen, die im Laufe des Testverfahrens bei den unterschiedlichen Stationen mindestens erreicht werden müssen. Nachfolgend werden die Verfahren der Jahre 2010 und 2017 gegenübergestellt: Bis 2010 Heute Für die Teilnahme am Auswahlverfahren musste ein „Numerus Clausus“ nach Zeugnisnoten erfüllt werden, der teilweise variierte. Grundlage war entweder die Gesamtabiturnote oder bei Realschul- oder Zwischenzeugnissen der Durchschnitt aus den Fächern Deutsch, Mathematik, Geschichte und 1. Fremdsprache. (Problematik: Keine Gleichwertigkeit der Schulabschlüsse und -noten aus unterschiedlichen Bundesländern und Schulformen) Zugangsvoraussetzung zum weiteren Auswahlverfahren ist ein über das Internet zu absolvierender Online-Vortest, der inhaltlich an einen später zu absolvierenden PC-Test angelehnt ist und damit fair und für alle Bewerberinnen und Bewerber gleich die Eignung testet. Seite 4 von 6 Deutsches Schwimmabzeichen in Bronze musste vorgelegt werden. Bewerberinnen und Bewerber müssen bestätigen, dass sie in der Lage sind, 200 Meter ohne Unterbrechung zu schwimmen. Eine Bescheinigung hierüber muss vorgelegt werden. Maximalalter für Einstellungen in den mittleren Dienst war 24 Jahre. Maximalalter für Einstellungen in den mittleren Dienst ist seit 2013 unter 30 Jahre. Für Bewerberinnen und Bewerber mit abgeschlossener (mindestens 2- jähriger) Berufsausbildung und einer hauptberuflichen Beschäftigungszeit von mindestens 2 Jahren gilt ein Maximalalter von „unter 40“ Jahren. Schriftliche Bewerbung Online-Bewerbung Schriftliche Prüfung Inhalte: - Diktat - Merkfähigkeitstest (nur mittlerer Dienst) - Intelligenztest (nur gehobener Dienst) - Textwiedergabe (nur gehobener Dienst) - Allgemeinwissenstest PC-Test (entwickelt von führenden Eignungsdiagnostikern auf Grundlage definierter Bewerberanforderungen) Inhalte: - Deutschtest (K.O.-Kriterium) - Intelligenz- und Persönlichkeitsstrukturtest (u.a. Merkfähigkeit, Textverständnis, Logik und Kombinationsfähigkeit , Urteilsvermögen, Aspekte von Zuverlässigkeit, sozialer Kompetenz, Leistungsmotivation, psychischer Belastbarkeit) - Sprachtest (z.Zt. wahlweise Englisch , Türkisch, Polnisch, Russisch, Arabisch, Spanisch, Französisch) - Politik und Gesellschaft (Allgemeinwissen /interkulturelles Wissen) Bei Nichterreichen des Mindestwertes erfolgt der Ausschluss vom weiteren Verfahren. Alle anderen werden zum Sporttest zugelassen. Sporttest Sporttest (unverändert) Tauglichkeitsuntersuchung Tauglichkeitsuntersuchung (unverändert ) Mündliche Prüfung - vor Kommission mit 3 Prüferinnen und Prüfern - weitgehend freie (und damit ungleiche ) Fragestellung - Bewertung nach Punkten mit Einfluss auf das Gesamtergebnis; Ablehnung bei Unterschreiten einer Mindestpunktzahl Persönliche Vorstellung - vor Kommission geschulter und erfahrener Dienstkräfte (bestehend aus einer Frau und einem Mann) - Fragestellung gemäß eines halbstandardisierten Leitfadens - Empfehlung zur Einstellung (kein Einfluss auf die Rangfolge) oder Ablehnung (mit Begründung) Seite 5 von 6 Leumundsprüfung Leumundsprüfung (unverändert) Tauglichkeitsuntersuchung und mündliche Prüfung an zwei getrennten Tagen Tauglichkeitsuntersuchung und mündliche Prüfung am selben Tag, um für Bewerberinnen und Bewerber eine Anreise zu sparen 5. Werden bei der Auswahl der Bewerber die Kenntnisse über andere Kulturen abgefragt oder auch die eigene Zugehörigkeit und das persönliche Selbstverständnis? 6. Wie verhält sich die Einstellung von Bewerbern, welche Kenntnisse über kulturell geprägte Regeln und Normen und Wertehaltungen des Islam haben (wie z.B. die Scharia) und sich diese Regeln selbst zu eigen erklären? Zu 5. und 6.: Persönliche Fragen zur Religionszugehörigkeit sind nicht Bestandteil des Auswahlprozesses . Kenntnisse über Kulturen werden in dem in der Antwort zu Frage 1 genannten Umfang erfragt. Voraussetzung für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst ist das Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung. 7. Warum müssen an einer Berliner Polizeiakademie „Deutschkurse“ angeboten werden? Müssen Bewerber nicht bereits durch ihre eigene schulische Vorbildung über diese Kenntnisse verfügen, bevor überhaupt eine Einstellung an der Polizeiakademie erfolgt? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Es ist festgelegt, dass für eine Einstellung in die Ausbildung Deutschkenntnisse erforderlich sind, die die „Ausbildungsfähigkeit“ bzw. „Studierfähigkeit“ sicherstellen. Der Deutschtest des Auswahlverfahrens, der das Vorhandensein der Kenntnisse auf diesem Niveau prüft, wird von rund 35% der Teilnehmenden nicht bestanden. Eine Einstellung erfolgt in diesen Fällen nicht (K.O.-Kriterium). Über diese als Mindestanforderungen definierten Deutschkenntnisse hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten, sind im Rahmen der Ausbildung zu vermitteln. Deutsch (als Lehrgebiet) ist daher sowohl gemäß der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den mittleren Dienst der Schutzpolizei (APOmDPol - alt) als auch gemäß APOmDPol (neu – Vorgriffsregelung seit 1.9.2017) Bestandteil der Ausbildung für den mittleren Dienst der Schutzpolizei. 8. Wie verhindert der Senat, dass bei der Einstellung von Bewerbern durch den unbestimmten § 4 Abs. 3 PartInG nicht gegen den Grundsatz der gleichen Leistung, Eignung und Befähigung aus Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen wird, also insbesondere dass Bewerber nicht aufgrund ihrer Herkunft mit sog. Migrationshintergrund nicht bevorzugt werden gegenüber Bewerbern, die keinen Migrationshintergrund vorzuweisen haben? Zu 8.: Das Auswahlverfahren ist, ebenso wie alle zu erreichenden Grenzwerte, für alle Bewerberinnen und Bewerber gleich. Die Herkunft bzw. eine Einwanderungsgeschichte hat keine Auswirkungen auf den Auswahlprozess. Seite 6 von 6 9. Gibt es kulturell geprägte Regeln, Wertehaltungen und Normen welche der Senat für unvereinbar mit dem Berliner Polizeidienst hält? Wenn ja, welche, wenn nein, warum? Zu 9.: Jeder Polizeibeamte und jede Polizeibeamtin hat sich für die Grundsätze und Werte der freiheitlich demokratischen Grund- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschlands einzusetzen. Alle Regeln, Werte und Normen, die dagegen verstoßen, sind unvereinbar mit dem Polizeidienst. Berlin, den 21. November 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12627 S18-12627